Perspectives Déterminants Age (ans)
Perspectives Aus der «Therapeutischen Umschau» * Übersichtsarbeit Immuntherapie – Übersicht, Wirkmechanismen, Anwendung Ruben Bill und Julian Schardt, Universitätsklinik für Medizinische Onkologie, Inselspital, Bern, Schweiz Bis vor wenigen Jahren basierten onkologische Therapieansätze auf Strategien deren Angriffsziel unmittelbar die Krebszelle darstellten. Diese onkologischen Behandlungen erfolgten mehrheitlich in Form einer zytotoxischen Chemotherapie, seit der Jahrtausendwende auch mit selektiven (Tyrosin-) Kinase-Hemmern, die durch Blockieren von intrazellulären Signalwegen das Tumorwachstum unterbinden sollen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Tumorentwicklung und dessen heterogene Zusammensetzung auf zellulärer Ebene, sowie aus dem Bereich der Immunologie führten zur Entwicklung einer neuen Medikamentenklasse, den Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI). Vereinfacht lassen sich Krebserkrankungen als Krankheit von Genen interpretieren. Die Transforma tion einer gesunden Körperzelle in eine Krebszelle erfolgt zunächst durch schrittweise Akkumulation von genetischen Veränderungen (Mutationen) die zu Alterationen von intrazellulären Signalwegen führen, die das Wachstum, die Zellteilung und das Überleben einer indivi duellen Zelle innerhalb eines multizellulären Verbunds regulieren. Diese Krebszellen entwickeln * Der Artikel erschien ursprünglich in der «Therapeutischen Umschau» (2019), 76(4), 187–194. MEDISERVICE VSAO-Mitglieder können die «Therapeutische Umschau» zu äusserst günstigen Konditionen abonnieren. Details siehe unter www.hogrefe.ch/downloads/vsao. sich sowohl genotypisch wie auch phänotypisch durch Mutation und Selektion ähnlich eines evolutionären Prozesses stetig weiter fort um sich immer besser dem lokalen Milieu anzupassen oder im weiteren Krankheitsverlauf an entfernten Körperregionen Metastasen auszubilden. Neben zellautonomen Eigenschaften einer Krebszelle wie genetische und epigenetische Veränderungen spielen während der Tumorevolution komplexe Interaktionen der Krebszellen mit den unmittelbar umliegenden Gewebezellen (nicht-transformierten Zellen) eine entscheidende Rolle. Bei diesen nicht-transformierten Zellen innerhalb eines Tumors handelt es sich beispielsweise um Bindegewebszellen (Fibroblasten), blutgefässbildende Zellen (Endothelzellen) und Zellen des angeborenen und erworbenen Immunsystems (z. B. Makrophagen oder T-Lymphozyten) [1]. Als zukunftsweisende Therapiestrategie sollte sich die Aktivierung des körpereigenen Immunsystems gegen den Tumor erweisen. Eine wachsende Anzahl neuer Immuntherapeutika, den sogenannten ICI haben seither die Krebsbehandlung revolutioniert. Die erste Zulassung eines Vertreters dieser neuen Medikamentenklasse erfolgte 2011 durch die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) für Ipilimumab, einem monoklonalen Antikörper gegen cytotoxic T-lymphocyte associated protein 4 (CTLA-4) zur Behandlung des metastasierten Melanoms. Spätestens seit der Verleihung des <strong>No</strong>belpreises für Physiologie und Medizin 2018 an den Amerikaner James Allison und den Japaner Tasuku Honjo für die Erforschung der Immunecheckpoints, die damit die naturwissenschaftliche Grundlage für Substanzen wie Ipilimumab legten, ist der Begriff der Immuntherapie einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die verschiedenen therapeutischen Ansätze, wie das körpereigene Immunsystem zur Bekämpfung der Krebszellen genutzt werden kann, lassen sich in drei Kategorien einteilen: 1. ICI, monoklonale Antikörper, die durch die Hemmung von spezifischen Liganden-Rezeptor Interaktionen (Immunecheckpoints) eine Immunantwort gegen den Tumor auslösen können [2]. 2. Transfer autologer (körpereigener) T-Lymphozyten: Einerseits gehören hierzu die sogenannten chimeric antigen receptor (CAR)-T Zellen, welche autologe und ex vivo gentechnologisch mit einem definierten Antigen-Rezeptor transfizierte T-Lymphozyten darstellen. Andererseits können Tumor-infiltrierende T-Zellen (TILs) beispielsweise aus einer chirurgisch entfernten Metastase ex vivo expandiert und anschliessend demselben Patienten, dem die Metastase entfernt wurde, re-infundiert werden [3]. 3. Impfungen gegen bereits bestehende Tumore mit dem Ziel, zytotoxische T-Lymphozyten gegen Tumor-spezifische Antigene zu stimulieren [4]. Die Behandlungen mit CAR-T Zellen, Tumor infiltrierenden Lymphozyten (TILs) oder Krebs-Impfungen erfolgt aktuell nur an hochspezialisierten Zentren und zumeist im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien. In dem vorliegenden Artikel möchten wir daher primär auf die ICI näher eingehen und Grundzüge der Wirkmechanismen, sowie die klinischen Implikationen weiter aus führen. VSAO /<strong>ASMAC</strong> Journal 1/20 31