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Kritik ermöglichende Freiheit sieht Tobias<br />

Bevc als einen gemeinsamen Zug<br />

beider Theorien an.<br />

Ganz deutlich bei Cassirer, aber auch in<br />

der Kritischen Theorie, nimmt unter den<br />

symbolischen Formen diejenige des Mythos<br />

einen ersten Platz in der zeitlichen<br />

Rangfolge ein. Religion, Wissenschaft<br />

und Kunst treten hingegen erst später<br />

auf und lassen sich als weitere, darauf<br />

aufbauende symbolische Vermittlungen<br />

verstehen. Das heißt nun, dass alle weiter<br />

entwickelten symbolischen Formen in<br />

sich die Möglichkeit einer Re-Mythologisierung<br />

tragen. Wie nun diese symbolischen<br />

Formen bei Cassirer pathologisch<br />

werden können bzw. in der kritischen<br />

Theorie einer ihnen eigenen Dialektik<br />

unterliegen, hat mit einem Prozess zu<br />

tun, welcher von Tobias Bevc unter dem<br />

Begriff der Kulturgenese gefasst wird.<br />

Dies führt zu Bevc’ Hauptthese, die besagt,<br />

dass dieser Prozess der Kulturgenese<br />

sich als eine dialektische Vermittlung<br />

von Mythos und Vernunft darstellen<br />

ließe. Dieser Vermittlungsprozess stelle<br />

für beide Theorien, für Cassirer wie für<br />

Horkheimer / Adorno, den theoretischen<br />

Hintergrund dar.<br />

Darauf den Blick gelenkt zu haben, bzw.<br />

die wechselseitigen Anschlussmöglichkeiten<br />

beider Theorien wiederhergestellt<br />

zu haben, ist sicherlich eines der vielen<br />

anerkennungswerten Momente dieser Arbeit.<br />

Bisweilen erfolgt, geleitet von diesem<br />

Blickwinkel, die Gegenüberstellung<br />

von Cassirers symbolischen Formen zu<br />

den von Bevc so genannten Ordnungs-<br />

und Wahrnehmungsstrukturen der Kritischen<br />

Theorie allzu schematisch. Dies ist<br />

auch darauf zurückzuführen, dass ein mit<br />

Cassirer vergleichbarer ideengeschichtlicher<br />

Hintergrund, bei der Kritischen<br />

Theorie so nicht ausgearbeitet ist.<br />

Im Ganzen ist diese Arbeit, gerade auch<br />

in der übersichtlich ausgebreiteten Fülle<br />

ihres Materials, sehr lesenswert.<br />

(Emmerich Hörmann)<br />

50<br />

Michaela Hinsch<br />

Die kunstästhetische Perspektive in<br />

Ernst Cassirers Kulturphilosophie<br />

Verlag Königshausen & Neumann,<br />

Würzburg 2001, ISBN 38<strong>26</strong>021061,<br />

290 S., Broschur, € 44,--<br />

Das Werk Ernst Cassirers erfuhr in den<br />

letzten Jahren eine unerwartete Zuwendung.<br />

Dass dieses <strong>bis</strong> in die 80er Jahre<br />

des vergangenen Jahrhunderts etwas in<br />

Vergessenheit geraten ist, lag, abgesehen<br />

von der Spätfolge seiner Verdrängung<br />

durch den Nationalsozialismus, daran,<br />

dass es gleichsam im Windschatten zwischen<br />

den vorherrschenden philosophischen<br />

Debatten (Heidegger-Frankfurter<br />

Schule-französische Postmoderne-Analytische<br />

Philosophie) zu liegen kam;<br />

das Etikett des Neukantianismus tat ein<br />

Übriges dazu, und so blieb Ernst Cassirer<br />

meist ungelesen.<br />

Dies hat sich seit der Neuherausgabe<br />

seiner veröffentlichten sowie der nachgelassenen<br />

Schriften in den 90er Jahren<br />

geändert. Diese veränderte philosophische<br />

Situation hat sicherlich mit einigen<br />

aporetischen Momenten z.B. in der Heideggerrezeption<br />

zu tun, aber auch damit,<br />

dass im Werk Ernst Cassirers sich eine<br />

Integration weit auseinander liegender<br />

Methoden vollzieht, welche inzwischen<br />

