30.01.2013 Aufrufe

Artheon Nr. 26 bis Seite 27.indd

Artheon Nr. 26 bis Seite 27.indd

Artheon Nr. 26 bis Seite 27.indd

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

alles, auch ihre Familie unterordnete,<br />

kehrte sie immer wieder in die Heimat<br />

zurück. Was fehlte, um den letzen Schritt<br />

in eine selbstbestimmte künstlerische<br />

Existenz zu wagen? War es die fehlende<br />

Anerkennung der männlichen Kollegen<br />

ihrer Kunst gegenüber oder ihre eigene,<br />

am Ende doch zu konservative Sicht<br />

auf gesellschaftliche Ordnungen? „Ihre<br />

Rückkehr ist nicht Ausdruck der Resignation<br />

oder Bequemlichkeit, sondern,<br />

wie alles in ihrem Leben, der Radikalität,<br />

mit der sie die Kunst an erste Stelle setzte“<br />

(Ueckert).<br />

(Michael Reuter)<br />

Ursula Voss<br />

Dora Maar und Pablo Picasso<br />

Insel Verlag, Frankfurt am Main und<br />

Leipzig, 2007, ISBN 978-3-458-19298-5,<br />

124 <strong>Seite</strong>n mit 17 Abb., gebunden,<br />

Format 17,8 x 12 cm, € 12,80<br />

Weniger eine Biographie als ein poetisches<br />

Essay ist der kleine Band der Insel-<br />

Bücherei von Ursula Voß. Es dräut an jeder<br />

Stelle gewaltig vor griechischer Mythologie<br />

(Untertitel: „Im Auge des Minotaurus<br />

die Wimper der Sphinx“) und den<br />

großen Helden der Kunstgeschichte der<br />

Moderne, die anscheinend alle zur selben<br />

Zeit am selben Fleck der Erde weilten,<br />

nämlich in Paris. Alle rasend intellektuell,<br />

alle aus Prinzip ultralinks (wenn auch<br />

ohne wirkliches politisches Interesse),<br />

alle spitz wie Nachbars Lumpi und alle<br />

mit völlig verqueren Frauenvorstellungen<br />

in den rauchenden Köpfen.<br />

Ohne hinreichende Kenntnisse der<br />

jüngeren Kunstgeschichte sollte man<br />

sich nicht über den Band hermachen,<br />

obgleich, er vermittelt einen faszinierenden<br />

Einblick in das Paris der 20er/30er<br />

Jahre: Es muss wundervoll gewesen<br />

sein, in Künstlerkreisen zu verkehren.<br />

Alle unsere Klischees über die Bohème,<br />

den ungehemmten Eros des kreativen<br />

Geistes und über das wildromantische<br />

nächtliche Paris mit seinen Cafés entstammen<br />

dieser Zeit, diesem unglaublichen<br />

Schmelztiegel künstlerischer und<br />

gesellschaftspolitischer Utopien. Georges<br />

Bataille, André Breton, Balthus, Prévert,<br />

Oppenheim, Dali, Giacometti, Brassai,<br />

der Namen sind Legionen und mittendrin<br />

46<br />

Dora Maar, die liebt und leidet unter<br />

ihrem Hausgott Picasso. Madonnenantlitz<br />

in den Tiefen des Sexus, wollüstige<br />

Unterwelt, heiliges Kanonrohr! War es<br />

wirklich so großartig, so anders, so fern<br />

von Konventionen? Es muss wahr sein,<br />

weil es der Spiegel unseres eigenen Wollens<br />

ist.<br />

(Michael Reuter)<br />

Asta Gröting<br />

The Inner Voice<br />

Hrsg. von Jan Hoet und Christoph Keller.<br />

Mit Beiträgen von Asta Gröting, Tim Etchells,<br />

Stella Rolling und Deborah Levy.<br />

Revolver Verlag, Frankfurt, 2004, ISBN<br />

3-86588-003-7, deutsch/englisch, 144<br />

S., 60 s/w-Abb., Broschur mit Schutzumschlag/Poster,<br />

Format <strong>26</strong> x 18,8 cm,<br />

€ 25,--<br />

Asta Gröting (geb. 1961 in Herford,<br />

lebt in Berlin) widmet sich seit 1992<br />

neben ihrer bildhauerischen Arbeit einem<br />

eher ungewöhnlichen Thema: dem<br />

Bauchreden. Ihre Werkserie „Die Innere<br />

Stimme“, besteht aus einzelnen Videos,<br />

in denen sich internationale Ventriloquisten<br />

