Das Erhoffte will seine Zeit - Kirchenblatt
Das Erhoffte will seine Zeit - Kirchenblatt
Das Erhoffte will seine Zeit - Kirchenblatt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Inhalt<br />
1 Titelbild<br />
Herbert Meier «Lyrische Notizen»<br />
«Im späten Gras am Weg einsam der Mohn,<br />
rot glühend im letzten Licht, als würde er<br />
wissen: Wenn ich verblühe, verödet alles um<br />
mich.» 18.8.2009<br />
2 Standpunkt<br />
Die Magie der Worte<br />
3 Aus Kirche und Welt<br />
4 Thema<br />
<strong>Das</strong> <strong>Erhoffte</strong> <strong>will</strong> <strong>seine</strong> <strong>Zeit</strong><br />
6 Glauben und beten<br />
Heiterkeit<br />
Liturgischer Wochenkalender/<br />
Namenstage<br />
7 Kirche in den Medien<br />
8 Vermischtes<br />
Tipps und Hinweise<br />
9 Dekanatspfarreien<br />
25 Solothurn<br />
30 Grenchen<br />
32 Jugendseite<br />
Ministrieren verbindet<br />
IMPRESSUM: <strong>Kirchenblatt</strong> für römischkatholische<br />
Pfarreien im Kanton Solothurn<br />
ISSN 1420-5149; ISSN 1420-5130.<br />
www.kirchenblatt.ch<br />
Erscheint alle 14 Tage<br />
Verlag/Adressenverwaltung: AZ Fachverlage AG,<br />
Neumattstrasse 1, 5001 Aarau<br />
Telefon 058 200 56 87, Fax 058 200 55 56.<br />
Administration und Produktion: Vogt-Schild Druck AG,<br />
Gutenbergstrasse 1, 4552 Derendingen<br />
Telefon 058 330 11 58, Fax 058 330 11 78,<br />
E-Mail: kirchenblatt@vsdruck.ch<br />
Redaktion für den allgemeinen Teil («Mantel»):<br />
Dr. Reto Stampfli (Leitung), St. Niklausstrasse 24,<br />
4500 Solothurn, Telefon 032 622 42 87,<br />
E-Mail: retostampfli@bluemail.ch / Heinz Bader,<br />
Seelsorger, 4710 Balsthal / Urban Fink, 4515 Oberdorf /<br />
Franz Rüegger, Zeichenlehrer, 4500 So lothurn (Layout) /<br />
Daniele Supino, 4500 Solothurn (Jugendseite) /<br />
Pfarrer Mario Tosin, 2540 Grenchen.<br />
2 KIRCHENBLATT 17 2011<br />
Standpunkt<br />
Die Magie der Worte<br />
Wann haben Sie sich, verehrte Leserinnen und Leser, das letzte Mal die <strong>Zeit</strong><br />
genommen, ein Gedicht zu lesen und auf sich wirken zu lassen? Oder haben<br />
Sie selbst schon einmal ein Gedicht verfasst? Unbestritten, das Ge -<br />
dichtelesen und -schreiben hat auch schon bessere <strong>Zeit</strong>en erlebt. Nicht,<br />
dass es an den Dichtern liegen würde – von denen gibt es zum Glück immer<br />
noch eine stattliche Anzahl – nein, die Lyrik hat als Dichtungsgattung<br />
im Allgemeinen viel an Aufmerksamkeit verloren. Gab es im 18. und 19.<br />
Jahrhundert noch lyrische Zirkel, in denen man sich gegenseitig Gedichte<br />
unter grosser emotionaler Regung vorgelesen hat, so ist die Lyrik in der<br />
heutigen <strong>Zeit</strong> leider meist nur noch auf ein Fachpublikum beschränkt. <strong>Das</strong><br />
ist schade, denn gerade die verdichtete und präzise Form des Gedichts<br />
kann mit wenigen Worten eine grosse Wirkung erzielen. Die Lyrik ist eine<br />
Chance, der modernen Wortinflation zu entkommen, um im Schlichten<br />
eine unerwartete Fülle zu finden.<br />
Fehlt uns heute etwa die Hingabe zur Ästhetik der Wörter? Sind Buchstaben<br />
und Wörter zu blossen Werkzeugen der Information verkommen? Der<br />
Solothurner Schriftsteller Herbert Meier hat in diesem Zusammenhang einmal<br />
von einem übertriebenen Sicherheitsdenken in unserer Gesellschaft<br />
gesprochen, das sich auch im sprachlichen Ausdruck manifestiert. Jedes<br />
Wort muss klar definiert sein, ansonsten wird es zu einem vagen Begriff.<br />
Doch gerade dieses Wagnis der vagen Begriffe findet in der Lyrik immer<br />
wieder <strong>seine</strong>n literarischen Niederschlag. Die Worte sollen die Zuhörer und<br />
Leser nicht einschränken und behindern, sondern zur Offenheit anregen.<br />
Ein Sich-Öffnen für die Schönheit der Welt, jedoch auch für die Möglichkeit,<br />
dass es etwas noch Grösseres geben kann. So sind nicht wenige<br />
Gedichte von Herbert Meier voller Hinweise darauf, dass auch in einer<br />
entgötterten Welt eine nicht verstummende Sehnsucht vorhanden ist,<br />
durch alle Gefahren und Hoffnungslosigkeiten hindurch, den «Immer Gesuchten»<br />
zu finden.<br />
Der Dichter ist in <strong>seine</strong>m Wirken eine Art Magier. Er nutzt geschickt die<br />
Magie der Worte. Darum erstaunt es nicht, dass die Lyrik in der Antike mit<br />
der Singbarkeit eines Textes verbunden war. Durch das Singen und gezielte<br />
Wiederholen der Worte entstand ein meditativer Effekt. Dieses Phänomen<br />
hinterliess auch im Mittelalter sprachliche Spuren. So befinden sich unter<br />
den ältesten erhaltenen Texten der deutschen Literatur zahlreiche Zaubersprüche.<br />
In der Lyrik wird die Zuhörerschaft nicht durch magische Formeln,<br />
sondern durch die gezielte Verknüpfung der Worte verzaubert. Dabei wird<br />
die Gefahr der bedrückenden Kopflastigkeit geschickt durch einen ge -<br />
wollten Minimalismus an sprachlichen Vorgaben umgangen. «Der Sinn für<br />
Poesie», sagt der romantische Dichter Novalis, dem die Nähe von Poet und<br />
Magier nicht fremd war, «hat nahe Verwandtschaft mit dem Sinn der Weissagung<br />
und dem religiösen, dem Sehersinn überhaupt. Der Dichter ordnet,<br />
vereinigt, wählt, erfindet – und es ist ihm selbst unbegreiflich, warum<br />
gerade so und nicht anders.»<br />
Mit freundlichen Grüssen Reto Stampfli<br />
!<br />
Lyrik gilt als die Urform der Dichtung und als die persönlichste der<br />
drei Dichtungsgattungen Lyrik, Epik und Dramatik. In der Begegnung<br />
des dichterischen Individuums mit der Welt wird sein Inneres<br />
erregt und stimmungsmässig in Schwingung versetzt, das sprachlich-künstlerische<br />
Ergebnis dieses Prozesses kann dann zu unterschiedlichsten<br />
Gestaltungen führen; dementsprechend ist die Bandbreite<br />
bei den Gedichtformen recht gross.