als befruchtend zu wirken beginnt. Nicht<br />

zuletzt erfährt die gegenwärtige Konjunktur<br />

eines kulturwissenschaftlichen<br />

Ansatzes in Ernst Cassirer einen bedeutenden<br />

Begründer.<br />

So verwundert es nicht, dass die Literatur<br />

über Ernst Cassirer anzuschwellen<br />

beginnt, eignet sich doch sein integrativer<br />

Ansatz auch für partiale Analysen,<br />

welche die verschiedenen Aspekte seines<br />

Werkes im Einzelnen zu beleuchten versuchen.<br />

Michaela Hinsch beschäftigt sich nun<br />

mit der „kunstästhetischen Perspektive<br />

in Ernst Cassirers Kulturphilosophie“.<br />

Dabei ist zu beachten, dass Schriften von<br />

Ernst Cassirer, welche sich eigens dem<br />

Thema der Kunst widmen, trotz seiner<br />

umfassenden kulturwissenschaftlichen<br />

Perspektive rar sind und dass auch in<br />

seinem Hauptwerk ‚Philosophie der<br />

symbolischen Formen’ die Form der<br />

Kunst nicht abgehandelt wird. Michaela<br />

Hinsch versucht anhand einer nachge-<br />

<strong>Artheon</strong>-Mitteilungen <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong><br />

lassenen Briefstelle Cassirers zu zeigen,<br />

dass dieses Fehlen auf äußere hindernde<br />

Umstände zurückzuführen ist und dass er<br />

tatsächlich ein eigenes Kapitel über die<br />

Form der Kunst in seiner ‚Philosophie<br />

der symbolischen Formen’ geplant habe.<br />

Aufgrund dieses faktischen Fehlens einer<br />

expliziten Kunstphilosophie im Werk<br />

Ernst Cassirers unternimmt es Michaela<br />

Hinsch, eine im Gesamtwerk, „kontinuierlich<br />

von ‚Freiheit und Form’ <strong>bis</strong> zum<br />

‚Essay on Man’ vorhandene kunstästhetische<br />

Perspektive zu rekonstruieren“.<br />

Methodisch unterteilt sie Cassirers Werk<br />

in drei Phasen, eine „erkenntnistheoretisch-epistemologische,<br />

dann in eine<br />

kulturphilosophische und schließlich in<br />

eine anthropologische Phase. Die jeweils<br />

darin enthaltenen impliziten ästhetischen<br />

Theoriepunkte werden ausgefällt. Für<br />

die erste Phase rekonstruiert sie einen<br />

„kunsttheoretischen Trialog“ zwischen<br />

Kant, Goethe und Schiller, der für das<br />

frühe Hauptwerk Cassirers ‚Freiheit und<br />

Form’ und darüber hinaus <strong>bis</strong> ins Spätwerk<br />

konstitutiv sei.<br />

„Ich möchte also aufzeigen, wie Schillers<br />

und Goethes Auseinandersetzung<br />

mit der kritischen Philosophie Kants auf<br />

dem Gebiet der Ästhetik und Kunst zu je<br />

eigenständigen und gleichwertigen Positionen<br />

geführt haben...“.<br />

Und so schreibt sie am Ende ihrer Abhandlung:<br />

„Somit hat Cassirer <strong>bis</strong> zum Schluss<br />

die Konstellation von Kant, Goethe und<br />

Schiller zur lebendigen Verkörperung<br />

seines kunsttheoretischen Diskurses...<br />

beibehalten, um seine Idee eines umfassenden<br />

Kunsterlebnisses und dessen<br />

dialektische Struktur... darstellen zu<br />

können“.<br />

Dieser besagte „Trialog“ bildet den methodischen<br />

Hauptbezugspunkt in Hinschs<br />

Abhandlung; daneben stellt sie auch die<br />

Auseinandersetzung mit Bendetto Croce,<br />

Konrad Fiedler und Adolf Hildebrand<br />

sowie Cassirers Davoser Disput mit<br />

Martin Heidegger dar.<br />

Es gelingen ihr dabei eine Fülle von erhellenden,<br />

die aktuelle ästhetische Debatte<br />

anregenden Einsichten, welcher ebenso<br />

an die schon seit längerer Zeit wieder<br />

aufgenommene Auseinandersetzung mit

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