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als Asyl-Ort in Erinnerung gebracht. Die<br />

von Franz Bernhard in der <strong>Seite</strong>nkapelle<br />

der ehemaligen Jesuitenkirche installierten<br />

anthropomorphen Zeichen sind dort<br />

als Chiffren des Transzendierens wahrgenommen<br />

worden. Parallele Arbeiten<br />

Bernhards fungieren in der Kapelle der<br />

Kopfklinik in Heidelberg, in Lützelsachsen<br />

und in Jockgrim u.a. als Kreuz.<br />

Auf die Frage, wie sich diese liturgische<br />

Funktion mit der Vorstellung von Autonomie<br />

vereinbaren lässt, antwortet Bernhard:<br />

„Wenn ich für eine Kirche arbeite,<br />

geht es neben gestalterischen und ästhetischen<br />

Problemen auch um religiöse Inhalte.<br />

Ich versuche, Aufgaben dieser Art<br />

im Rahmen der Möglichkeiten zu lösen,<br />

die mir meine freie Arbeit bietet“ (Franz<br />

Bernhard).<br />

(ham)<br />

Frank Hiddemann<br />

Site-specific Art im Kirchenraum<br />

Eine Praxistheorie<br />

Frank & Timme GmbH, Verlag für wissenschaftliche<br />

Literatur, Berlin, 2007,<br />

ISBN 978-3-86596-108-2, 292 S., zwei<br />

s/w- und 18 Farbabbildungen, Broschur,<br />

Format 21 x 14,8 cm, € 35,--<br />

Frank Hiddemann legt mit seiner luziden,<br />

tiefenscharfen und theoriegesättigten<br />

Studie nicht weniger als eine protestantische<br />

Praxistheorie für Ausstellungen<br />

in Kirchenräumen vor. Im Hintergrund<br />

stehen seine Erfahrungen als zeitweiliger<br />

Vorsitzender des Evangelischen Kunstdienstes<br />

Erfurt und als freier Kurator in<br />

Erfurt und Neudietendorf. Seine Begegnung<br />

mit Paul Tillichs Religions- und<br />

Kulturbegriff fließt in die Studie ebenso<br />

ein wie die Ausgangs- und Beweggründe<br />

der Site-specific Art, weiter sein Verständnis<br />

des Protestantismus als „nicht<br />

sinnlich, sondern asketisch…(als) nicht<br />

bild-, sondern schriftorientiert… und<br />

(als) unumgänglich selbstreflexiv…“<br />

(Frank Hiddemann).<br />

Die die 80er und 90er Jahre des letzten<br />

Jahrhunderts bestimmende Diskussion<br />

um das Spannungsfeld von autonomer<br />

Kunst und ihrer möglichen Funktionalisierung<br />

in Kirchenräumen erscheint für<br />

Hiddemann u.a. auch deshalb überholt,<br />

weil nach seinem Konzept Gegenwarts-<br />

34<br />

kunst „in einem durch die Architektur<br />

theologisch qualifizierten und von einer<br />

Gemeinde bewohnten Raum“ temporär<br />

als fremder Gast anwesend ist. Kunst und<br />

Kirche bleiben damit „unabhängige, aber<br />

aufeinander bezogene Positionen“. Damit<br />

vermeidet er einmal die bei Friedhelm<br />

Mennekes diagnostizierte „Integration<br />

der Kunst“, zum anderen die bei Erich<br />

Witschke unterstellte „Machtabtretung<br />

an sie“ (Frank Hiddemann). Zum dritten<br />

bewahrt ihn seine Entscheidung, Ausstattungsstücke<br />

von Designern gestalten zu<br />

lassen, vor dem Konflikt zwischen ‚autonomer’<br />

und ‚dienender’ Funktion.<br />

In Kirchenräumen auf Zeit platzierte<br />

Kunstwerke oder Installationen werden<br />

für ihn kontextsensibel, „wenn sie<br />

auf den Ort (die Site) Bezug nehmen.<br />

Das kann von der bloßen Rhetorik der<br />

Hängung bzw. der Einrichtung einer<br />

Ausstellung… <strong>bis</strong> zur Bezugnahme auf<br />

historische und soziologische Quellen<br />

gehen… ‚Kontextreflexiv’ sind platzierte<br />

Kunstwerke oder eine Installation, wenn<br />

sie dem Ort (der Site) respondieren.<br />

Dies kann in – beinahe therapeutischer<br />

– Übereinstimmung geschehen… oder in<br />

kritische Intervention…“ (Frank Hiddemann).<br />

