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72 De Architectura Bars / Bar<br />
Wolfgang Piller<br />
Gasthof Figl<br />
Die alte Stube im 1. Stock auszubauen und<br />
deren Teile ebenerdig wiederzuverwenden,<br />
kam für mich nicht in Frage. Es war eine<br />
Einrichtung auf Maß für einen bestimmten<br />
Zweck, an einem bestimmten Ort angefertigt.<br />
Es ging hier um Authentizität gewissermaßen.<br />
Dass es anders kam, hat zwei<br />
Gründe: Zum Einen wollte der Bauherr<br />
die Gasträume aus betrieblichen Überlegungen<br />
zu Recht im Erdgeschoss angeordnet<br />
wissen, zum Anderen musste im<br />
Zuge der Umbauarbeiten die gesamte<br />
Stubentäfelung abgenommen werden, um<br />
nicht im Regen zu stehen. So machte man<br />
aus der Not eine Tugend und montierte mit<br />
einigen Nachbesserungen, Ergänzungen<br />
und Zuschnitten das Ganze im Gastlokal.<br />
Wir haben auf Kontrast gesetzt und die<br />
restlichen Einbauten, wie Theke, Rezeption,<br />
usw. aus glattem gebürsteten Inox aus-<br />
Oktober Ottobre 2003 turrisbabel 60<br />
geführt und alles auf einen pflegeleichten<br />
Terrazzoboden gestellt. Auch die Verbindung<br />
zwischen Außen und Innen war wichtig.<br />
Der Übergang vom Gastlokal in den seit<br />
jeher beliebten Gastgarten ist durch die<br />
großflächigen Glastüren fließend, das<br />
schattenspendende Sonnensegel und die<br />
Oleandren schaffen ein heimeliges überdachtes<br />
„Platzl“. Das Figl hatte – wie alle<br />
Traditionslokale – seine Stammkunden.<br />
Das Besondere an dieser Klientel war<br />
die soziale Durchmischung – vom Rechtsanwalt<br />
zum Sandler, vom verkrachten<br />
Künstler zur einsamen Pensionistin (mit<br />
Hund), vom Friseur zum Studenten, von<br />
der Nutte zum Polizisten, alle waren da<br />
als Spiegelbild der Gesellschaft. Sie sind<br />
nach dem Umbau wiedergekommen,<br />
wohl auch, weil die Wirtsleute für jede<br />
und jeden immer ein offenes Ohr haben.