AURUM 2021_online
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
IHR RECHT
LAW & ORDER
BEGRÜNDUNGSPLICHT
VON ENTSCHEIDUNGEN
DES VERFASSUNGS
GERICHTSHOFES?
„Bezeichnenderweise muss sich der Verfassungsgerichtshof nunmehr -
nachdem er selbst der derzeitigen Regierung vorgeworfen hat, dass diese
ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen ist (Covid 19 Gesetze
und Verordnungen) - gefallen lassen, gerade wegen Verletzung der
Begründungspflicht (Art 6 EMRK) nunmehr selbst überprüft zu werden.“
IN DER LETZTEN AUSGABE von AURUM 999,9 habe ich aufgezeigt,
warum zahlreiche Covid 19 Verordnungen vom Verfassungsgerichtshof
aufgehoben wurden. Im Wesentlichen geht es darum, dass aus Sicht der
Verfassung ein Eingriff in die verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte
nur dann zulässig ist, wenn sie ausreichend dokumentiert sind und die
Beweggründe für die Eingriffe klar und eindeutig nachzuvollziehen sind.
Es ist daher von den Rechtsanwendern gefordert, ihre Gesetze, Verordnungen
und auch die Entscheidungen aller Behörden und Gerichte
entsprechend klar und nachvollziehbar zu begründen.
Wie steht es aber mit der Begründungspflicht von Entscheidungen
des Verfassungsgerichtshofes selbst?
Derzeit steht der Verfassungsgerichtshof selbst beim EGMR (Europäischer
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg) auf dem Prüfstand.
Ein Malermeister aus Linz bekämpft derzeit gerade eine Entscheidung
des Verfassungsgerichtshofes in welcher die Beschwerde durch den
VfGH mit der Begründung abgewiesen wurde, dass keine ausreichenden
Erfolgsaussichten bestehen würden. Der Malermeister wandte sich an
den EGMR mit der Begründung, dass der Verfassungsgerichtshof - obwohl
er eine Regelung der „Europäischen Union“ des Fern- und Auswärtsgeschäftegesetzes
verteidigte - zu fragen wäre, warum er es unterlassen
habe, sich an den EuGH (Europäischen Gerichtshof) um eine
Vorabentscheidung zu wenden. Mit dieser Vorabentscheidung hätte
überprüft werden können, ob die Grundrechte eingehalten worden sind.
Bereits 2019 hat der EGMR Nachstehendes ausgesprochen: „Die
Entscheidung eines nationalen Gerichts, dem EuGH eine von einer
Verfahrenspartei unterbreitete Frage nicht zur Vorabentscheidung vorzulegen,
kann unter gewissen Umständen die Fairness des Verfahrens
im Sinne des Art 6 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention)
beeinträchtigen, wenn diese Entscheidung nicht ordnungsgemäß begründet
wurde. Die Verpflichtung zur Angabe von Gründen darf jedoch
nicht so verstanden werden, dass sie eine detaillierte Antwort
auf jedes vorgetragene Argument erfordern würde und muss anhand
der Umstände des konkreten Einzelfalls bestimmt werden. EGMR
11.4.2019 Bsw 50.053/16 (fünfte Kammer)“
(1) Jedermann hat Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise
öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar
von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden
Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder
über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage
zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden,
jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten
Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit,
der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem
demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen
von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien
es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die
öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen
würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts
erforderlichen Umfang.
(2) Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass
der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.
(3) Jeder Angeklagte hat mindestens (englischer Text) insbesondere
(französischer Text) die folgenden Rechte:
a) in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in
allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen
Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden;
b) über ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner
Verteidigung zu verfügen;
c) sich selbst zu verteidigen oder den Beistand eines Verteidigers seiner
Wahl zu erhalten und, falls er nicht über die Mittel zur Bezahlung eines
Verteidigers verfügt, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers
zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d) Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und
die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben
Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken;
e) die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn
der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht
oder sich nicht darin ausdrücken kann."
text by
DR. KLAUS BURKA
Rechtsanwalt/Immobilientreuhänder
Auch die Beschwerde des Malermeisters wurde nunmehr angenommen
und es bleibt abzuwarten, wie entschieden werden wird. Jedenfalls ist es
erfrischend, zu sehen, dass sich auch die Höchstgerichte an gewisse Vorgaben
halten müssen und Beschwerden von der rechtssuchenden Bevölkerung
nicht einfach ohne ausreichende Begründung abschmettern
dürfen und können.
Vergleiche dazu: „Artikel 6 EMRK – Recht auf ein faires Verfahren
Bezeichnenderweise muss sich der Verfassungsgerichtshof nunmehr -
nachdem er selbst der derzeitigen Regierung vorgeworfen hat, dass diese
ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen ist (Covid 19 Gesetze
und Verordnungen) - gefallen lassen, gerade wegen Verletzung der Begründungspflicht
(Art 6 EMRK) nunmehr selbst überprüft zu werden.
Aus dem Artikel 6 EMRK wird auch die Begründungspflicht von jeglichen
Entscheidungen, auch die der nationalen Höchstgerichte abgeleitet.
Es bleibt abzuwarten wie der EGMR entscheiden wird.
Für etwaige Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.
Ihr Dr. Klaus Burka
Rechtsanwalt
106
107