mit einer von Gröting geschaffenen<br />

Puppe über menschliche Befindlichkeiten<br />

austauschen. In den von ihr geschriebenen<br />

Texten geht es nicht um spaßige<br />

Bemerkungen oder die bekannte Situationskomik,<br />

sondern um Selbsterkenntnis<br />

und Identität. Es entsteht eine seltsame<br />

Mischung aus Kleinkunst und philosophischem<br />

Zwiegespräch.<br />

Bauchredner / Puppe (Wendy Morgan):<br />

„Du verstehst mich nicht“/ (Puppe) „Wie<br />

bitte?“ /Ich sagte, du verstehst mich nicht<br />

/ (Puppe) „Aber ich gebe mir doch schon<br />

die größte Mühe“ / Womit? (Puppe)<br />

„Auf dich einzugehen“<br />

Puppe / Bauchredner (Buddy Big Mountain):<br />

(Puppe) „Du <strong>bis</strong>t super. / „Ach, ich weiß<br />

nicht“. / (Puppe) „Doch, du musst dich<br />

auch super finden“. / „Wieso – ich finde<br />

mich aber nicht super“. / (Puppe) „Du<br />

<strong>bis</strong>t aber gut. Sogar sehr gut“.<br />

Der Sprachfluss orientiert sich an den<br />

klassischen Dialogen zwischen Bauchredner<br />

und Puppe: kurze Sätze, schnelle<br />

Dialoge, einfache Wortwahl. Die Texte<br />

versuchen also, äußerst komplexe The-<br />

<strong>Artheon</strong>-Mitteilungen <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong><br />

men mit einer äußerst reduzierten Wortwahl<br />

treffend zu beschreiben. Auf Dauer<br />

ist diese Methode etwas ermüdend und<br />

neigt zu Wiederholungen.<br />

Stella Rolling beschreibt in ihrem Text<br />

eine konsequente und mutige Künstlerin,<br />

denn „eine solche partnerschaftliche<br />

Gemeinschaftsproduktion zwischen High<br />

und Low Artists war ganz dazu angetan,<br />

die Kunstwelt vor den Kopf zu stoßen<br />

– besonders in Deutschland.“<br />

Verstörend wirken auch Grötings Fotos<br />

von der „Ventriloquist Convention“ in<br />

Las Vegas: Da sitzen Dutzende von gutgelaunten<br />

Menschen, alle mit großen,<br />

ebenfalls gutgelaunten Puppen auf dem<br />

Schoß, die häufig auch noch ähnlich gekleidet<br />

sind und physiognomische Ähnlichkeiten<br />

mit ihren Besitzern aufweisen.<br />

Sie wirken so lebendig, dass man sich<br />

unwillkürlich fragt, wie symbiotisch die<br />

Beziehung zwischen Bauchredner und<br />

Puppe wohl schon geworden ist.<br />

(Michael Reuter)<br />

Stefania Beretta<br />

In Memoriam<br />

Hrsg. von Dominique Gaessler mit<br />

einem Text von Maria Will.<br />

Verlag Trans Photographic Press, Paris,<br />

2006, ISBN 2-913176-37-2, englisch/<br />

italienisch, 68 S., 13 Farb- und <strong>26</strong> s/w-<br />

Abb., gebunden, Format 23 x 23 cm,<br />

€ 22,--<br />

Abgebrannte Wälder hat die Schweizerin<br />

Stefania Beretta für ihr neues Projekt<br />

„In Memoriam“ fotografiert. Die Silbergelatine-<br />

und C-Prints werden einzeln,<br />

als Diptychen oder in Kombination mit<br />

monochrom, erdig-farbenen Tafeln präsentiert.<br />

Der bedrohliche Himmel wurde<br />

bei einigen Abzügen noch ordentlich<br />

abgewedelt und verfremdet, die Wolken<br />

wirken künstlich, schmutzig und ebenso<br />

verbrannt wie die Bäume auf der Erde.<br />

Selbst das Fotopapier scheint, wohl<br />

durch chemische Eingriffe, stellenweise<br />

angebrannt und verschrumpelt zu sein.<br />

Einige Strukturen auf den Bildern wirken<br />

wie abstrakte Malerei, andere wie<br />

verkohlte Reste von Land-Art-Projekten.<br />

Der Text von Maria Will sieht die tiefsten<br />

Saiten des Menschen zum klingen<br />

gebracht und freut sich, dass Stefania

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!