Untitled - Schwabenakademie Irsee

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18 Markwart Herzog Die Aufsätze des vorliegenden Bandes zeigen die spannende und von zahlreichen Konflikten und Widerständen gesäumte Geschichte, die zu diesem heute so selbstverständlich erscheinenden Resultat geführt hat. Ergänzt um die Beiträge von Michael Heinzmann und Rainer Jehl, präsentiert der fünfte Band der Irseer Dialoge die für den Druck überarbeiteten Vorträge der gleichnamigen Tagung der Schwabenakademie, die im Dezember 1999 anläßlich der zweiten Jahrtausendwende n.Chr. in Kloster Irsee stattgefunden hat.
Gerd Haeffner Wie es vom Wechsel der Zeiten zur Einheit der Zeit kam Eine geschichtlich-philosophische Genealogie Was ist die Zeit? Ist die Zeit nicht das, was durch eine dauernd laufende Uhr und einen Endloskalender gegliedert wird? Was ist sie anderes als die Folge der vielen Zeiten, wobei die Zeiten selbst nur Abschnitte sind im Lauf und Verlauf der einen Zeit, die selbst gegen alle Einteilungen in Zeitabschnitte gleichgültig bleibt? – Ungefähr so könnte man die Idee beschreiben, die sich aufdrängt, wenn man in den Schubladen seines Wissens kramt, um sich klar zu werden über das, worüber in den Wochen der Jahrtausendwende alle Welt geredet hat: die Zeit. In meinen Überlegungen möchte ich zeigen, daß die Zeit, das heißt die Idee der einen Zeit das Resultat einer Konstruktion ist. Ich möchte darauf hinweisen, daß dieser Idee der einen Zeit andere Erfahrungen von Zeit und Umgangsweisen mit Zeit zugrundeliegen, für die es charakteristisch ist, daß in ihr Zeit im Plural vorkommt: als die Verschiedenheit von Zeiten. Ich möchte also eine Genealogie vorlegen: das heißt sagen, was die Herkunft unserer heutigen Vorstellung von der einen Zeit ist. Dieser Genealogie gebe ich, weil mir dazu kein besserer Name einfällt, das hybride Prädikat ‚geschichtlich-philosophisch‘. Der Bestandteil ‚geschichtlich‘ dieses Mischworts soll ausdrücken, daß die Idee ‚der‘ Zeit keine ewige und unhintergehbare Idee ist, sondern daß sie eine Entstehung und eine Geschichte hat. Gegenläufig zu dieser historisierenden Betrachtung jedoch ist auch eine ‚philosophische‘ Besinnung nötig darauf, daß die Etappen dieser Geschichte der Zeit-Idee nicht einfach in dem Sinn vergangen sind, daß sie tot und abgetan hinter uns liegen, sondern daß sich die älteren Schichten der Zeiterfahrung und des Zeitumgangs auch heute, wenngleich etwas aus dem Bewußtsein gedrängt, noch unter den Schichten unseres Bildungswissens von Zeit durchhalten. Eine philosophische Besinnung auf die aufeinander aufbauenden Formen des Zeitbewußtseins und eine historische Betrachtung über die Kulturgeschichte der Zeit sollen sich also gegenseitig ergänzen. Meine Gedanken gliedern sich in vier Abschnitte. Ich möchte 1. etwas sagen zu den Elementen, die die Grundstufe jedes Zeitbewußtseins ausmachen. Nach der Kennzeichnung der formalen Struktur dieses Zeitbewußtseins illustriere ich 2. meine These, daß die Menschen die Zeiten vor der Zeit entdeckt haben und entdecken; daß also der Singular ‚die Zeit‘ ein späteres Produkt der Geistesgeschichte ist als der Plural ‚die Zeiten‘. Dann will ich 3. zeigen,
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