Ägyptens Schätze entdecken - Historisches Museum der Pfalz Speyer
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Doch ist diese Hochschätzung <strong>der</strong> Handwerker, die hier zum Ausdruck kommt,<br />
sicherlich übertrieben und entspricht nicht <strong>der</strong> gesellschaftlichen Realität. 111 Allerdings sollte<br />
man auch nicht verkennen, dass es Einzelnen aus den weniger begüterten Schichten<br />
gelang, in die gehobene Gesellschaft aufzusteigen. Das zeigt, dass die sozialen Schichten<br />
nicht zementiert waren, son<strong>der</strong>n eine gewisse Durchlässigkeit erlaubten. 112<br />
Wenn die Bauern und Handwerker bei ihrer Arbeit in den Wandmalereien <strong>der</strong> Gräber<br />
wie<strong>der</strong>gegeben werden, dann gestattet uns das einen Einblick ins ägyptische Alltagsleben.<br />
Alle Arbeitsgänge in <strong>der</strong> Landwirtschaft und die ganze Berufspalette <strong>der</strong> Handwerker wurden<br />
in den Grabdarstellungen thematisiert. So kann <strong>der</strong> Betrachter Schreiner, Goldschmiede,<br />
Gerber, Steinmetze und Weber bei <strong>der</strong> Arbeit beobachten.<br />
Die Handwerker waren in Werkstätten organisiert, unterstanden entwe<strong>der</strong> einer<br />
Privatperson, dem Königspalast o<strong>der</strong> einem Tempel. Zwischen Künstlern und Handwerkern<br />
wurde nicht unterschieden. Am höchsten angesehen unter ihnen waren die Bildhauer und<br />
Maler, da sie für die Statuen und Reliefs und <strong>der</strong>en entsprechende farbige Gestaltung<br />
zuständig waren. Ihre Aufgabe war es, Bildnisse zu schaffen, die dem Toten das Weiterleben<br />
nach dem Tod ermöglichten, weil Statuen und Reliefs als „Ersatzkörper“ des Verstorbenen<br />
fungieren konnten. Eigenständige Schöpfertätigkeit darf man allerdings bei den Handwerkern<br />
nicht voraussetzen. Sie waren an feste inhaltliche Vorgaben gebunden und hatten keinen<br />
eigenen Gestaltungsspielraum. Es wurden die genauen Maße vorgegeben, auch im<br />
Verhältnis <strong>der</strong> Teile zueinan<strong>der</strong>, die dann in einem Gitternetz auf den Steinblock übertragen<br />
wurden. Es wurden Modelle angefertigt, nach denen gearbeitet werden musste. Man hat aus<br />
<strong>der</strong> Zeit des Pharao Echnaton (ca. 1350 v. Chr.) bei Ausgrabungen eine Werkstatt entdeckt,<br />
in <strong>der</strong> sich solche Lehrstücke befanden. Die berühmteste Bildhauerstudie ist sicherlich <strong>der</strong><br />
Kopf <strong>der</strong> Nofretete, <strong>der</strong> sich heute im Ägyptischen <strong>Museum</strong> Berlin befindet.<br />
Eine Darstellung <strong>der</strong> Tätigkeit eines Bildhauers findet sich im Grab des Wesirs<br />
Rechmire in <strong>der</strong> thebanischen Nekropole (18.Dyn.). Dort sieht man Bildhauer, die sowohl<br />
eine Sitzstatue als auch eine Standstatue eines Königs sowie eine Sphinx anfertigen.<br />
Das Handwerk des Steinbildhauers wird in <strong>der</strong> Ausstellung beson<strong>der</strong>s gewürdigt. Im<br />
Mittelpunkt steht <strong>der</strong> Bildhauer Ipuye, <strong>der</strong> in Deir el-Medineh lebte und arbeitete. Die<br />
Grabstele des Ipuye (Neues Reich, 19. Dyn.,1292-1186 v. Chr.) ist in zwei Register<br />
unterteilt. Der obere Teil mit abgerundetem Abschluss ist in erhabenem Relief gearbeitet. In<br />
<strong>der</strong> Mitte steht <strong>der</strong> falkenköpfige Gott Horus. 113 Da er eine Sonnenscheibe auf dem Kopf<br />
trägt, verschmilzt <strong>der</strong> Falkengott hier mit dem Sonnengott. Hinter dem Gott geht <strong>der</strong> Pharao<br />
Amenhotep I., <strong>der</strong> im Arbeiterdorf Deir el-Medineh göttliche Verehrung erfuhr. 114 Horus und<br />
Amenhotep bewegen sich auf den mumienförmig dargestellten Gott Osiris zu. Der untere<br />
Teil <strong>der</strong> Stele ist in eingetieftem Relief gearbeitet und zeigt zwei Söhne und eine Tochter<br />
des Ipuye, die ihren verstorbenen Eltern, die vor einem Opfertisch sitzen, Verehrung<br />
erweisen. Ipuye beweist an dieser Stele sein bildhauerisches Talent, indem er beide in<br />
Ägypten üblichen Reliefarten ausführt. Das erhabene Relief verlangte mehr Arbeitsaufwand,<br />
weil <strong>der</strong> gesamte Untergrund abgearbeitet werden musste. Es wurde normalerweise in<br />
Innenräumen angewandt, an Außenwänden war das eingetiefte Relief die Regel, da hier die<br />
Kontrastwirkung durch die Sonneneinstrahlung stärker war.<br />
Was die praktische Arbeit eines Bildhauers betrifft, so sind u.a. Werkzeuge und<br />
Bildhauerstudien zu sehen, z.B. ein Küken und die beiden Landesgöttinnen von Ober- und<br />
Unterägypten. Auch an einer Kartusche mit dem Königsnamen des Thutmosis III. bzw. an<br />
einem Königskopf hat sich ein Bildhauer versucht. Neben dem Steinbildhauer gab es<br />
natürlich den Holzbildhauer, dessen Werkzeug (Dechsel, Holzhammer und Meißel) ebenfalls<br />
Exponate <strong>der</strong> Ausstellung sind.<br />
111<br />
M. Gutgesell, S.253<br />
112<br />
M. Zöller-Engelhardt, Bauern und Handwerker, in: Begleitbuch zur Ausstellung<br />
113<br />
s. Kap.3.8.1 (Osiris-isis-Horus)<br />
114<br />
zur Statue des Amenhotep (Amenophis) I. s. Kap. 3.7 (Der Pharao)<br />
© <strong>Historisches</strong> <strong>Museum</strong> <strong>der</strong> <strong>Pfalz</strong> <strong>Speyer</strong><br />
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