Zabel_ueber_Bloch_plus_Info_dt_engl - Omnia vincit Amor
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Erkenntnistheorie 29<br />
Die Empiristen bestanden in der Terminologie, die Kant einführte, darauf, dass es nur zweierlei Urteile gebe:<br />
Synthetische Urteile a posteriori – Urteile, bei denen wir auf Sinneswahrnehmung zurückgreifen, die wir im<br />
Nachhinein zu komplexeren Urteilen zusammenzufügen. Daneben mochte man im Empirismus noch ohne Risiko<br />
gewisse analytische Urteile „a priori“ zugestehen – etwa dort, wo man über Algebra nachdenkt und logische Systeme<br />
setzt, innerhalb derer Aussagen nach den vorab, sprich a priori, gesetzten Regeln wahr werden.<br />
Die Frage einer wissenschaftlich betriebenen Metaphysik lautete unter dieser Vorgabe, ob es auch Synthetische<br />
Urteile a priori gebe.<br />
Im Nachdenken über Raum, Zeit und Kausalität sollte der Denkansatz fruchtbar werden: Raum, Zeit und Kausalität,<br />
argumentierte Kant, seien nicht Gegenstände der Wahrnehmung, sondern eher ihre Bedingung. Man könne sich nicht<br />
denken, wie Wahrnehmungsprozesse ohne Raum, Zeit und Kausalität ablaufen sollten. Wir treten zudem als<br />
Subjekte – der Seite unserer Ideen – an unsere Wahrnehmungen, mit denselben Konzepten, um die Wahrnehmung<br />
zu Erkenntnis zu ordnen. Raum, Zeit und Kausalität machten eher die Form der Wahrnehmung aus. Auch das<br />
Subjekt der Wahrnehmung blieb ihr entzogen und doch mit ihr gegeben.<br />
Die klare Abgrenzung vom Idealismus, wie ihn Berkeley im rein philosophischen Argument an den Rand des<br />
Solipsismus geführt hatte, lieferte Kant in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft 1787 im Kapitel<br />
„Widerlegung des Idealismus“ [23] nach.<br />
Das Argument sollte Descartes' Behauptung, allein der eigenen Existenz könne man sich gewiss sein, wie Berkeleys<br />
Zweifel an der Außenwelt treffen. „Das bloße, aber empirisch bestimmte, Bewusstsein meines eigenen Daseins<br />
beweist das Dasein der Gegenstände im Raum außer mir“ so Kants Angebot eines „Lehrsatzes“, der dem Beweis der<br />
Außenwelt aus dem Bewusstsein des eigenen Daseins vorweggestellt werden konnte.<br />
Die Beweisführung griff auf das vorangestellte Nachdenken über die Zeit zurück. Wir benötigen für die Zeit etwas<br />
„Beharrliches“, die Zeit durch sein fortgesetztes Bestehen Füllendes, und das könne nicht in uns selbst liegen „weil<br />
eben mein Dasein in der Zeit durch dieses Beharrliche allererst bestimmt werden kann.“ Man erfährt keine Zeit,<br />
wenn sich nicht etwas verändert, während etwas anderes unabhängig von einem in derselben Zeit stabil bleibt.<br />
„Folglich ist die Bestimmung meines Daseins in der Zeit nur durch die Existenz wirklicher Dinge, die ich außer mir<br />
wahrnehme, möglich.“ Kant versah den Beweis mit drei Anmerkungen, von denen die erste notierte, dass er hier<br />
seine eigene Philosophie benutzte um über ihre Grenzen nachzudenken. Die zweite Bemerkung galt eingehender der<br />
Zeit, die in Abfolge und gerade nicht im Beharrenden definiert war. Das sei kein Widerspruch – eine Passage, die<br />
Zeit, Materie und das Ich voneinander auf kürzestem Raum abgrenzt:<br />
„Anmerkung 2. Hiermit stimmt nun aller Erfahrungsgebrauch unseres Erkenntnisvermögens in Bestimmung<br />
der Zeit vollkommen überein. Nicht allein, dass wir alle Zeitbestimmung nur durch den Wechsel in äußeren<br />
Verhältnissen (die Bewegung) in Beziehung auf das Beharrliche im Raume (z. B. Sonnenbewegung in<br />
Ansehung der Gegenstände. der Erde,) vornehmen können, so haben wir so gar nichts Beharrliches, was wir<br />
dem Begriffe einer Substanz, als Anschauung, unterlegen könnten, als bloß die Materie und selbst diese<br />
Beharrlichkeit wird nicht aus äußerer Erfahrung geschöpft, sondern a priori als notwendige Bedingung aller<br />
Zeitbestimmung, mithin auch als Bestimmung des inneren Sinnes in Ansehung unseres eigenen Daseins durch<br />
die Existenz äußerer Dinge vorausgesetzt. Das Bewusstsein meiner selbst in der Vorstellung Ich ist gar keine<br />
Anschauung, sondern eine bloß intellektuelle Vorstellung der Selbsttätigkeit eines denkenden Subjekts. Daher<br />
hat dieses Ich auch nicht das mindeste Prädikat der Anschauung, welches, als beharrlich, der Zeitbestimmung<br />
im inneren Sinne zum Korrelat dienen könnte: wie etwa Undurchdringlichkeit an der Materie, als empirischer<br />
Anschauung, ist.“ [24]<br />
Der Beweis hatte keine Gültigkeit in jedem Fall, das setzte die dritte Anmerkung hinzu, die notierte, dass wir<br />
natürlich träumen können und dann der Wahrnehmung keine Außenwelt zuordnen werden. Gefragt werden müsse<br />
jedoch in diesem Fall, woher das Geträumte in seiner scheinbaren Gegenständlichkeit komme – „bloß durch die<br />
Reproduktion ehemaliger äußerer Wahrnehmungen“, so setzte er hinzu, und für diese gelte der oben geführte<br />
Beweis, dass sie eine Außenwelt benötigten. Woran man aber sehen könne, ob eine bestimmte Erfahrung Traum sei