Artheon Nr. 26 bis Seite 27.indd
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zu einer zeitadäquaten Sicht der Zehn<br />
Gebote zu finden, lebt von der Einsicht,<br />
dass der europäische Säkularisierungsprozess<br />
in historischer Perspektive und<br />
in globaler Hinsicht eher der Sonderfall<br />
bleibt und die postmodernen Beliebigkeitsspielräume<br />
noch kein gewaltfreies<br />
Zusammenleben in toleranten Grundhaltungen<br />
ermöglichen. Auf der Tagung<br />
werden das Atheismus-, das Bilder-,<br />
das Tötungs-, das Ehebruchsverbot, die<br />
Begehrensverbote und das Liebesgebot<br />
„im Spannungsfeld zwischen kritischer<br />
Historisierung und vertiefender gegenwartsbewusster<br />
Aneignung“ (Hans Joas)<br />
in kontroverser Auslegung diskutiert.<br />
Der Band verdient auch bei Theologen<br />
Beachtung.<br />
(ham)<br />
Cornelia Schleime<br />
Weit fort<br />
Hoffmann und Campe Verlag, 2008,<br />
ISBN 978-3-455-40105-9, 111 <strong>Seite</strong>n,<br />
Hardcover mit Schutzumschlag,<br />
Format 21 x 13 cm, € 14,95 (D)/15,40 (A)<br />
Die national und international durchgesetzte,<br />
1953 in Ostberlin geborene<br />
Zeichnerin, Malerin und Filmemacherin<br />
Cornelia Schleime war in der DDR mit<br />
Ausstellungsverbot belegt und musste<br />
sich mit Gelegenheitsarbeiten wie der<br />
Bemalung von Geschirr durchschlagen.<br />
1984 konnte sie nach diversen, abschlägig<br />
beschiedenen Ausreiseanträgen mit<br />
ihrem Sohn in den Westen übersiedeln.<br />
Dabei verlor sie alle <strong>bis</strong> dahin geschaffenen<br />
Werke. Nach dem Fall der Mauer<br />
stellt sie in den Stasi-Unterlagen fest,<br />
dass sie über Jahre hinweg von ihrem<br />
besten Freund bespitzelt worden war. Ihr<br />
erster Roman „Weit fort“ handelt von<br />
ihrer Wiederannäherung an die Liebe.<br />
Aus einer Parship-Begegnung hätte eine<br />
große Liebe werden können. Aber als sie<br />
von dem Verrat durch ihren in den Wendejahren<br />
gefeierten Dichterfreund S.A.<br />
erzählt, verlässt sie der Neue ohne jedes<br />
erklärende Wort.<br />
(ham)<br />
44<br />
Gerhard Richter – Zufall<br />
Das Kölner Domfenster und 4900 Farben<br />
Hrsg. vom Museum Ludwig und dem<br />
Metropolitankapitel der Hohen Domkirche<br />
Köln mit Beiträgen von Stephan<br />
Diederich, Barbara Schock-Werner,<br />
Hubertus Butin und Birgit Pelzer.<br />
Verlag Kölner Dom/Verlag der Buchhandlung<br />
Walther König, Köln, 2007,<br />
ISBN 978-3-86560-298-5, 144 <strong>Seite</strong>n,<br />
zahlreiche Farbabbildungen, Broschur<br />
mit Schutzumschlag, Format <strong>26</strong> x 21 cm,<br />
€ 28,--<br />
Gerhard Richters 2007 im Kölner Dom<br />
eingeweihtes südliches Querhausfenster<br />
und seine parallel im Museum Ludwig<br />
gezeigte Malerei „4900 Farben“ greifen<br />
auf seine 1966 begonnene Auseinandersetzung<br />
mit industriell gefertigten<br />
Farbmusterkarten zurück, die unter<br />
anderem zu seiner Malerei „192 Farben“<br />
1966, Öl auf Leinwand, 200 x 150<br />
cm, seinen „4096 Farben“, 1974, Lack<br />
auf Leinwand, 254 x 254 cm und nicht<br />
zuletzt auch zu seinem 1989 in einem<br />
Privathaus aus farbigen Glasquadraten<br />
gefertigten Treppenhausfenster geführt<br />
haben. Richters Skepsis gegen die spirituelle<br />
Aufladung von Farbabstraktion<br />
mag einer seiner Beweggründe zur<br />
