Vladimir Kantor _Zwei Erzahlungrn.pdf - Высшая школа экономики

24 Vladimir Kantor
Die nehmen nicht mehr als dreißig Leute pro Tag.“
„Was erzählen Sie denn da!“, erwiderte die erste mit
der Strickmütze. „Manchmal tragen sich Leute ein, die
weggehen und nicht rechtzeitig wiederkommen. Dann
rücken die auf, die dageblieben sind. Aber mit Ihrer
Nummer, mein Lieber, haben Sie nicht viele Chancen“.
„Wann muss man denn da sein, um am gleichen Tag
dranzukommen?“, fragte Pawel, der verstanden hatte,
dass er heute wieder gehen musste. „Alle, die ganz zuerst
kommen, gegen fünf Uhr früh“, erklärten sie ihm.
„Und bis neun Uhr draußen vor der Tür warten“.
Aber der März war kalt in jenem Jahr, und Pawel
kam erst Ende April um sich anzustellen. Er wartete
drei Stunden auf der Straße, das kleine Geschäft erledigte
er in einem nahen Gebüsch, die Prostata ließ
ihm keine Ruhe. Um acht ließ man die Leute ins Erdgeschoss,
die erste Etage wurde von Sicherheitsleuten
bewacht. Der Pensionsfond begann um neun Uhr mit
der Arbeit. Dann saß er lange auf einer Bank, drängte
sich ab und an zur Tür, blickte hinein um zu sehen, ob
seine Sachbearbeiterin schon frei war. Und dann die
nicht enden wollenden Streitigkeiten vor dieser wichtigen
Tür: „He, bleiben Sie draußen!“ „Ich muss nur etwas
abgeben“. „Das sagen alle. Sie bleiben schön hier.
Was denn, wollen Sie sich etwa mit einer Frau prügeln?
Ich frage dich, wohin du willst?! Lasst ihn nicht
rein!“ Irgendwann gegen vier Uhr war er an der Reihe,
nachdem er vor dem Eingang eine Unmenge Zigaretten
geraucht hatte, obwohl er zuvor ein halbes Jahr über-