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turrisbabel 60 Oktober Ottobre 2003 Umbau der Erweiterung des „Batzenhäusl“ in Bozen – De Architectura Bars / Bar 67<br />

Das Thema „Wein“ soll sich in all seinen<br />

Facetten und Nuancen im Raum widerspiegeln,<br />

ohne aufdringlich zu wirken und sich<br />

erst „auf den zweiten Blick“ erschließen.<br />

Ausführung<br />

Mit einer Verbreiterung der Maueröffnung<br />

zum Hof und einer Verglasung zur Straße<br />

wird die Orientierung des Raumes von seiner<br />

Quer- in seine Längsrichtung gedreht.<br />

Diese Lösung lag nicht unbedingt nahe,<br />

denn sie erfordert den teilweisen Verzicht<br />

auf vier Fenster in dem nicht gerade hellen<br />

Raum. Die westliche Außenwand wird<br />

auf einer Breite von 5.50 m durchbrochen<br />

und der bestehende Balkon mit Erschließungstreppe<br />

für die oberen Geschosse<br />

wird ersetzt durch einen neuen Betonkörper,<br />

der den Übergang zum Hof noch einmal<br />

speziell thematisiert. Der neue Betonkörper<br />

ist das Bindeglied zwischen Innenraum<br />

und Hof, er nimmt das geforderte<br />

Behinderten-WC sowie einen Abstellraum<br />

auf und dient zugleich als Balkon<br />

und Erschließungselement für die oberen<br />

Geschosse. Formal knüpft er an die in<br />

Bozen typischen mittelalterlichen Erschließungstreppen<br />

an, die außenliegend aus<br />

dem Straßenraum in das erste Obergeschoss<br />

führen. Mit einem leichten Knick<br />

an der Seite schafft er die Richtungsumlenkung<br />

und Öffnung zum Hof. Die Schiebeelemente<br />

lassen die rahmenlose Glasfassade<br />

in einer Nische völlig verschwinden und<br />

ermöglichen einen schwellenlosen Übergang<br />

zum Gastgarten (dieses Element<br />

wurde speziell für dieses Projekt entwickelt).<br />

Bei geöffneter Glasfassade wird die räumliche<br />

Trennung zwischen Innen und Außen<br />

vollständig aufgehoben. Plötzlich entsteht<br />

ein Raumkontinuum von der Batzenhäuslgasse<br />

durch das Lokal weiter ebenerdig<br />

zum Innenhof. Der Raum zeigt sich vollkommen<br />

verändert, er ist jetzt luftig, offen<br />

und einladend. Die drei großen Unterzüge<br />

werden gestalterisch und farblich in die<br />

Decke integriert. Es werden die Zwischenräume<br />

der Deckenbalken freigelegt und<br />

in einem zweiten Schritt sowohl Balken<br />

als auch Unterzüge einheitlich verkleidet<br />

und gestrichen. Die Unterzüge sind jetzt<br />

konstruktiv lesbar, weniger dominant und<br />

in die Deckenstruktur eingebunden.<br />

Die gesamte Decke ist optisch angehoben,<br />

die Raumhöhe vergrößert sich dadurch<br />

zumindest partiell um 20cm und verleiht<br />

dem Raum eine leichte Hallenwirkung.<br />

Das Weinregal entlang der Wand bildet<br />

das Rückgrat der Möblierung und formuliert<br />

das Thema des langgezogenen Raumes,<br />

was durch die parallele Ausrichtung<br />

des Holzbodens und der Tische verstärkt<br />

wird. Aufgrund der geringen Raumhöhe<br />

wurde entschieden, auf punktuelle auf die<br />

Tische bezogene Hängeleuchten zu verzichten,<br />

ebenso auf Leuchten die mit einem<br />

eigenem „Stimmungskörper“ ihre Präsenz<br />

markieren. Das Lokal wird direkt und indirekt<br />

