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Artheon Nr. 26 bis Seite 27.indd

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Der Spur der Kordel folgen: durch neunundachtzig Nadeln hat die indische<br />

Bildhauerin Sheela Gowda je einen rund hundert Meter langen Faden gezogen.<br />

Diese Fäden hat sie dann ineinander verdreht, mit Gummiarabicum verklebt<br />

und mit leuchtend rotem Kurkuma eingefärbt. � Sheela Gowda<br />

sie, will heißen, einige ihrer Arbeiten, zum<br />

ersten Mal intensiv im Original, entkleidet<br />

ihres Kontextes, wie das immer so ist, in<br />

Museen in New York wahrgenommen habe.<br />

Auch in meiner psychoanalytischen<br />

Praxis werden die Menschen dadurch<br />

zu Analysanten, dass sie vom Kontext<br />

entblößt werden. Das Setting war dazu<br />

mal eine gute Einrichtung, weil Überraschung.<br />

Heute muss man das manchmal<br />

anders herstellen.<br />

Mit Hesses Biographie hatte ich mich<br />

allerdings nie befasst, sie war mir auch<br />

nicht aufgefallen. Sie hatte wohl irgendetwas<br />

mit Deutschland zu tun. Das sagte der<br />

Name. Und da ging ich nie weiter. Wohl<br />

weil sie mir zu jung erschien, habe ich<br />

mich anders etwa als bei Hans Namuth<br />

nicht gefragt, ob sie vertrieben worden sei.<br />

Dass mir das Bild auffällt ist sicher auch<br />

noch ein Nachklang des Statements von<br />

Lacan, das ich gerade vorher wieder gelesen<br />

hatte:<br />

„Man muß also klinikieren [cli-niquer?].<br />

Das heißt: sich hinlegen. Die Klinik ist<br />

immer ans Bett gebunden – man trifft/<br />

sieht jemanden liegend. Und man hat<br />

nichts besseres gefunden, als diejenigen,<br />

die sich der Psychoanalyse anbieten, sich<br />

hinlegen zu lassen, in der Hoffung, eine<br />

Segnung/eine wohltuende Wirkung daraus<br />

zu ziehen, die nicht von vorneherein sicher<br />

ist, das muss man sagen. Es ist sicher,<br />

dass der Mensch im Stehen und im Liegen<br />

nicht auf dieselbe Weise denkt, und sei es<br />

12<br />

nur deshalb, weil er in der liegenden Position<br />

einige Dinge macht, besonders Liebe,<br />

und die Liebe veranlasst/verleitet ihn zu<br />

allerlei Erklärungen. In der liegenden Position<br />

hat der Mensch die Illusion, etwas<br />

zu sagen, das vom Sagen wäre, d.h. das im<br />

Realen zählt [z.B. Körper?].“ f<br />

Der Analytiker wird eingefangen von<br />

dem Bild einer Frau, die auf der Couch<br />

liegt, mit Schnüren oder Kordeln bedeckt<br />

und unter dem Arm eingeklemmt…<br />

Und wie das in solchen Momenten so<br />

geht: Ich taxiere, um welche Art Artikel<br />

es sich handelt: Es wird wohl um Kunst<br />

gehen, es geht um die kommende Documenta,<br />

der Artikel ist geschrieben von<br />

Roger M. Buergel, der auch leicht Entstelltes<br />

über Psychoanalyse schreibt, wie<br />

das oft Intellektuelle tun:<br />

„Als Kurator arbeite ich wie ein Psychoanalytiker:<br />

Man hört sich an, was die<br />

Leute wollen, aber gibt ihnen am Ende<br />

nicht das, was sie sagen, dass sie es wollen,<br />

sondern das, von dem er meint, was<br />

sie wirklich wollen.“ g<br />

Es ruht nun zuerst einmal Eva Hesse<br />

weiter auf der Couch.<br />

Ich lese den Artikel an und gucke wieder<br />

auf das Photo. Und es stellt sich mir die<br />

Frage, liegt die wirklich einfach nur so<br />

einer Couch, oder liegt sie so auf einer<br />

Couch, weil sie beim Analytiker auf der<br />

Couch liegt oder gelegen hat? Und ich<br />

nehme mir vor, nach der Lektüre des<br />

<strong>Artheon</strong>-Mitteilungen <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong><br />

Die amerikanische Künstlerin Eva Hesse (1936 <strong>bis</strong> 1970) hat zahlreiche Arbeiten<br />

aus zumeist mit Latex getränkten Seilen geschaffen. Die Fotografie zeigt sie um<br />

1967 auf einem Divan in ihrem New Yorker Atelier, bedeckt mit dem Rohstoff<br />

ihrer Werke. � The Estate of Eva Hesse. Hauser & Wirth Zürich London.<br />

Artikels zu recherchieren. Das habe ich<br />

nunmehr getan. Sie war etwa seit dem<br />

Alter von 17 Jahren praktisch <strong>bis</strong> zu ihrem<br />

Tod in Analyse, zunächst bei Papanek,<br />

dann bei Dunkell. h<br />

Die Gedanken wandern und bringen in<br />

Bewegung.<br />

Migration der Form (2) – Formkrise<br />

„Eine ‚Form’ enthält beide <strong>Seite</strong>n der<br />

Unterscheidung und die Operatoren ihrer<br />

Unterscheidung. Wir haben es mit einer<br />

dreiwertigen Zweiseitenform zu tun.“ i<br />

In der Analyse hört man immer wieder<br />

etwas, das man mit Bildern ausstattet, das<br />

man in der Phantasie vielleicht wie eine Art<br />

Film ablaufen lässt. Und man hört etwas,<br />

das man an ein Wissen heranführt, an Erkenntnisse<br />

aus der Psychoanalyse, an Theorien<br />

und Formeln: Es dürfte aber klar sein,<br />

dass das einen kolonialistischen Zug hat.<br />

Buergel schlägt bei einem strukturell<br />

ähnlichen Problem in der Kunst vor, die<br />

Vorstellung einer Migration der Form<br />

nutzen: Migration, Völkerwanderung,<br />

Emmigrant, Immigrant.<br />

Der vorige lokale Kontext des Gehörten<br />

geht verloren und wird durch einen<br />

aktuellen lokalen Kontext ersetzt, der<br />

sich aus allen möglichen Quellen speist.<br />

Diese Setzungen und dass sie Setzungen<br />

sind, müssen deutlich werden.<br />

Diese Einfälle (man sollte das genau so<br />

lesen) setzen etwas frei, was in die Situation<br />

hineinfärbt. Sie sind auf eine nicht<br />

näher bestimmbare Art performativ; auf

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