ZIT JAHRESBERICHT 2008
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User Innovation<br />
Anwender und Anwenderinnen als Quelle innovativer Geschäftsideen?<br />
Was haben so unterschiedliche Produkte wie das Snowboard, Viagra,<br />
Computerchips oder Geox-Schuhe gemeinsam? Nun: Der zündende<br />
Funke für diese Innovationen stammt NICHT von einem etablierten<br />
Anbieter oder einer etablierten Anbieterin, sondern überraschenderweise<br />
von einfachen AnwenderInnen. Was ist bis dato bekannt zu<br />
diesem spannenden Phänomen? Welche Konsequenzen hat dies für<br />
die unternehmerische Praxis?<br />
Die traditionelle Vorstellung: Etablierte Herstellerfirmen sind die<br />
(ausschließlichen) Innovatoren.<br />
Diese Vorstellung war und ist in der unternehmerischen Praxis weit<br />
verbreitet. Aber auch die betriebswirtschaftliche Forschung hat sich<br />
lange Zeit in diesem Paradigma bewegt – Fragestellungen fokussierten<br />
beispielsweise darauf, ob und warum denn nun kleinere oder<br />
größere Herstellerfirmen über eine höhere Innovationskraft verfügen.<br />
Die aktive Rolle im Innovationsprozess lag dabei – quasi naturgegeben<br />
- immer bei der Herstellerfirma. Alle anderen wurden als passiv<br />
angesehen. Dadurch wurde das Innovationspotenzial der KundInnen,<br />
der AnwenderInnen, der ProduktnutzerInnen sträflich unterschätzt<br />
(und beispielsweise auf die Beurteilung bereits von der Herstellerfirma<br />
entwickelter Produktkonzepte beschränkt).<br />
I die „revOlutiOn“: user verfüGen üBer eIn enorMes<br />
InnovaTIonspoTenZIal.<br />
Erst dem MIT-Professor Eric von Hippel und seinen KollegInnen<br />
gelang es seit den 1970er Jahren, die oben geschilderte, verkrustete<br />
Denkweise sukzessive aufzubrechen. Zahlreiche neue Produkte<br />
wurden nicht von Herstellerfirmen entdeckt – vor allem die User sind<br />
häufig die eigentlichen Innovatoren. In umfassenden empirischen<br />
Studien konnte gezeigt werden, dass User nicht mehr nur passiv<br />
Auskunft geben, sondern aktiv die Entwicklung neuer Produkte<br />
vorantreiben können. Diese Studien erstrecken sich auf sehr<br />
unter schiedliche Branchen und betreffen sowohl Industriegütermärkte<br />
als auch Konsumgütermärkte. Die Innovationstätigkeit von<br />
Usern ist also ein weitverbreitetes Phänomen mit bedeutenden<br />
Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis.<br />
Ein Beispiel: Das Snowboard wurde nicht, wie man nachvollziehbar<br />
vermuten könnte, von einem etablierten Skihersteller erfunden. Nein,<br />
44 <strong>JAHRESBERICHT</strong> <strong>2008</strong><br />
es waren Sportfreaks, denen reines Skifahren schlicht und einfach zu<br />
langweilig wurde und die das Bedürfnis hatten, das sommerliche<br />
Surferlebnis in den Winter zu übertragen. Sie begannen zu probieren,<br />
zu experimentieren und das Resultat waren erste Prototypen des<br />
Snowboards. Erst sehr viel später wurde der Trend von der Skiindustrie<br />
aufgegriffen. Eine Vielzahl von Sportarten entstand auf diese<br />
Weise, vom Tauchen über das Mountainbike bis zu Kitesurfen und<br />
Skateboard. Somit kann festgehalten werden:<br />
(1) User haben oftmals völlig neue Ideen.<br />
Ein weiteres Beispiel: Das Nervengift Botalinum-Toxin reduziert die<br />
Signalübermittlung zwischen Nervenenden und deren Zielzellen. Ein<br />
Hersteller setzte Botox zur Reduktion von Spasmen ein. Das<br />
tatsächliche Innovationspotenzial wurde aber erst von Usern<br />
gehoben – diese fanden heraus, dass Botox auch zur Glättung von<br />
Falten hilft. Dies wiederum führte zu einer Steigerung des Umsatzes<br />
um satte 80 Prozent. Weitere bekannte Beispiele für durch User<br />
entdeckte und nicht von der Herstellerfirma intendierte Anwendungen<br />
sind Aspirin und Viagra – eine aktuelle Studie zeigt gar, dass<br />
im Pharmabereich 60% der sogenannten „Off-label“ Anwendungen<br />
durch User entdeckt wurden. Wir halten fest: (2) User machen<br />
ungewöhnliche Entdeckungen.<br />
Und noch ein Beispiel: Open-Source-Software wie Linux oder Apache<br />
– hier liegt der Quellcode offen, somit kann jede und jeder nach<br />
Belieben modifizieren, erweitern, weitergeben und muss dann den<br />
Quellcode ebenfalls offenlegen. Tausende über das Internet vernetzte<br />
User weltweit arbeiten an der Software, diskutieren Probleme<br />
in Foren, erweitern und testen die Software immer wieder. Noch<br />
dazu ist die entwickelte Software meist kostenlos. Und das Resultat<br />
kann sich sehen lassen: Es entsteht überaus innovative, leistungsfähige<br />
Software. Ein ähnliches Phänomen ist die bekannte Online-<br />
Enzyklopädie Wikipedia. Wenn also User auch die Produktion<br />
übernehmen können, ist unter Umständen gar keine Herstellerfirma<br />
mehr nötig. Somit: (3) User nehmen die Sache oft gleich selbst in<br />
die Hand.<br />
Die Konsequenz: Neue Chancen für UnternehmerInnen durch neue<br />
Innovationstools.<br />
Zahlreiche User haben völlig neue Ideen – und sind auch bereit,<br />
diese Ideen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Vorteile