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Titelthema: Moosfrösche

ForschungDie Salamandra

ForschungDie Salamandra ist eine der führenden herpetologischen Fachzeitschriften derWelt. Sie hat einen sehr hohen Impact factor von aktuell 1,765 und wird vonder DGHT als reines Online-Magazin auf Englisch herausgegeben. Die auf derWebseite www.salamandra-journal.com zum PDF-Download angebotenen Arbeitenstellen wir Ihnen in dieser Rubrik in Kurzform vor.SalamandraEin neuer, zugleich altbekannterTaggecko aus MadagaskarPhelsumen mit Augenflecken verkörpern unter den Madagaskar-Taggeckoseine eigene Artengruppe – könnte manmeinen. Dass genau das aber nicht der Fall ist, belegenGehring et al. (2022) anhand von molekulargenetischenUntersuchungen. Demnach hat sich das Merkmal auffälliger,runder, schwarzer, leuchtend blau umrandeter Flecken aufder Körperseite direkt hinter den Vorderbeinen unabhängigvoneinander bei mehreren Taxa entwickelt. Und so erklärt essich, warum die von den Autoren neu beschriebene UnterartPhelsuma dorsivittata paradoxa mehr Ähnlichkeiten mit P. parvaund P. quadriocellata aufweist als mit ihrer genetisch engstenVerwandten, P. d. dorsivittata. Das neue Taxon bleibt deutlichkleiner als die meisten anderen Vertreter der P.-lineata-Gruppeund ist von der besonders ähnlichen P. parva u. a. durch einendeutlich ausgeprägten, dunklen Präfemoralfleck differenziert.Phelsuma d. paradoxa ist schon seit Mitte der 1970er-Jahre vonihrer Heimatinsel Nosy Be bekannt, und ihre genetische Eigenständigkeitkönnte der Grund sein, warum so manchesterraristisches Zuchtprojekt mit vermeintlichen P. parva oderquadriocellata unterschiedlicher Herkunft fehlgeschlagen ist.Weiterhin erheben die Verfasser P. lineata punctulata zu einereigenständigen Art, Phelsuma punctulata.LiteraturGehring, P.-S., J.H. Razafindraibe, M. Vences & F. Glaw (2022):Day geckos (Phelsuma) in northern Madagascar: first step toresolve a paradoxical case of mitochondrial paraphyly andmorphological differentiation. – Salamandra 58(2): 83–100.Phelsuma dorsivittata paradoxa heißt eine neu beschriebeneTaggecko-Unterart Foto: H.-P. BerghofFortpflanzung bei Phelsuma inexpectataVon vielen Phelsumenarten existieren Fortpflanzungsdatennur aus der Terrarienhaltung, kaum von Freilandbeobachtungen.Choeur et al. (2020) überwachten über 30 Monatehinweg die Eiablagestellen von Phelsuma inexpectata auf derInsel Réunion im westlichen Indischen Ozean, wo die Artals kritisch gefährdet gilt. Auf diese Weise sammelten dieAutoren Daten zur Saisonalität, Synchronisierung und gemeinschaftlicheNutzung von Hohlräumen bei der Eiablagesowie zum Schlupferfolg und zu Bedrohungsfaktoren wieNesträuber und Wetterphänomene. Mit diesen Daten lassensich Schutzmaßnahmen wie die gezielte Bekämpfung voneingeschleppten Fressfeinden und die kontrollierte Aufzuchtvon Schlüpflingen bestmöglich planen und zeitlich richtigeinsetzen.LiteraturChoeur, A., J. Clémencet, M. Le Corre & M. Sanchez (2022): Evidenceof seasonal reproduction, laying site fidelity, and ovipositionsynchronicity in the critically endangered endemic Manapanyday gecko (Phelsuma inexpectata) from Réunion Island (westernIndian Ocean). – Salamandra 58(2): 116–122.Pinocchio-EchsenNasenfortsätze sind spektakuläre Erscheinungen, die auchbei manchen Echsen, Schlangen und Fröschen auftreten.Über die Funktion existieren unterschiedliche Theorien, invielen Fällen dienen solche Auswüchse der Tarnung (z. B.Zipfelkrötenfrösche) oder einer optischen Vergrößerung derMännchen bei der Partnerwerbung und beim innerartlichemImponierverhalten, teils auch der Effektivitätssteigerung beider Thermoregulation. Unter den Echsen sind Nasenfortsätzevor allem bei Agamen und Chamäleons in der Alten Welt,aber auch bei mindestens drei Anolis-Arten in der Neuen Weltzu finden – was zeigt, dass es sich um konvergente Evolutionhandelt, die keinesfalls eine nähere Verwandtschaft belegt.Im Pariser Naturhistorischen Museum (MNHN) befindetsich ein Trockenpräparat einer angeblich von der Insel Javastammenden Agame, Harpesaurus tricinctus, die seit ihrerBeschreibung 1851 und trotz ihrer Gesamtlänge von 25 cmnie wieder gefunden wurde und daher als ausgestorben gilt.Sie sticht durch einen langen, sichelförmigen Nasenfortsatzhervor. Ineich et al. (2022) geben einen Überblick über das48

