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Artheon Nr. 26 bis Seite 27.indd

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Paloma Navares „Orquidea blanca. A mujeres poetas del japón. Ono No Komachi, Okamoto Kanoko, Nakamura Teijo, Nagasse Kiyoko, Gio, Machi Shunso“.<br />

Fotografie 2007, 110 x 180 cm, courtesy Mario Mauroner Contemporary Art Vienna<br />

pheus zum Kundigen und damit Geleiter<br />

in eine umfassende Schau des Daseins.<br />

Er korrigiert unsere Neigung, immer nur<br />

das Sichtbare wahrzunehmen.<br />

„Nur wer die Leier schon hob<br />

auch unter Schatten,<br />

darf das unendliche Lob<br />

ahnend erstatten.<br />

Nur wer mit Toten vom Mohn aß,<br />

von dem ihren,<br />

wird nicht den leisesten Ton<br />

wieder verlieren.<br />

Mag auch die Spieglung im Teich<br />

oft nur verschwimmen: Wisse das Bild.<br />

Erst in dem Doppelbereich<br />

werden die Stimmen<br />

ewig und mild“ (I/9).<br />

Das ganze Sonettenwerk ist durchzogen<br />

vom Gedanken einer umgreifenden Ordnung,<br />

von einem tröstlichen Zusammenhang,<br />

der jeden aus seiner Vereinzelung<br />

herausholt und in das ‚Netzwerk’ einer<br />

harmonischen Struktur einbindet. Auch<br />

hier ist es wieder die Musik, die gleichsam<br />

die Gewähr bietet für dieses elemen-<br />

<strong>26</strong><br />

tare Vertrauen. „0 Musik der Kräfte!“<br />

(I/12), so wird postuliert. Wir dürfen<br />

„handeln aus wirklichem Bezug“, ein<br />

großes Geflecht bindet die scheinbar Beziehungslosen.<br />

Man muss aber die Fühler<br />

ausstrecken, um die Fühler der anderen<br />

zu erspüren.<br />

Und weil Musik uns zur Bewegung<br />

drängt, zum tänzerischen Ausdruck,<br />

deshalb versetzen die orphischen Klänge<br />

alles in einen kosmischen Tanz. Sogar<br />

die Orange wird Teil dieses tänzerischen<br />

Aufbruchs (I/15), aber sie ist darauf<br />

angewiesen, von uns geweckt und erschlossen<br />

zu werden: „Schafft die Verwandtschaft.“<br />

Weil uns aber der dauernde Wandel und<br />

der Prozeß der Umformung Angst macht<br />

und wir die Befürchtung haben, alles<br />

wäre nur Zerbrechen und Vergehen, wird<br />

uns die tröstliche Kunde zuteil: „alles<br />

Vollendete fällt heim zum Uralten“<br />

(I/19)<br />

Es steht noch so viel aus, eine Fülle von<br />

Aufgaben haben wir noch vor uns, das<br />

Geheimnishafte hat sich uns noch nicht<br />

in seiner Fülle gezeigt, deshalb haben<br />

<strong>Artheon</strong>-Mitteilungen <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong><br />

wir den Gesang Orpheus‘ nötig, der uns<br />

begleitet mit seinem „Lied überm Land“<br />

(I/19).<br />

Am deutlichsten geht Rilke im Sonett<br />

I/<strong>26</strong> auf das Schicksal des Orpheus ein.<br />

Die Mänaden stürmen auf den Sänger ein,<br />

wütend, dass er ihr Werben verschmäht,<br />

mit ihrem Geschrei wollen sie offenbar<br />

seinen Gesang unhörbar machen. Aber<br />

das Gegenteil geschieht :<br />

„hast ihr Geschrei übertönt mit Ordnung,<br />

du Schöner,<br />

aus den Zerstörenden stieg dein erbauendes<br />

Spiel.<br />

Keine war da, daß sie Haupt dir und Leier<br />

zerstör.<br />

Wie sie auch rangen und rasten, und alle<br />

die scharfen<br />

Steine, die sie nach deinem Herzen warfen,<br />

wurden zu Sanftem an dir und begabt mit<br />

Gehör.“<br />

Noch einmal gelingt es ihm, die Natur,<br />

sogar die unbelebte, für sich zu gewinnen.<br />

Selbst die spitzen Steine bekommen<br />

gleichsam horchende Ohren und verwan-

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