Evonik Magazin 3/2008 - Evonik Industries
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Kat sei Dank!<br />
Wer als Chemieunternehmen über die besten Katalysatoren verfügt, kann wirtschaftlicher,<br />
umweltfreundlicher und energiesparender produzieren als die Konkurrenz<br />
TEXT DR. FRANK FRICK<br />
FOTOS TIM WEGNER<br />
DER BESUCH bei der <strong>Evonik</strong> <strong>Industries</strong><br />
AG im Industriepark Wolfgang in Hanau<br />
be ginnt entspannt: Empfangen von einem<br />
Chinesen, kreist die Unterhaltung um<br />
Ur laub in den Alpen. Small Talk mit einem<br />
Globe trotter, bevor das Gespräch dienstlich<br />
wird? Nein. Dr. Baoshu Chen verliert<br />
keine Zeit, der Ausflug in die Alpen dient<br />
nur als Vergleich, um seine Arbeit bildhaft<br />
zu erklären: „Stellen Sie sich vor, Sie wandern<br />
und wollen ein nahe gelegenes Tal<br />
erreichen“, schildert er die Ausgangslage.<br />
„Es gibt zwei Wege zum Ziel: Einer davon<br />
führt über den Gipfel eines hohen Berges.<br />
Der andere Weg führt um den Berg he -<br />
rum, und es sind nur relativ geringe Höhenunterschiede<br />
zu bewältigen. An der Weggabelung<br />
steht ein Schild, das auf diese weit<br />
weniger anstrengende Route hinweist.“<br />
Kurze Atempause. „Was für den Wanderer<br />
das Schild, das ist der Katalysator für einen<br />
chemischen Prozess.“ Und damit kennt sich<br />
Chen bestens aus, denn er ist Forschungsleiter<br />
des Geschäftsgebiets Catalysts (Katalysatoren)<br />
von <strong>Evonik</strong>.<br />
Rund 70 Prozent aller Herstellungsverfahren<br />
in der chemischen Industrie<br />
sind auf die „Schilder“ angewiesen,<br />
da runter vor allem die Basisarbeit am<br />
EVONIK-MAGAZIN 3/<strong>2008</strong> KATALYSE<br />
PRODUZIEREN 31<br />
Beginn der Wertschöpfungskette. Bezogen<br />
auf die Menge an chemischen Produkten<br />
weisen Katalysatoren sogar den Weg hin<br />
zu mehr als 90 Prozent aller chemischen<br />
Erzeugnisse.<br />
Der Weltmarkt-Umsatz für Kats – wie<br />
sie der Chemiker im Alltag gerne nennt –<br />
beträgt etwa 11 Milliarden € pro Jahr. Der<br />
Wert von Waren, die mithilfe von Kats<br />
her gestellt werden, ist um rund das 100-<br />
Fache größer: Experten schätzen ihn<br />
auf 500 bis 2.500 Milliarden € jährlich.<br />
Einer der Gründe für diese enorme Hebelwirkung:<br />
Die Katalysatoren selbst überstehen<br />
scheinbar unverändert den chemischen<br />
Prozess, dem sie die vorteilhafte<br />
Richtung weisen und dessen Geschwindigkeit<br />
sie erhöhen. „Das Schild, das dem<br />
Wanderer den Weg weist, muss auch nicht<br />
dauernd erneuert werden“, sagt Chen. Mit<br />
der Zeit allerdings altern die Kats oder verbrauchen<br />
sich allmählich.<br />
NEUE KAT-GENERATIONEN<br />
„Nahezu alle Chemie-Geschäftsbereiche<br />
von <strong>Evonik</strong> sind auf gute Katalysatoren<br />
angewiesen“, sagt Prof. Dr. Karlheinz Drauz,<br />
Abteilungsleiter Innovationsmanagement<br />
Chemie. „Daneben produzieren wir auch<br />
maßgeschneiderte Katalysatoren.“ Häufig<br />
handelt es sich bei dem Kat um einen<br />
Feststoff, während die reagierenden Stoffe<br />
Gase oder Flüssigkeiten sind. Solche Katalysatoren<br />
nennen Fachleute „heterogen“,<br />
im Unterschied zur „homogenen“ Variante:<br />
Dabei befindet sich der Kat in der gleichen<br />
Phase wie das restliche System, er ist<br />
also zum Beispiel in einer flüssigen Stoffmischung<br />
gelöst.<br />
Aufgrund ihrer Bedeutung ist klar, dass<br />
die Suche nach besseren Kats für viele Forscher<br />
von <strong>Evonik</strong> zum Alltag gehört wie<br />
das Zähneputzen. Einer davon ist Chen, ein<br />
anderer Dr. Christoph Weckbecker, Forschungsleiter<br />
eines Geschäftsgebiets, in dem<br />
sich alles um Methionin dreht. 350.000 Tonnen<br />
dieser Aminosäure kann <strong>Evonik</strong> allein<br />
jährlich als sogenanntes D,L-Gemisch produzieren,<br />
das als Futtermittelzusatz hilft,<br />
vor allem Hühner, aber auch Schweine und<br />
Rinder gesund, effektiv und umweltschonend<br />
zu ernähren.<br />
„Methionin wird in insgesamt 13 Prozessschritten<br />
aus petrochemischen Rohstoffen<br />
wie Kohlenmonoxid, Wasserstoff<br />
und Propan hergestellt – zehn davon<br />
benötigen Katalysatoren“, sagt Weckbecker.<br />
Prinzipiell ist es natürlich möglich,<br />
Anfangsschritte auf dem Weg zum Methionin<br />
auszulassen und stattdessen die Zwischenprodukte<br />
bei anderen Unternehmen<br />
einzukaufen. Ende der 1990er-Jahre<br />
beschloss das Management, mit einem eigenen<br />
Verfahren in die Produktion einzustei- >