Forschung(2022) in Tansania und konnten tatsächlich bestätigen, dass70 % der aus ihren Spalten geborgenen Tiere so reagierenund dass der ausgestoßene Kot zu 82 % aus Wasser besteht.Dieser erhebliche Wasserverlust ist vor allem während derlangen Trockenzeit überaus kritisch, da er sich dann nurschwer ersetzen lässt. Die Autoren empfehlen dringend,Feldforschungen bei dieser Art auf die Regenzeit und dasHandling dieser Schildkröten auf das absolut unvermeidbareMaß zu beschränken.Der Nasenfortsatz von Anolis proboscis ist flexibel, wiesich bei der Nahrungsaufnahme zeigt Foto: M. VencesAuftreten von „Nasenschmuck“ bei Reptilien und gehen derFrage nach, inwieweit sich die ökologischen Kenntnisse überähnlich „gezierte“ Arten zum Erstellen von Suchkriterienfür den verschollenen H. tricinctus eignen könnten. Hierzubietet sich ein baumbewohnender Anolis mit schwertförmigemNasenfortsatz (Anolis proboscis) an, über den in denletzten Jahren viele neue Feldbeobachtungen gelangen. DieAutoren regen nun an, die Suche nach H. tricinctus auf alleGroßen Sundainseln Indonesiens auszuweiten, dabei besondersBergwälder über 1.000 m zu berücksichtigen und vorallem moos- und flechtenbewachsene Baumkronen mit demFernglas abzusuchen.LiteraturIneich, I., T. Koppetsch & W. Böhme (2022): Pinocchio lizards andother rostral appendage bearing lizards − the peculiar habitusof the draconine agamid Harpesaurus tricinctus with highlightson its ecological implications and convergence with its NewWorld equivalent, the dactyloid Anolis proboscis. – Salamandra58(2): 123–138.Berührungsängste bei der SpaltenschildkröteDie in Kenia, Tansania und Sambia heimische und mittlerweilekritisch gefährdete Spaltenschildkröte, Malacochersustornieri, steht unter hohem Druck durch illegales Absammelnund ist wegen ihrer einzigartigen Gestalt und Lebensweiseauch für die Forschung von Interesse. Ihren Trivialnamenverdankt sie der Eigenschaft, sich in sehr engen Felsspaltenzu verstecken und regelrecht zu verkeilen, sodass sie nur miterheblichem Aufwand zu bergen ist. Gewöhnlich reagiert sieauf Berührungsstress mit der Abgabe von wässerigem Kot.Die physiologischen Folgen untersuchten nun Shoo et al.LiteraturShoo, R., M. Nassoro & R.T. Mwaya (2022): The effects of handlingon natural populations of the critically endangered PancakeTortoise, Malacochersus tornieri, (Testudines: Testudinidae). –Salamandra 58(2): 151–156.Auswilderungserfolge bei Geocheloneplatynota in MyanmarDie Burma-Sternschildkrötezählt durch großflächigenLebensraumverlust und dasillegale Absammeln für denVerzehr, aber auch den Exportin der traditionellen chinesischenMedizin oder iminternationalen Tierhandel zuden 25 weltweit am stärkstenbedrohten Schildkröten. Seitden frühen 2000er-Jahren istGeochelone platynota in weitenTeilen Myanmars selbst inJungtier von Geochelone platynotaals Beleg für die gelungeneAuswilderung Foto:S.H.N. AungSchutzgebieten ausgerottet. Es wurden mittlerweile auch Erhaltungszuchtprojektefür Wiederansiedlungen eingerichtet,über deren Erfolg Platt et al. (2022) berichten. In den Zuchtanlagenvor Ort schlüpfen jährlich 1.000–2.000 Jungtiere, undbislang wurden nach 3–5 Jahren Aufzucht insgesamt rund2.800 Exemplare in zwei Naturreservaten ausgesetzt, wo siemit erheblichem Personalaufwand kontinuierlich überwachtwerden. Seit 2017 werden auch in Gefangenschaft ablegteEier an geeigneten Stellen „ausgewildert“, wo sie sich unterFreilandbedingungen entwickeln können. Besenderte Kontrolltiereund sowohl die im natürlichen Habitat nistendenWeibchen als auch die in der Natur entdeckten Gelegeresteund frisch geschlüpften Jungtiere lassen bisher einen Erfolgdieser Maßnahmen annehmen. Da die Schildkröten erst ineinem Alter von 5–6 Jahren geschlechtsreif werden und dieWeibchen 1–6 mal jährlich durchschnittlich nur vier Eierlegen, kann der Erfolg des Projekt aber wohl erst in einigenJahren abschließend beurteilt werden.LiteraturSpaltenschildkröte in ihrem Felsenversteck Foto: R. MwayaPlatt, S.G., S.H N. Aung, M.M. Soe, T. Lwin, K. Platt, A.D. Walde& T.R. Rainwater (2022): Reproduction of translocatedGeochelone platynota at two wildlife sanctuaries in Myanmar. –Salamandra 58(2): 161–165.49

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