Ulrich Roehm - Fördervereins Tanzkunst Deutschland
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ezitiert aus einem Jahreszeitengedicht. Davor entspinnt sich<br />
Günther Rebels Sommernachtsliebelei von zwei Paaren und<br />
Freunden, die sich handfest modern bis akrobatisch tanzend<br />
umschmeicheln, über Kreuz mit dem Gegenüber flirten und<br />
schließlich den Partner wechseln.<br />
Zum malerischen Tableau an barocker Tafel mit überquellenden<br />
Obstschalen und Kandelabern posieren acht Herbst-<br />
Schönheiten in edlen Roben, Herbstlaub in die kunstvollen<br />
Frisuren geflochten. Zart gestikulieren sie, biegen kokett die<br />
Hälse, lächeln und strahlen im Bewusstsein ihrer Reize. Als<br />
Folklore sich mit Vivaldis Klängen und Rhythmen verbindet,<br />
tanzen sie ausgelassen, andere mischen sich ein. Manche erstarren<br />
wieder zum Tableau. Während Wind und Regen rauschen,<br />
endet die poetische Szene sehr sinnlich im roten Schimmer.<br />
Eine meisterliche Miniatur boten Lajos Orosz und seine<br />
Compagnie mit zauberhafter Ausstrahlung. In Svenja Gasches<br />
Choreographie des Winters heben sich anfangs vier Hügel aus<br />
dem diffusen Licht weiß ab. Gestalten schälen sich aus Baumstümpfen,<br />
tappen barfuß, den Kopf zwischen den Schultern<br />
wie in Trance zur motorischen Musik. Modern Dance und Ausdruckstanz<br />
gehen eine harmonische Allianz ein.<br />
Zehn freie Gruppen sorgten nach der Pause für Abwechslung<br />
und gute Laune. Wie seit Jahren eröffnete »Schrittwechsel«,<br />
eine Gruppe der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger<br />
Behinderung, das Potpourri. Ein Mosaik aus Beiträgen früherer<br />
Jahre setzten die Frauen und Männer zu Stevie Wonders<br />
»Happy Birthday« zusammen. Die ganze Palette populärer<br />
Tanzrichtungen von Stepptanz und Jazz Dance über HipHop<br />
und Breakdance bis zu Swing der 1950er Jahre und folkloristischem<br />
Flamenco fächerten<br />
die anderen Gruppen auf. Am<br />
Ende vereinten sich alle zur<br />
pompösen Musik von Edward<br />
20. Münsteraner Tanzfestival<br />
Elgars »Pomp and Circumstance« auf der Bühne in einer riesigen<br />
Umarmung – eine rührend-symbolische Geste für den<br />
Zusammenhalt der Münsteraner Szene, trotz mancher Rivalitäten<br />
und Konkurrenz im Alltag.<br />
Plädoyer für den Tanz<br />
Die Geschichte des Festivals spiegelt das vielfältige, nimmermüde<br />
Plädoyer für den Tanz in Münster wider. »Das Interesse<br />
am Tanz zu stärken und für seine Vielfalt in dieser<br />
Stadt zu werben, war unser ambitioniertes Ziel«, sagt<br />
Ingeborg Kölling, Mitgründerin der Initiative neben Günther<br />
Rebel, Heidi Sievert und Eleonore H. Sattler. Fünf freie Gruppen<br />
holten die vier Schulen 1989 zum ersten zweitägigen<br />
Festival mit ins Boot. Es sei damals auch ein Hilfeschrei gewesen,<br />
erinnert der Mitorganisator Hery Klas: »Wir wollten auf<br />
unzureichende Auftrittsbedingungen und fehlende finanzielle<br />
Förderung aufmerksam machen«.<br />
Das ist vollauf gelungen, die finanzielle Unterstützung<br />
von heute 10.000 Euro pro Jahr allerdings bescheiden. 1992<br />
bestritten bereits acht Ballettschulen und 20 freie Gruppen<br />
drei Abende im Kleinen Haus des Theaters und zwei,<br />
wie zuvor, im »Jovel«, Münsters Disco in einer ehemaligen<br />
Brauerei. Rund 2.500 Laien zählte die Szene damals in der<br />
Stadt. Seit 1994 ist das Festival auf einen einzigen Abend<br />
reduziert und im Großen Haus zu Gast. Allerdings gründete<br />
die Kooperative damals den »Verein Tanzspektrum«. Er verwaltet,<br />
laut Heid, »als ideeller Vertreter der örtlichen Tanzszene«<br />
den städtischen Zuschuss. »Tanzspektrum« organisiert<br />
jährlich acht bis zehn Auftritte, die meisten im Kleinen Haus<br />
des Theaters, und sorgt für Werbung und Abrechnung. Das<br />
Modell funktioniert nur, erläutert Heid nachvollziehbar, »weil<br />
die Mitglieder von Tanzspektrum ganz viele ehrenamtliche<br />
Arbeitsstunden investieren«. �<br />
Ballett Intern 5/2012 35