Bauherr Bozner Brau Gmbh Architekt Christoph Mayr Fingerle Mitarbeiter Christian Rübbert Farbkonzept Manfred Alois Mayr Bauzeit 2003
turrisbabel 60 Oktober Ottobre 2003 Umbau der Erweiterung des „Batzenhäusl“ in Bozen – De Architectura Bars / Bar 67 Das Thema „Wein“ soll sich in all seinen Facetten und Nuancen im Raum widerspiegeln, ohne aufdringlich zu wirken und sich erst „auf den zweiten Blick“ erschließen. Ausführung Mit einer Verbreiterung der Maueröffnung zum Hof und einer Verglasung zur Straße wird die Orientierung des Raumes von seiner Quer- in seine Längsrichtung gedreht. Diese Lösung lag nicht unbedingt nahe, denn sie erfordert den teilweisen Verzicht auf vier Fenster in dem nicht gerade hellen Raum. Die westliche Außenwand wird auf einer Breite von 5.50 m durchbrochen und der bestehende Balkon mit Erschließungstreppe für die oberen Geschosse wird ersetzt durch einen neuen Betonkörper, der den Übergang zum Hof noch einmal speziell thematisiert. Der neue Betonkörper ist das Bindeglied zwischen Innenraum und Hof, er nimmt das geforderte Behinderten-WC sowie einen Abstellraum auf und dient zugleich als Balkon und Erschließungselement für die oberen Geschosse. Formal knüpft er an die in Bozen typischen mittelalterlichen Erschließungstreppen an, die außenliegend aus dem Straßenraum in das erste Obergeschoss führen. Mit einem leichten Knick an der Seite schafft er die Richtungsumlenkung und Öffnung zum Hof. Die Schiebeelemente lassen die rahmenlose Glasfassade in einer Nische völlig verschwinden und ermöglichen einen schwellenlosen Übergang zum Gastgarten (dieses Element wurde speziell für dieses Projekt entwickelt). Bei geöffneter Glasfassade wird die räumliche Trennung zwischen Innen und Außen vollständig aufgehoben. Plötzlich entsteht ein Raumkontinuum von der Batzenhäuslgasse durch das Lokal weiter ebenerdig zum Innenhof. Der Raum zeigt sich vollkommen verändert, er ist jetzt luftig, offen und einladend. Die drei großen Unterzüge werden gestalterisch und farblich in die Decke integriert. Es werden die Zwischenräume der Deckenbalken freigelegt und in einem zweiten Schritt sowohl Balken als auch Unterzüge einheitlich verkleidet und gestrichen. Die Unterzüge sind jetzt konstruktiv lesbar, weniger dominant und in die Deckenstruktur eingebunden. Die gesamte Decke ist optisch angehoben, die Raumhöhe vergrößert sich dadurch zumindest partiell um 20cm und verleiht dem Raum eine leichte Hallenwirkung. Das Weinregal entlang der Wand bildet das Rückgrat der Möblierung und formuliert das Thema des langgezogenen Raumes, was durch die parallele Ausrichtung des Holzbodens und der Tische verstärkt wird. Aufgrund der geringen Raumhöhe wurde entschieden, auf punktuelle auf die Tische bezogene Hängeleuchten zu verzichten, ebenso auf Leuchten die mit einem eigenem „Stimmungskörper“ ihre Präsenz markieren. Das Lokal wird direkt und indirekt ausgeleuchtet: Die indirekte Beleuchtung aus der langen Brüstungswand und hinter dem Weinregal erweitert optisch den Raum und liefert die Grundstimmung, während die direkte und dimmbare Deckenbeleuchtung an die sich ändernde Lokalatmosphäre angepasst werden kann. Glasklare Glühbirnen hängen wie leere Weingläser von der Decke; sie sind im ausgeschalteten Zustand fast unsichtbar, was störungsfreie Blickachsen ermöglicht und so die Transparenz im Raum fördert. Verschiedene Möbel und die Deckenleuchten wurden eigens auf Maß angefertigt. Über das Material Eiche sowohl des Regals, der Tische, Bänke und der mit Wein gefärbten Holzbrüstung bei der Stiege wird ein direkter Bezug zum Wein geschaffen. Die Stühle in schwarz lackiertem Holz sind ein Entwurf (1926) des Schweizer Architekten Max Ernst Haefeli. Die Authenzität der verwendeten Materialien soll auf die Authentizität und Qualität des Weines verweisen. Damit der Raum als höher wahrgenommen wird, sind die Sitzbänke um 5 cm niedriger als normal ausgeführt – 41 cm statt der üblichen 46 cm Sitzhöhe. Material und Farbe Die Material- und Farbgestaltung steht inhaltlich in Zusammenhang mit der Thematik Wein sowie der alten Bausubstanz. Detailliert werden folgende Bereiche untersucht und berücksichtigt: die Raumhöhe, Größe sowie Lage des Raumes (teils ebenerdig – teils unter dem Erdniveau), die Lichtsituation – der Lichteinfall, die gedämpfte Tageslichtversorgung und die künstliche direkte und indirekte Belichtung. Der Wein als „Grundmaterial“ erfordert einen gezielten Umgang mit archaischen Elementen. Für die Farbwahl ausschlaggebend ist der Produktionsprozess, vom Anbau der Rebe bis zur Herstellung des Weines. Der Ort wo der Wein wächst, der Weinberg, die Erde, die mit Kupfervitriol getränkten, silbergrauen Kastanienpfähle der Pergl u.s.w. Wesentliche Einflussfaktoren sind die architektonischen Vorgaben wie Raumöffnungen und Fenster, die Tageslichtsituation – bei bedecktem Himmel und bei direkter Besonnung und somit die Helligkeitsschwankungen. Es geht darum, den Raum bzw. das Weinlokal so zu „färben“, dass er primär Alltäglichkeit ermöglicht und zweitens das „Wein-trinken“ begleitet und charakterisiert. Im Inneren und Äußeren des Weinlokals werden natürliche, teils unbehandelte Materialien wie Eichenholz und Sichtbeton verwendet, welche sich im wechselnden Tageslicht an der Oberflächentextur laufend ändern, von lichtreflektie- rend-strukturiert bis körperhaft-massiv. Als Ausgangslage für das Farbkonzept dient die „Selbstverständlichkeit“ der schon vorgefundenen traditionellen Koloristik der alten Bausubstanz des Batzenhäusl. Dazu kommt die Farbe als Bedeutungsträger – die eingesetzte Weinfarbe selbst, als natürlicher Farbstoff, und die Materialfarbe der Weinfässer, das Eichenholz.