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ZOOM<br />
21<br />
Girisha Fernando ist seit Jahrzehnten ein aktiver Bestandteil der Augsburger Musik- und Kulturszene.<br />
Er ist Musiker, Produzent, Komponist, hat ein eigenes Studio, war Booker und veranstaltete eigene<br />
Clubreihen. Seit einigen Jahren hat sich Girisha Fernando vor allem als Kurator des Festivals der<br />
Kulturen und als künstlerischer Leiter des Brechtfestivals einen Namen gemacht.<br />
Interview: Walter Sianos<br />
Girisha, du bist in London, der Hauptstadt<br />
des Pop, aufgewachsen. Inwiefern hat dich<br />
diese Stadt musikalisch geprägt?<br />
Ich habe meine Kindheit in London verbracht<br />
und als ich elf Jahre alt war, bin ich mit<br />
meiner Familie nach Deutschland gezogen. Nach<br />
dem Abi bin ich dann wieder nach London und<br />
war dort als Straßenmusiker unterwegs. Damals<br />
fanden viele Sessions in der Portobello Road<br />
oder am Leicester Square statt, ich habe viel mit<br />
afrikanischen und südamerikanischen Musikern<br />
gespielt und mit Keziah Jones gejammt. Seal hat<br />
öfter zugehört und ich habe einmal sogar kurz<br />
mit Nick Cave in einem Pub gesprochen.<br />
Nick Cave?<br />
Ja, tatsächlich (lacht)! Ich kann mich an eine<br />
Situation während eines Straßenjams erinnern,<br />
als ein Saxofonist auf die Uhr sah und meinte,<br />
er müsse jetzt los, weil er heute noch einen Gig<br />
hätte. Es stellte sich heraus, dass er mit Björk<br />
als Special Guest von U2 im Wembley-Stadion<br />
zu spielen hatte. Die Straßenmusikerszene war<br />
damals sehr durchlässig, wenn man täglich um<br />
sein Essen spielte, war das große Music Business<br />
gefühlt nur ein paar Straßen weiter. Diese Jahre<br />
waren spannend und inspirierend, in den 90ern<br />
war die englische Metropole eine sehr groovebetonte<br />
Stadt. Acid Jazz und Soul waren das<br />
große Ding und das hat mich musikalisch schon<br />
sehr geprägt.<br />
Du warst also viel zwischen Augsburg und<br />
London unterwegs, hast zwischen den Grenzen<br />
gelebt. Das gilt für das reale Leben genau<br />
wie für die Musikwelt.<br />
Und in Sri Lanka, wo ich auch zwei Jahre<br />
meiner Kindheit verbracht habe. In diese Region<br />
zieht es mich auch immer wieder hin. Ich fand<br />
es cool, zwischen den Kulturen zu leben, aber<br />
es bleibt auch stets eine “undercurrent”, sich nirgends<br />
richtig zugehörig zu fühlen. Musik wird<br />
dann zur Heimat.<br />
In London wurde der Punk erfunden und<br />
zog von dort in die Welt hinaus. Hat dich<br />
diese Welle nie erfasst?<br />
Dann schon, aber eher der Post-Punk und<br />
die 80er Jahre Indie-Bewegung. Bands wie The<br />
Smiths, The Cure oder die Pixies.<br />
Ende der 80er habe ich dich das erste Mal mit<br />
deiner damaligen Band Seafood Creamsoup<br />
live erlebt. Während wir mit unseren Bands<br />
eher Lärm fabrizierten, habt ihr unkonventionellen<br />
Sound gespielt. War das überhaupt<br />
Pop?<br />
Es war schon Pop, aber wir waren offen für<br />
viele Stile. Kilian Bühler und ich haben damals<br />
schon Jazz gehört und uns von südamerikanischer<br />
und afrikanischer Musik inspirieren<br />
lassen.<br />
Du bist schon einige Jahrzehnte in der Augsburger<br />
Musikszene aktiv, hast Bands wie On<br />
The Offshore, Troy of Persia, Misuk gegründet.<br />
Darüber hinaus bist du Produzent, Komponist<br />
und hast ein Tonstudio. In deinem<br />
Leben ging es also immer nur um Musik, gab<br />
es nie andere Optionen für dich?<br />
Mir war schon nach der Schule klar, dass ich<br />
Musik machen will, damals hätte ich aber auch<br />
nicht gedacht, dass ich einmal künstlerischer<br />
Leiter oder Kurator von Musikfestivals werde.<br />
Wichtig war meine Zeit im Schwarzen Schaf, da<br />
habe ich zum ersten Mal ein neues Feld betreten.<br />
Mit dem “Urban Club” im Kerosin und “Monkey<br />
Bizinizz” im Schaf habe ich gemeinsam mit Mitstreitern<br />
wie Deniz Khan oder Smatik versucht,<br />
neue Plattformen für Live-Musik im Clubkontext<br />
zu installieren. Die Parties liefen gut und ich<br />
wurde Programmleiter des gerade gegründeten<br />
Schwarzen Schafs. Das ging ein paar Jahre so und<br />
irgendwann hatte ich gemerkt, dass ich einen<br />
neuen Job habe. Bis dahin fühlte ich mich vor<br />
allem als Musiker, jetzt war ich Programmmacher.<br />
Diese Erkenntnis war kurzzeitig ein echter<br />
Schock, aber ich habe sehr schnell meinen<br />
Frieden damit gemacht. Tatsächlich war es eine<br />
glückliche Fügung.<br />
Wie wird man dann zum Kurator und künstlerischen<br />
Leiter?<br />
Es war der logische next step. Nach Schaf<br />
und viel Programmarbeit mit DJ-Formaten,<br />
aber auch mit Livebands, habe ich zusammen<br />
mit Lydia Daher ein Konzept für popkulturelle<br />
Formate für das Brechtfestival im Kulturamt<br />
eingereicht. So kam der erste Kontakt zustande<br />
und daraus hat sich alles entwickelt. Seit 2009<br />
kuratiere ich für verschiedene Festivals und<br />
konzipiere neue Formate.<br />
Seit 12 Jahren kuratierst du das "Festival der<br />
Kulturen” und bist ein echter Spezialist in<br />
Sachen World-Music geworden.<br />
Inzwischen habe ich tatsächlich ein ziemlich<br />
gutes Netzwerk, da stecken über Jahre gewachsene<br />
Beziehungen mit Musiker:innen oder auch<br />
Agenturen dahinter. Ich fahre auch jedes Jahr auf<br />
die Womex-Messe, wo sich viele Labels, Agenten<br />
und auch viele Bands aus dieser <strong>Szene</strong> treffen.<br />
Man spürt dort regelrecht, dass die Leute ihren<br />
Job aus wahrer Leidenschaft, Idealismus und<br />
Liebe zur Musik machen. Im regulären Pop-<br />
Business geht es hingegen leider viel um Eitelkeiten<br />
und Schein. Darüberhinaus gibt es auch