Evonik Magazin 3/2008 - Evonik Industries
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Hydantoin, aus dem auch der Futtermittel -<br />
zusatz D,L-Methionin unmittelbar ge -<br />
wonnen wird. Als sich Wissenschaftler<br />
von <strong>Evonik</strong> an die Verfahrens entwicklung<br />
für L-Methionin machten, hatten sie<br />
bereits ein Enzym, das ihnen dieses D,L-<br />
Methionin-Hydantoin in eine Amino säure<br />
umwandelte – allerdings in die D-Form.<br />
„Mithilfe gentechnischer Methoden gelang<br />
es uns, Bakterien so umzupolen, dass sie<br />
statt des D-Enantiomeren die gewünschte<br />
L-Form lieferten“, so Drauz.<br />
Dazu isolierten die Wissenschaftler<br />
zunächst das Gen, das im natürlich vorkommenden<br />
Mikroorganismus für die Enzymherstellung<br />
verantwortlich ist. Anschließend<br />
vervielfältigten sie dieses Gen im<br />
Reagenzglas. Dabei fertigten sie allerdings<br />
keine 1:1-Kopien an, sondern bauten nach<br />
dem Zufallsprinzip jeweils gewollt Fehler<br />
ein. Diese „fehlerhaften“ – Fachsprache:<br />
mutierten – Gene schleusten sie wieder<br />
in Bakterien ein, die anschließend mutierte<br />
Abkömmlinge des natürlichen Enzyms<br />
produzierten. Nachfolgende Tests zeigten,<br />
dass darunter auch Enzyme waren, mit<br />
deren katalytischer Hilfe aus D,L-Methionin-Hydantoin<br />
die L-Aminosäure entsteht.<br />
Durch den Vergleich der künstlich<br />
erzeugten Enzyme mit dem natürlichen<br />
gewannen die Wissenschaftler wichtige<br />
Informationen, die sie nutzten, um das<br />
INFOGRAFIK: DR. DIETER DUNEKA<br />
Was ist ein Katalysator?<br />
Diffusion Diffusion<br />
Reaktion<br />
2 NO N 2 + O 2<br />
Adsorption Desorption<br />
Katalysator-Oberfl äche<br />
Ablauf einer katalytischen Reaktion<br />
zwischen Adsorption (Anreicherung)<br />
und Desorption<br />
entsprechende Gen weiter zu verändern –<br />
diesmal gezielter.<br />
„Die grundsätzliche Idee zu dem Produktionsverfahren<br />
hatten wir schon Anfang<br />
der 1990er-Jahre, aber damals waren die<br />
gentechnischen Methoden zu ihrer Umsetzung<br />
noch nicht so weit entwickelt wie heute“,<br />
erinnert sich Drauz. Und weiter: „Da<br />
muss man als Forscher schon an eine Idee<br />
glauben, wenn man rund zehn Jahre in sie<br />
investiert.“ Damit die Bakterien schließlich<br />
tatsächlich wie gewünscht in einem einzigen<br />
Schritt das reine L-Methionin herstellten,<br />
fügten die Wissenschaftler noch<br />
zwei weitere Gene in die Bakterienzelle<br />
ein, die verantwortlich für die Herstellung<br />
zweier weiterer Enzyme sind. 2002 war es<br />
dann so weit: <strong>Evonik</strong> produzierte erstmals<br />
in größeren Mengen L-Methionin auf diese<br />
biotechnologische Weise – bedeutend einfacher<br />
und kostengünstiger als durch herkömmliche<br />
Herstellverfahren.<br />
„Wir suchen stets nach dem besten Katalysator<br />
für einen Prozess. Ob es sich dabei<br />
um einen Biokatalysator, einen homogenen<br />
oder einen heterogenen Katalysator handelt,<br />
ist für uns zweitrangig“, sagt Drauz.<br />
Denn <strong>Evonik</strong> verfügt über das Know-how<br />
und die Technologien, um jede Art von Kat<br />
zu entwickeln und einzusetzen.<br />
Doch einen Unterschied gibt es: Während<br />
homogene und heterogene Kats auch<br />
Bei einer chemischen Reaktion werden in Molekülen Bindungen<br />
zwischen Atomen gebrochen und geknüpft, wobei sich neue<br />
Moleküle bilden. Katalysatoren sind Feststoffe, gelöste Feststoffe oder<br />
Flüssig keiten, die es den reagierenden Molekülen erleichtern,<br />
die alten Bindungen aufzugeben und neue Bindungen einzugehen. Sie<br />
sind damit so etwas wie „Heiratsvermittler“ – tatsächlich ist auch<br />
das chinesische Schriftzeichen für „Katalysator” vom Zeichen für das<br />
Wort „Heiratsvermittler“ abgeleitet. Ein Katalysator beeinflusst<br />
die Geschwindigkeit einer Reaktion, bleibt aber selbst unverändert.<br />
Den Produkten einer Reaktion lässt sich nicht anmerken, ob<br />
sie ohne oder mithilfe eines Katalysators hergestellt wurden.<br />
für andere Unternehmen entwickelt und<br />
produziert werden, gibt <strong>Evonik</strong> Biokatalysatoren<br />
nur in Ausnahmefällen an Kunden<br />
ab. „Ganzzellkatalysatoren müssen<br />
stets frisch hergestellt werden. Sobald sie<br />
aber den genetisch veränderten Mikroorganismus,<br />
der das entsprechende Enzym<br />
liefert, einmal aus der Hand geben, kann<br />
jeder andere Fachmann die Gene des Mikroorganismus<br />
vervielfältigen – und muss den<br />
Biokatalysator dann nicht mehr einkaufen“,<br />
begründet Drauz die Zurückhaltung.<br />
Dass die Katalyseforscher einmal<br />
darunter leiden, dass sie gleichsam die<br />
Schilder für alle Routen aufgestellt haben,<br />
ist nicht zu befürchten. Nicht nur, weil es<br />
stets Bedarf an neuen chemischen Erzeugnissen<br />
gibt, für deren Produktion es der<br />
Hilfe von Katalysatoren bedarf. Sondern<br />
auch, weil die bestehenden Erzeugnisse<br />
zunehmend nicht mehr aus Erdöl stammen<br />
werden. Denn Öl wird immer teurer und<br />
knapper. Daher werden nachwachsende<br />
Rohstoffe bedeutsamer, die zudem klimaneutral<br />
sind. „Diese Umstellung vom Öl auf<br />
andere Rohstoffquellen ist eine gewaltige<br />
Herausforderung, die ohne neue und raffinierte<br />
Katalysatoren nicht bewältigt werden<br />
kann“, ist Chen überzeugt. Angesichts<br />
solcher Aufgaben scheint es fraglich, ob er<br />
künftig noch Zeit für das Wandern in den<br />
Bergen haben wird. <<br />
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