Auseinandersetzung mit den Farbmusterkarten<br />
gewesen sein: „Angriff gegen die<br />
Falschheit und die Gläubigkeit, wie Abstraktion<br />
zelebriert wurde, mit verlogener<br />
Ehrfurcht – Andachtskunst, diese Quadrate,<br />
Kirchenkunstgewerbe“ (Gerhard<br />
Richter, 1986). 1998 urteilt er anders:<br />
„Heute stehe ich dem ‚Heiligen’, der<br />
spirituellen Erfahrung weniger ablehnend<br />
gegenüber. Sie ist Teil von uns, und wir<br />
brauchen sie“ (Gerhard Richter). Wohl<br />
auch deshalb hat er sich 2002 gerne auf<br />
die Aufgabe eingelassen, das südliche<br />
Querhausfenster des Kölner Doms farbig<br />
zu verglasen. Er kann seine Auftraggeber<br />
davon überzeugen, dass nicht die vorgeschlagene<br />
figurative Lösung, sondern<br />
eine abstrakte Lösung mit Farbquadraten<br />
die angemessene Lösung ist.<br />
Im Ergebnis wählt er 72 auf den Gesamtklang<br />
des Innenraums des Kölner Doms<br />
abgestimmte Farbtöne aus, überlässt<br />
deren Anordnung dem Zufallsgenerator<br />
und füllt die eine <strong>Seite</strong> des Domfensters<br />
mit 72 x 72 Farbquadraten, die andere<br />
<strong>Artheon</strong>-Mitteilungen <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong><br />
<strong>Seite</strong> spiegelt er. Auf den Vorschlag der<br />
Derix-Glasstudios in Taunusstein werden<br />
die mundgeblasenen Farbgläser statt mit<br />
Bleiruten mit schwarzem Silikon verbunden<br />
und mittels eines nicht ausgehärteten<br />
Silikongels auf die Trägerscheibe<br />
geklebt. Diese Lösung erlaubt auch eine<br />
Farbwirkung nach außen.<br />
Barbara Schock-Werner schlägt vor,<br />
Richters neues Südquerhausfenster<br />
als Anknüpfung an die historischen<br />
Verglasungen des Doms und zugleich<br />
als eigenständiges Kunstwerk des 21.<br />
Jahrhunderts zu begreifen. „Die gläserne<br />
Farbwand mit ihrem betörenden<br />
Licht hat alles Ornament vertrieben und<br />
scheint alles zu enthalten, was über Spiritualität,<br />
Licht und Farbe je gesagt wurde.<br />
Alle Gedanken, alle Bilder, alle Heiligen<br />
sind in diesem Fenster vereint“ (Barbara<br />
Schock-Werner).<br />
Birgit Pelzer geht Gerhard Richters Verständnis<br />
des Zufalls als einer Methode<br />
nach, „um etwas Objektives entstehen<br />
zu lassen…, um ein Gleichnis (Bild) zu<br />
schaffen für unsere Überlebensstrategie“<br />
(Gerhard Richter).<br />
Stephan Diederich will Richters Malerei<br />
„4900 Farben“ trotz ihrer engen<br />
Verwandtschaft zum Domfenster im<br />
Werkkontext auch als eine Art Korrektiv<br />
verstehen, „um dem Spiel von Zufall und<br />
Eingriff jenseits aller Inhaltlichkeit seine<br />
ihm innewohnende Freiheit zu sichern“<br />
(Stephan Diederich).<br />
(ham)<br />
Christian Hahn<br />
Hrsg. vom Institut für moderne Kunst<br />
Nürnberg. Mit Texten von Christoph<br />
Heinrich, Christoph Kivelitz und Ralf F.<br />
Hartmann. Verlag für moderne Kunst,<br />
Nürnberg 2006, ISBN 978-3-938821-62-6,<br />
72 S. mit ca. 37 Farb- und 4 s/w-Abbildungen,<br />
gebunden, Format 28,5 x 21,5 cm,<br />
€ 22,--<br />
Zwischen quietschbuntem Farbgeplapper<br />
und labyrinthischer Ausweglosigkeit<br />
müssen sich die Figuren in Christian<br />
Hahns prallvollen, albtraumhaft irrealen<br />
Universen einrichten.<br />
Christoph Heinrich, Kurator für Moderne<br />
und Zeitgenössische Kunst am Denver<br />
Art Museum, betont in seinem Beitrag