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Artheon Nr. 26 bis Seite 27.indd

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kreativen Gruppen und handwerklichen<br />

Zuarbeitern zur Folge hat?<br />

BB: Künstler und Ausstellungsmacher<br />

können nicht warten, <strong>bis</strong> ein Kunstpublikum<br />

bereit ist, sie müssen etwas tun<br />

– z. B. den Betrachter ansprechen als<br />

jemanden, der selbst in einem solchen<br />

Netz von Bezügen steckt, Gegenstand<br />

von Szenarien und Versuchskaninchen<br />

für Modelle ist, ein Modul in den Kalkulationen<br />

und Programmen. Der vernetzt<br />

und arbeitsteilig lebt, dessen Identität<br />

nicht individuell, sondern gesellschaftlich<br />

und kulturell und nicht zuletzt auch<br />

ökonomisch konstruiert ist. Kunst wäre<br />

hinterwäldlerisch, wenn sie sich so<br />

vordergründig dem bequem albernen<br />

Märchen von einer publikumsgerechten<br />

Kunst – was für eine unsinnig harmonistische<br />

Vision! – hingeben würde.<br />

MR: Der Kunstmarkt tendiert währenddessen<br />

auf der einen <strong>Seite</strong> zum Personenkult,<br />

auf der anderen <strong>Seite</strong> verschwindet<br />

der Künstler hinter dem Markt. Der<br />

richtige Galerist, die richtige Messe ist,<br />

vor allem in der medialen Wahrnehmung,<br />

wichtiger als der richtige Künstler. Ist<br />

hier auch eine Begründung für die Absicht<br />

der documenta zu finden, den Markt<br />

nicht bedienen zu wollen? Und gab es<br />

diese Verweigerung tatsächlich?<br />

BB: Der Kunstmarkt ist Teil eines ökonomischen<br />

Komplexes, der sich der<br />

Künstler und der künstlerischen Entwicklungen<br />

bedient, der auch immer wieder<br />

Manfred Richter<br />

Documenta 12 – World Exhibition without heroes<br />

“Heroes no longer will do” is the summary<br />

of an art critique looking back to<br />

Documenta XII in Kassel. The five-annual<br />

encounter of contemporary world<br />

art in Kassel, in former times accentuated<br />

by the most famous names, tried to<br />

do without this kind of glamour. A risky<br />

decision. Did it work? It did at least as<br />

to the number of visitors which not only<br />

reached that of the former one, curated<br />

18<br />

versucht, diese zu vereinnahmen und zu<br />

steuern. Die documenta wäre nur noch<br />

eine Messe an einem Messe-untauglichen<br />

Ort, wenn sie diese Börse bedienen<br />

wollte. Das hat schon Harald Szeemann<br />

1972 mit Blick auf die d4 damals so gesehen<br />

und entsprechend gehandelt.<br />

MR: Kunst handelt auch vom Scheitern.<br />

Kann Kunst scheitern? Gibt es beim<br />

Konzept der documenta Momente des<br />

Scheiterns?<br />

BB: Irren war schon immer menschlich.<br />

MR: Würden sie Michael Hübl zustimmen,<br />

der im Kunstforum schrieb, „ ...dass<br />

die Zeit der grandiosen Behauptungen<br />

vorbei ist und die Zukunft im Diffusen,<br />

im Kleinteiligen, Unscheinbaren liegt“?<br />

BB: Nein. Diffus wird die Kunst nur,<br />

wenn man den Nebeln in Caspar Davids<br />

Bildern unterstellt, sie seien vom Fürsten<br />

als Nebelbomben geworfen worden, damit<br />

der Wanderer nicht weiß, wie er sein<br />

Tal durchschreiten soll.<br />

MR: Die Studenten der Kunsthochschule<br />

Kassel haben mit www.documenta-dock.<br />

net ein interessantes Projekt verwirklicht,<br />

dem man ebenfalls den Netzwerkgedanken<br />

ansieht. In einem Videointerview<br />

wurden sie gefragt, warum Gegenwartskunst<br />

schwer zu vermitteln sei. Sie antworteten,<br />

dass die Codierung zeitgenössischer<br />

Kunst dem Rezipienten eigentlich<br />

geläufig und sie daher nicht schwer zu<br />

by the Afro-American Okui Enwesor,<br />

but counted 100 000 more with about<br />

750 000 participants at all. And it was<br />

them – the visiotors– whom the the curators’<br />

couple Roger M Buergel and Ruth<br />

Noack appealed in a special way: asking<br />

them for personal aesthetic perception<br />

and evaluation. One of the main points<br />

of the conception was to encourage personal<br />

and private awareness of contem-<br />

<strong>Artheon</strong>-Mitteilungen <strong>Nr</strong>. <strong>26</strong><br />

verstehen sei. Woher kommt dann die<br />

Abneigung vieler Menschen gegenüber<br />

moderner Kunst, <strong>bis</strong> hin zum Gefühl,<br />

moderne Kunst verachte und veralbere<br />

sie durch ihre unnahbare Intellektualität?<br />

BB: Noch immer gibt es nicht nur in den<br />

Schulen zu wenig Auseinandersetzung<br />

über Formen, Prozesse und Produkte,<br />

über Möglichkeiten und Macht visueller<br />

Kommunikation. Noch immer sind die<br />

Barrieren zur Kultur – ob Kunst, Musik,<br />

Literatur, Theater etc. – zu hoch, wird<br />

Gegenwartskunst diffamiert als unverständlich<br />

und „unnahbar intellektuell“.<br />

Als Ausdruck von Herrschaft oder Widerstand<br />

haben Kunst und die visuelle<br />

Kultur nur die Wahrnehmung meist derjenigen<br />

geschärft und gefordert, die auf<br />

ihrer <strong>Seite</strong> waren. Solche Kultur, verstanden<br />

als ökonomischer wie intellektueller<br />

Luxus, grenzt aus. Deshalb haben „die<br />

Leute“ Recht. Und wer könnte daran<br />

heute Interesse haben? Der Markt und<br />

die Macht bedienen sich nach wie vor<br />

dieser Barrieren, denn sie profitieren<br />

davon, und selbst Schulen tun das, indem<br />

sie Wahrnehmung und Denken in Leistung<br />

verkehren. Ästhetische Wahrnehmung<br />

als eine eigene Energie zu erleben<br />

schafft Selbstbewusstsein. Die so gewonnene<br />

Souveränität führt zu eigenständigem<br />

Denken und Handeln – so sehr, dass<br />

man über Kunst sogar lachen kann.<br />

MR: Herr Balkenhol, ich danke Ihnen für<br />

das Gespräch.<br />

porary art, not being seduced by fame<br />

and wellkownness of names. This was<br />

one of the three leading ideas – aesthetic<br />

formation. The guides were informed to<br />

limitate introductory instruction and to<br />

initiate debates and discussions.<br />

A characteristic of this exposition were<br />

the spaces for groups to sit down for<br />

exchange, the so called-”Palmen Haine”,<br />

evoking oriental situations of palaver (in<br />

Arab culture “Almanach”).<br />

By the way, the real hero of this exposition<br />

was the well known Chinese artist

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