ausgeleuchtet: Die indirekte Beleuchtung<br />

aus der langen Brüstungswand und<br />

hinter dem Weinregal erweitert optisch<br />

den Raum und liefert die Grundstimmung,<br />

während die direkte und dimmbare Deckenbeleuchtung<br />

an die sich ändernde<br />

Lokalatmosphäre angepasst werden kann.<br />

Glasklare Glühbirnen hängen wie leere<br />

Weingläser von der Decke; sie sind im ausgeschalteten<br />

Zustand fast unsichtbar, was<br />

störungsfreie Blickachsen ermöglicht und<br />

so die Transparenz im Raum fördert.<br />

Verschiedene Möbel und die Deckenleuchten<br />

wurden eigens auf Maß angefertigt.<br />

Über das Material Eiche sowohl des Regals,<br />

der Tische, Bänke und der mit Wein gefärbten<br />

Holzbrüstung bei der Stiege wird ein<br />

direkter Bezug zum Wein geschaffen. Die<br />

Stühle in schwarz lackiertem Holz sind ein<br />

Entwurf (1926) des Schweizer Architekten<br />

Max Ernst Haefeli. Die Authenzität der verwendeten<br />

Materialien soll auf die Authentizität<br />

und Qualität des Weines verweisen.<br />

Damit der Raum als höher wahrgenommen<br />

wird, sind die Sitzbänke um 5 cm niedriger<br />

als normal ausgeführt – 41 cm statt der<br />

üblichen 46 cm Sitzhöhe.<br />

Material und Farbe<br />

Die Material- und Farbgestaltung steht<br />

inhaltlich in Zusammenhang mit der Thematik<br />

Wein sowie der alten Bausubstanz.<br />

Detailliert werden folgende Bereiche untersucht<br />

und berücksichtigt: die Raumhöhe,<br />

Größe sowie Lage des Raumes (teils<br />

ebenerdig – teils unter dem Erdniveau),<br />

die Lichtsituation – der Lichteinfall, die gedämpfte<br />

Tageslichtversorgung und die<br />

künstliche direkte und indirekte Belichtung.<br />

Der Wein als „Grundmaterial“ erfordert<br />

einen gezielten Umgang mit archaischen<br />

Elementen. Für die Farbwahl ausschlaggebend<br />

ist der Produktionsprozess, vom<br />

Anbau der Rebe bis zur Herstellung des<br />

Weines. Der Ort wo der Wein wächst, der<br />

Weinberg, die Erde, die mit Kupfervitriol<br />

getränkten, silbergrauen Kastanienpfähle<br />

der Pergl u.s.w. Wesentliche Einflussfaktoren<br />

sind die architektonischen Vorgaben<br />

wie Raumöffnungen und Fenster, die Tageslichtsituation<br />

– bei bedecktem Himmel und<br />

bei direkter Besonnung und somit die Helligkeitsschwankungen.<br />

Es geht darum, den<br />

Raum bzw. das Weinlokal so zu „färben“,<br />

dass er primär Alltäglichkeit ermöglicht<br />

und zweitens das „Wein-trinken“ begleitet<br />

und charakterisiert. Im Inneren und Äußeren<br />

des Weinlokals werden natürliche, teils<br />

unbehandelte Materialien wie Eichenholz<br />

und Sichtbeton verwendet, welche sich im<br />

wechselnden Tageslicht an der Oberflächentextur<br />

laufend ändern, von lichtreflektie-<br />

rend-strukturiert bis körperhaft-massiv.<br />

Als Ausgangslage für das Farbkonzept<br />

dient die „Selbstverständlichkeit“ der<br />

schon vorgefundenen traditionellen Koloristik<br />

der alten Bausubstanz des Batzenhäusl.<br />

Dazu kommt die Farbe als Bedeutungsträger<br />

– die eingesetzte Weinfarbe selbst, als<br />

natürlicher Farbstoff, und die Materialfarbe<br />

der Weinfässer, das Eichenholz.

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