Vladimir Kantor _Zwei Erzahlungrn.pdf - Высшая школа экономики
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Njanja<br />
79<br />
war seiner Frau zu Ohren gekommen, und die erschrak<br />
plötzlich bei der Vorstellung, mit dem Kind allein zu<br />
bleiben. Dann geschah das Unvorstellbare. Sie hörte<br />
auf zu trinken, schickte ihre Schwester in deren eigene<br />
Wohnung, wohin sie auch ihre Mutter brachte. Und sie<br />
suchte sich eine Arbeit. Und nun brauchten sie Domna<br />
in der Tat, und zwar um auf ihre Tochter aufzupassen.<br />
Wir baten sie, uns noch ein paar Monate Zeit zu lassen,<br />
da die Verteidigung meiner Dotorarbeit kurz bevorstand.<br />
Aber das ging nicht: „Genja hat es angeordnet“.<br />
Wir befürchteten, dass Tim ihren Weggang schwer<br />
verkraften würde, denn es schien, als sei er in den zwei<br />
Jahren mit seiner Njanja zusammengewachsen. „Sagt<br />
ihm, dass Oma Donja zu ihrer Enkelin gefahren ist und<br />
bald wiederkommt“ — wies uns Domna an. Sie packte<br />
rasch ihre Sachen zusammen und bereits eine Stunde<br />
später kam Genja um sie abzuholen und sagte, sein<br />
Dienstwagen warte schon unten. Tim, als ahne er etwas<br />
Böses, wurde still in seiner Ecke, wo er seine Tiere<br />
ausgebreitet hatte und Zoodirektor spielte. Erst als die<br />
Tür ins Schloss gefallen war, hob er den Kopf. Wir liefen<br />
ängstlich zu ihm. „Ist sie weg?“, fragte er gespannt<br />
und nannte die Njanja aus irgendeinem Grund nicht<br />
„Oma Donja“, sondern distanziert „sie“. Wir begannen<br />
ihn um die Wette zu trösten, dass Oma Donja nur zu<br />
Besuch gefahren sei, dass sie in einer Woche wiederkomme.<br />
Er schaute uns ungläubig an, als ahne er die<br />
Lüge. Dann fragte er: „Ist das wahr?“ Ich sagte: „Was<br />
glaubst du denn, natürlich ist das wahr“. Aber er schüt-