Untitled - Schwabenakademie Irsee
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Antike Zeitmessung 39<br />
Die Wende brachte erst Platon aus Athen (5./4. Jh. v.Chr.). Als Schüler des<br />
Sokrates, der die Naturphilosophie bewußt beiseite gelassen hatte, interessierte<br />
er sich kaum für Astronomie, sehr wohl aber für ‚Zeit‘, die für ihn als<br />
einzigen unter den antiken Philosophen etwas Geschaffenes ist, wie folgende<br />
Stelle aus seinem Dialog Timaios zeigt:<br />
„Als aber der Vater, welcher das All erzeugt hatte, es ansah, wie es bewegt und<br />
belebt und ein Bild der ewigen Götter geworden war, da empfand er Wohlgefallen<br />
daran, und in seiner Freude beschloß er, es noch mehr seinem Urbilde<br />
[parádeigma] ähnlich zu machen.<br />
Gleichwie nun dieses selber ein unvergängliches Lebendiges ist, ebenso unternahm<br />
er es daher, auch dieses All nach Möglichkeit zu einem ebensolchen zu<br />
machen.<br />
Nun war aber die Natur des höchsten Lebendigen eine ewige, und diese auf das<br />
Entstandene vollständig zu übertragen, war nicht möglich; so beschließt er ein<br />
bewegtes Bild der Ewigkeit zu schaffen und bildet, um dadurch zugleich dem<br />
Weltgebäude seine innere Einrichtung zu geben, von der in der Einheit beharrenden<br />
Ewigkeit ein nach der Vielheit der Zahl sich fortbewegendes dauerndes Abbild,<br />
nämlich eben das, was wir Zeit genannt haben.<br />
Nämlich Tage, Nächte, Monate und Jahre, welche es vor der Entstehung des<br />
Weltalls nicht gab, läßt er jetzt bei der Zusammenfügung desselben zugleich mit<br />
ins Entstehen treten.“ 8<br />
Der Ausdruck kat’ arithmón (ein der Zahl nach sich fortbewegendes dauerndes<br />
Abbild) war der Schlüssel zu besseren Lösungen. Denn obwohl sich Platons<br />
Dialog als Mythos darstellt, bereitete er doch – nicht zuletzt auch durch<br />
eine eingehende Behandlung der Planetenbahnen – den Weg zu einer mathematischen<br />
Durchdringung astronomischer Probleme.<br />
So kam es, daß die Mathematiker vom vierten Jahrhundert an das Feld der<br />
Astronomie bestellten. Unter ihnen ragt zunächst Eudoxos aus Knidos (391–<br />
337 v.Chr.) hervor. Umfangreiche Fragmente seiner Schriften mit Titeln wie<br />
Astrologúmena, Phainómena, Énoptron, Perì tachôn sind überliefert. Ihm<br />
gelang eine erste Enträtselung der scheinbaren Schleifenbahnen der Planeten.<br />
Zwar waren seine Exzenter und Epizyklien, 9 die öfters nachgebessert werden<br />
8 PLATON, Timaios 37c 6 – e 2 (übers. nach F. Susemihl).<br />
9 Das geozentrische Weltbild setzt die Erde als Mittelpunkt des Universums. Alle Sterne<br />
laufen mit gleichbleibender Geschwindigkeit um diesen Mittelpunkt. Bald mußte man<br />
jedoch feststellen, daß sich einige Sterne nicht an diese Regel halten; man nannte sie daher<br />
‚Herumtreiber‘ (planêtai oder stellae errantes). Zu ihnen zählte man u.a. auch die<br />
Sonne. Um das Weltbild zu retten, kam Eudoxos (oder Hipparchos) auf die Idee, die Planeten<br />
um einen außerhalb des Erdmittelpunktes (extra centrum) liegenden Mittelpunkt<br />
kreisen zu lassen. So konnte z.B. die Erdnähe bzw. Erdferne der Sonne erklärt werden.<br />
Der scheinbaren Schlingenbewegung von Planeten versuchte Eudoxos (oder Apollonios<br />
aus Perge) dadurch beizukommen, daß er – unter Beibehaltung der Erde als Mittelpunkt<br />
– nicht die Planeten selbst, sondern nur deren Bahnmittelpunkte auf einer Kreisbahn (epì