Zabel_ueber_Bloch_plus_Info_dt_engl - Omnia vincit Amor
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Ernst <strong>Bloch</strong> 4<br />
Noch-Nicht-Sein, die sozialwissenschaftlich-methodologisch bisher kaum aufgenommen worden ist; [5] sie<br />
unterscheidet sich geschichtlich-methodisch von anderen marxistischer Philosophen auch dadurch, dass <strong>Bloch</strong> eine<br />
enge Beziehung zwischen sozialistischen und christlichen Gedanken sah.<br />
Bedeutsam sind auch Ernst <strong>Bloch</strong>s Konzeptionen der Ungleichzeitigkeit wie er sie in den 1930er und 1960er Jahren<br />
äußerte. In „Erbschaft dieser Zeit“ (1934) erklärte er die Attraktivität des Nationalsozialismus durch ungleichzeitige<br />
Widersprüche im Kapitalismus, die zum gleichzeitigen Widerspruch zwischen Kapitaleigentümern und<br />
Lohnarbeitern „schief“ hinzukämen. Durch die fehlenden Revolutionen in Deutschland seien bestimmte Schichten<br />
(„Kleinbauern“, „Kleinproduzenten“, „Kleinhändler“ und Angestellte als kleinbürgerlicher Sonderfall) nicht nur<br />
rückständig („unechte Ungleichzeitigkeit“), sondern in ihren anachronistischen Produktionsweisen („echte<br />
Ungleichzeitigkeit“) verflochten mit dem Kapital. Die marxistische Analyse dürfe daher nicht nur kalt den<br />
gleichzeiten Widerspruch analysieren, sondern müsse auch den Wärmestrom unabgegoltener Kämpfe und Utopien<br />
berücksichtigen. In der „Tübinger Einleitung zur Philosophie“ Anfang der 1960er Jahre bezog <strong>Bloch</strong><br />
Ungleichzeitigkeit auf unterschiedlichen Fortschritt. Hier distanzierte er sich von der „reaktionären<br />
Kulturkreistheorie“, da alle Kulturen denselben dialektischen Gesetzen in ihrer Entwicklung unterworfen seien und<br />
denselben Zielinhalt der Menschlichkeit (einendes „konkret-utopisches Humanum“) in einem „Reich der Freiheit“<br />
verfolgten. <strong>Bloch</strong> spricht hier vom „Multiversum“: „Der Fortschrittsbegriff duldet keine 'Kulturkreise', worin die Zeit<br />
reaktionär auf den Raum genagelt ist, aber er braucht statt der Einlinigkeit ein breites, elastisches, völlig<br />
dynamisches Multiversum, einen währenden und oft verschlungenen Kontrapunkt der historischen Stimmen.“ [6]<br />
Ernst <strong>Bloch</strong> hatte auf Grund seiner kenntnisreichen und originellen Ausführungen zu Themen der Religion, speziell<br />
des Judentums und Christentums sowie zum Atheismus großen Einfluss auf die Theologie in der zweiten Hälfte des<br />
20. Jahrhunderts, beispielsweise auf Jürgen Moltmann und auf Dorothee Sölle. Das äußert sich beispielhaft an den<br />
korrespondierenden Titeln Das Prinzip Hoffnung von Ernst <strong>Bloch</strong> und Theologie der Hoffnung von Jürgen<br />
Moltmann sowie von Ernst <strong>Bloch</strong>s Atheismus im Christentum und Dorothee Sölles Atheistisch an Gott glauben.<br />
Besonders ausführlich breitet er seine Religionsphilosophie im dritten Band des Prinzips Hoffnung aus: „Die<br />
wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und<br />
Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende,<br />
schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne<br />
Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die<br />
Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat“. [7] Später im Band Atheismus im Christentum heißt es: „Nur<br />
ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: Nur ein Christ kann ein guter Atheist sein“.<br />
<strong>Bloch</strong> kritisiert am Christentum die überkommenen hierarchischen Strukturen, abgeleitet aus einem Gott, der „oben“<br />
ist und so an Marduk oder Ptah erinnert, die Götter der Babylonier und Ägypter, aber nicht an Jahwe, den Gott des<br />
Exodus, der zur Befreiung führt.<br />
Am Atheismus beanstandet er die Leere, den „Hohlraum“, der hinterlassen wird, wenn man die Religion entfernt. In<br />
diese Hohlräume treten nach <strong>Bloch</strong> neue, dunkle und dumpfe Inhalte. Als Beispiel nennt er die Zeit des<br />
Nationalsozialismus.<br />
Zentrale Begriffe der blochschen Philosophie sind:<br />
• Wärmestrom/Kältestrom<br />
• Ungleichzeitigkeit<br />
• Konkrete Utopie<br />
• In-Möglichkeit-Seiendes