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Erkenntnistheorie 13<br />

Debatte von historischer Signifikanz<br />

Die Geschichte der Erkenntnistheorie gewann in Westeuropa im<br />

größeren Prozess, in dem die Wissenschaften zentraler Anbieter von<br />

öffentlichen Diskussionen wurden, Bedeutung als Gradmesser für<br />

geistigen und kulturellen Fortschritt. Immanuel Kant notierte in den<br />

1780er Jahren hier einen entscheidenden Durchbruch für den Beginn<br />

der Neuzeit: Eine „Kopernikanische Wende“ habe sich mit dem Schritt<br />

zum heliozentristischen Weltbild vollzogen. Der Mensch habe sich<br />

dabei im Universum neu verorten müssen. Forschung der<br />

Naturwissenschaft und moderne Erkenntnistheorie hätten die<br />

folgenden intellektuellen Durchbrüche ermöglicht. Das 19. Jahrhundert<br />

übernahm die von Kant in den 1780er Jahren angebotene Perspektive<br />

und setzte konkurrierende Lesarten der epochalen Errungenschaften<br />

und ihrer Bedeutung in der Geistesgeschichte nach. Einflussreich<br />

wurden die Schriften Auguste Comtes mit ihren Entwürfen seines<br />

Drei-Stadien-Gesetzes und seines Enzyklopädischen Gesetzes<br />

menschlicher Geistesentwicklung in historischer Perspektive. [12]<br />

Der Rückblick des 19. Jahrhunderts darauf, wie<br />

der Mensch in der Kopernikanischen Wende das<br />

Ende seines mittelalterlichen Weltbildes erfuhr:<br />

Camille Flammarions Holzstich aus seinem<br />

L'Atmosphère: Météorologie Populaire (Paris,<br />

1888), S. 163<br />

Die gängige Fachgeschichte, die das verursachte, birgt eine Beschränkung auf den westlichen Diskussionsstrang, der<br />

in den Wissenschaftsbetrieb westlicher Prägung führte. Asiatischer Philosophie wird hier zuweilen eine<br />

Gegenposition zugestanden, ein grundsätzlich anderes Nachdenken, dem das konfrontative argumentative Spiel<br />

fremd blieb und das darum keine vergleichbare Dynamik gewann. Die konventionellen westlichen<br />

Geschichtsangebote trennen dabei zumeist Antike, Mittelalter und Neuzeit als Epochen. Tatsächlich lassen sich hier<br />

bereits unabhängig von den zu verzeichnenden Theorien Unterschiede in der Organisation der Debatte, in ihrer<br />

gesamten institutionellen Aufhängung ausmachen und mit ihnen Eigenheiten der westlichen Entwicklung.<br />

• Antike Erkenntnistheorie entwickelte sich ohne den Rahmen einer internationalen universitären Forschung (sie<br />

kommt im Mittelalter auf) und ohne Nachhall in den Naturwissenschaften (der erst späten 19. Jahrhundert<br />

bedeutender wird). Bestimmend ist hier am ehesten eine Diskussion konkurrierender Schulen, in denen<br />

ästhetische und ethische Argumente eine große Rolle spielten.<br />

• Einen Sonderweg schlugen der Nahe Osten und Europa mit dem Siegeszug des Christentums und des Islams ein,<br />

zweier Religionen, die auf gemeinsamer historischer Grundlage die Suche nach einer geschlossenen<br />

Welterklärung für verbindlich erklärten. In beiden Kulturräumen arbeitet seit der Spätantike eine internationale<br />

Forschung an der universalen Integration der Wissensbestände. Für das Christentum ist hier Augustinus eine der<br />

Personen, die dafür sorgten, dass das neue Nachdenken Philosophien der Antike übernahm.<br />

• Die Neuzeit ist von einer deutlichen Absetzungsbewegung gegenüber dem ab 1500 im Rückblick formulierten<br />

Mittelalter gekennzeichnet. Sichtbar schlug sich das in Debattenverlagerungen nieder. Projekte der theologisch<br />

ausgerichteten Philosophie der Scholastik fanden nach 1500 zunehmend Konkurrenz einer nicht theologischen<br />

naturwissenschaftlichen, weltlichen Forschung – sie lieferte nicht nur eigene Beweis-Versuche für die Existenz<br />

Gottes, sondern auch Naturerklärungen und Geschichtsangebote, die mit der Bibel brachen. Das 19. Jahrhundert<br />

intensivierte die Konfrontation mit der Umstrukturierung des Wissenschaftsbetriebs. Die neuen Fächer der Natur-,<br />

Geistes- und Gesellschaftswissenschaften übernahmen wesentliche Teile des ehemals theologischen<br />

Debattenfeldes. In ihnen findet seitdem Erkenntnistheorie Fortsetzungen.<br />

• Bestand für das Mittelalter wie für das 19. Jahrhundert ein Konsens darin, dass Erkenntnistheorie nach einer<br />

wahren und vollständigen Erkenntnis der Welt strebte, so hat sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert die<br />

Perspektive erheblich relativiert: Forderungen wie die der Wahrheit rückten aus dem Zentrum wissenschaftlicher<br />

und philosophischer Erkenntnistheorie. Neue Forderungen, wie die nach dem praktischen Nutzen von Wissen<br />

unabhängig von seiner Wahrheit kamen auf. Hier kommen Projekte der evolutionären Erkenntnistheorie (die

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