Untitled - Schwabenakademie Irsee
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Antike Zeitmessung 51<br />
vier Jahre als ‚Schalttag‘ ein, so daß bürgerlicher und astronomischer Kalender<br />
wieder übereinstimmen – freilich nur für einen Augenblick; denn das bürgerliche<br />
Jahr beginnt sogleich, dem astronomischen Jahr erneut vorauszueilen.<br />
‚Schalten‘ bedeutet also die Bremsung eines zu schnellen Kalenders um einen<br />
oder mehrere Tage. Ein Kalender ist ‚zu schnell‘, wenn er auf einer Jahreslänge<br />
von weniger als 365,2422 Tagen fußt. Das traf sehr deutlich auf das Mondjahr<br />
mit 355 Tagen zu.<br />
Caesars Kalenderjahr war um ein Minimum, nämlich 0,0078 Tage, zu langsam<br />
geraten. Er wußte sehr wohl um dieses Problem, dachte aber auch, daß sein Kalender<br />
erst nach 1460 Jahren, das sind 4 x 365 Jahre, reformbedürftig wird. Tatsächlich<br />
erfolgt die wegen des Ostertermins notwendige Korrektur erst nach<br />
1627,76 Jahren durch Papst Gregor XIII. Die Tausendstel Sekunden hatten sich<br />
mittlerweile zu 10 Tagen aufsummiert, so daß 1582 im Kalender 10 Tage weggestrichen<br />
werden mußten: Auf den 4. Oktober folgte sogleich der 15. Oktober. 37<br />
Das ‚Wegstreichen‘ von Tagen ist das Gegenteil einer ‚Schaltung‘; es bewirkt die<br />
Beschleunigung eines zu langsamen Kalenders. ‚Zu langsam‘ ist ein Kalender,<br />
der auf einer Jahreslänge von mehr als 365,2422 Tagen fußt. Dies traf auch auf<br />
den Julianischen Kalender zu, da er sich mit Einrechnung der Schaltergebnisse<br />
auf 365,25 Tage belief, also um genau 0,0078 Tage zu lang war.<br />
Papst Gregor XIII. veränderte Caesars Schaltregel mit dem Ziel einer Beschleunigung<br />
um 0,0075 Tage auf 365,2425 Tage. Da auch Gregor eine praktikable<br />
Schaltregel brauchte, mußte er in Kauf nehmen, daß sein Gregorianisches Jahr<br />
immer noch um 0,0003 Tage zu lang ist. Man wird daher in frühestens 3000,<br />
nach anderen erst in 10000 Jahren wieder einen Tag wegstreichen müssen, es sei<br />
denn, die Jahreslänge läßt sich mit Hilfe der Atomuhren durch Kleinstkorrekturen<br />
völlig stabilisieren.<br />
Die Gregorianische Reform stellt also eine leichte Modifikation der Caesarischen<br />
Schaltregel dar, die im Prinzip ebenso fortbesteht wie das Julianische Jahr überhaupt.<br />
Die als Vorbild geltenden Ägypter schoben an ihrem Jahresende, nämlich<br />
zwischen dem Ende des Monats Mesori (der in etwa unserem August entspricht)<br />
und dem Monat Thoth (etwa September), mit dem ihr Jahr begann,<br />
fünf Tage (Epagómenai) ein, bereinigten aber den Überhang von einem<br />
Vierteltag nicht, sondern ließen das Jahr ‚floaten‘ und warteten, bis der Kalender<br />
nach 1460 Jahren an seinen Ausgangspunkt zurückkehrte (Sothisperiode).<br />
Erst Ptolemaios III. Euergetes I. (246–221 v.Chr.) unternahm im Jahre<br />
238 den Versuch, einen Schalttag einzuführen. Diese wohl von Griechen angestrebte<br />
Neuregelung scheiterte aber am Widerstand der ägyptischen Priesterschaft.<br />
An diesen Reformversuch (sog. Kanopos-Reform), also nicht an<br />
den ägyptischen Kalender schlechthin, knüpfte Caesar an.<br />
In Rom wurden die Schaltungen, wie wir gesehen haben, seit alter Zeit am<br />
Jahresende, genauer: nach dem 23. bzw. 24. Februar vorgenommen. Caesar<br />
37 Zur Gregorianischen Kalenderreform und den Schwierigkeiten ihrer Durchsetzung vgl.<br />
die Beiträge in diesem Band von WOLFGANG WALLENTA und ROLF EICHLER.