Im Ergebnis erhofft sich Hiddemann<br />

von wechselnden Präsentationen von<br />

Kunst im Kirchenraum eine wachsende<br />

ästhetische Kompetenz. Zweitens hält<br />

er Geschmack in Sachen Kunst für einen<br />

schlechten Ratgeber. Er spricht sich<br />

dafür aus, das eigene Urteil am Qualitätsverständnis<br />

des Kunstsystems zu<br />

überprüfen. Kirchen sind für Hiddemann<br />

keine Galerien. Deshalb muss für ihn<br />

in Kirchen ausgestellte Kunst drittens<br />

den Gottesdienst zu einem Kommentar<br />

herausfordern. Zum Spezifikum protestantischer<br />

Kunstarbeit gehört viertens<br />

das ausführliche Sprechen vor Bildern.<br />

Kunst als Event oder als Genre sind ihm<br />

keine Gegensätze. Hiddemann plädiert<br />

deshalb fünftens für eine Verbesserung<br />

und Differenzierung der Erlebnisfähigkeit.<br />

Sechstens: Protestantische Religion<br />

und Kunst bilden je eigene Kosmen aus.<br />

Wenn sie sich begegnen, geht es weniger<br />

um Dialog und Mission als um das Interesse,<br />

etwas über sich selbst zu erfahren.<br />

(ham)<br />

<strong>Artheon</strong>-Mitteilungen <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong><br />

Sabine Kraft<br />

Räume der Stille<br />

Eine Studie des Instituts für Kirchenbau<br />

und kirchliche Kunst der Gegenwart,<br />

Philipps-Universität Marburg<br />

Jonas Verlag für Kunst und Literatur,<br />

Marburg, 2007, ISBN 978-3-89445-<br />

379-4, 112 S., zwölf s/w-Abbildungen,<br />

Broschur, Format 24 x 16,8 cm, € 13,--<br />

Horst Schwebel bringt die eigentliche<br />

Überraschung des Bandes auf den Punkt,<br />

wenn er in seiner Einleitung schreibt,<br />

dass „im Augenblick, wo viele Kirchen<br />

aufgrund schrumpfender Mitgliederzahlen,<br />

Geldmangel und Kirchenfusionen<br />

aufgegeben werden müssen, mit den<br />

‚Räumen der Stille’ eine neue Bauaufgabe<br />

entstanden ist“ (Horst Schwebel).<br />

Neu sind allerdings auch die Auftraggeber.<br />

Räume der Stille werden nicht nur<br />

von den christlichen Kirchen, Orden<br />

und Religionsgemeinschaften, sondern<br />

zunehmend auch von Krankenhäusern,<br />

Bestattungsunternehmern, Schulen, Messen,<br />

Flughäfen, Fußballvereinen, dem<br />

Staat u.a. gebaut.<br />

Sabine Kraft, beratende Architektin des<br />

Instituts für Kirchenbau und kirchliche<br />

Kunst der Gegenwart, zeichnet die Motivation<br />

der Auftraggeber und die Nutzung<br />

dieser neuen Räume der Stille nach. Darüber<br />

hinaus schlägt sie eine Typologie<br />

vor und unterscheidet Kapellen und andere<br />

Religionsräume von multireligiösen<br />

Räumen der Stille, multifunktionalen<br />

Räumen der Stille, universalen Räumen<br />

der Stille und holistischen Räumen der<br />

Stille. Als Architektin unterscheidet sie<br />

Solitärbauten von architektonisch in<br />

größere Bauaufgaben integrierten Räumen.<br />

„Allein beim Solitärbau geht die<br />

Funktion der Stille mit einer Freiheit der<br />

Formgebung einher, wie sie in keiner<br />

anderen architektonischen Konstellation<br />

möglich ist“ (Sabine Kraft). Dass Stille<br />

architektonisch und künstlerisch inszeniert<br />

werden kann und dabei Architektur<br />

und Kunst aufeinander angewiesen sind,<br />

ist für sie eine Selbstverständlichkeit.<br />

Beispielgebende Paradigmen sind für<br />

sie Arbeiten von <strong>Artheon</strong>-Vorstandsmitglied<br />

Werner Mally, so u.a. sein „ZwischenRaum“,<br />

2006, der Trauerraum im<br />

Universitätsklinikum Regensburg, der in<br />

Zusammenarbeit mit Christian Rampe

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