Vladimir Kantor _Zwei Erzahlungrn.pdf - Высшая школа экономики

Njanja
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Eine von den Njanjas kam Domna zu Hilfe: „Tim, wo ist
denn Oma Donja? Hast du sie irgendwo gesehen?“ Tim
sagte sich, dass er irgend etwas angestellt haben musste
ohne es bemerkt zu haben, und nun kam die Strafe:
Oma Donja hatte ihn verlassen. Und irgendwo da hinten
wartete bestimmt schon der Wolf auf ihn. Er öffnete
den Mund und weinte laut los, genauer gesagt, er
schluchzte auf und in seiner Stimme war ein seltsames
Heulen. Und da geschah es. Durch den Dubki-Park lief
Lilka von der Arbeit nach Hause. Sie ließ die Einkaufstaschen
fallen und lief zu ihrem heulenden Sohn. Aber
Domna reagierte schnell. Meine Frau hatte Tim noch
nicht erreicht, als Domna schon aus dem Wald gelaufen
war und sich neben Tim gesetzt hatte; seinen Kopf
presste sie an ihre Brust, so dass er keinen Mucks mehr
von sich geben konnte. Und sie redete auf ihn ein: „Was
ist denn, mein Kleiner, Oma Donja ist doch da! Hab
keine Angst, sie gibt dich nicht weg. Ach du, wie lieb
du Oma Donja hast! Und wie leid du ihr tust!“ Sie war
wie der Bauer Marej * in Frauenkleidern. Tim beruhigte
sich und — er hatte seine Mutter noch nicht gesehen —
schlang seine Arme um den Hals von Oma Donja. Aber
das Gesicht der Njanja, erzählte Lilka später, glich dabei
dem eines Wolfes mit gefletschten Zähnen.
Domna belog meine Frau, als sie sagte, sie habe ein
wenig mit dem Jungen Versteck spielen wollen. Lilka
* Gestalt in der gleichnamigen Erzählung von Dostojewski; Marej
tröstet einen Jungen, der im Wald von Wölfen erschreckt
worden ist (Anm. d. Übers.).