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Neue Szene Epapaer 2022-08

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ZOOM<br />

21<br />

Girisha Fernando ist seit Jahrzehnten ein aktiver Bestandteil der Augsburger Musik- und Kulturszene.<br />

Er ist Musiker, Produzent, Komponist, hat ein eigenes Studio, war Booker und veranstaltete eigene<br />

Clubreihen. Seit einigen Jahren hat sich Girisha Fernando vor allem als Kurator des Festivals der<br />

Kulturen und als künstlerischer Leiter des Brechtfestivals einen Namen gemacht.<br />

Interview: Walter Sianos<br />

Girisha, du bist in London, der Hauptstadt<br />

des Pop, aufgewachsen. Inwiefern hat dich<br />

diese Stadt musikalisch geprägt?<br />

Ich habe meine Kindheit in London verbracht<br />

und als ich elf Jahre alt war, bin ich mit<br />

meiner Familie nach Deutschland gezogen. Nach<br />

dem Abi bin ich dann wieder nach London und<br />

war dort als Straßenmusiker unterwegs. Damals<br />

fanden viele Sessions in der Portobello Road<br />

oder am Leicester Square statt, ich habe viel mit<br />

afrikanischen und südamerikanischen Musikern<br />

gespielt und mit Keziah Jones gejammt. Seal hat<br />

öfter zugehört und ich habe einmal sogar kurz<br />

mit Nick Cave in einem Pub gesprochen.<br />

Nick Cave?<br />

Ja, tatsächlich (lacht)! Ich kann mich an eine<br />

Situation während eines Straßenjams erinnern,<br />

als ein Saxofonist auf die Uhr sah und meinte,<br />

er müsse jetzt los, weil er heute noch einen Gig<br />

hätte. Es stellte sich heraus, dass er mit Björk<br />

als Special Guest von U2 im Wembley-Stadion<br />

zu spielen hatte. Die Straßenmusikerszene war<br />

damals sehr durchlässig, wenn man täglich um<br />

sein Essen spielte, war das große Music Business<br />

gefühlt nur ein paar Straßen weiter. Diese Jahre<br />

waren spannend und inspirierend, in den 90ern<br />

war die englische Metropole eine sehr groovebetonte<br />

Stadt. Acid Jazz und Soul waren das<br />

große Ding und das hat mich musikalisch schon<br />

sehr geprägt.<br />

Du warst also viel zwischen Augsburg und<br />

London unterwegs, hast zwischen den Grenzen<br />

gelebt. Das gilt für das reale Leben genau<br />

wie für die Musikwelt.<br />

Und in Sri Lanka, wo ich auch zwei Jahre<br />

meiner Kindheit verbracht habe. In diese Region<br />

zieht es mich auch immer wieder hin. Ich fand<br />

es cool, zwischen den Kulturen zu leben, aber<br />

es bleibt auch stets eine “undercurrent”, sich nirgends<br />

richtig zugehörig zu fühlen. Musik wird<br />

dann zur Heimat.<br />

In London wurde der Punk erfunden und<br />

zog von dort in die Welt hinaus. Hat dich<br />

diese Welle nie erfasst?<br />

Dann schon, aber eher der Post-Punk und<br />

die 80er Jahre Indie-Bewegung. Bands wie The<br />

Smiths, The Cure oder die Pixies.<br />

Ende der 80er habe ich dich das erste Mal mit<br />

deiner damaligen Band Seafood Creamsoup<br />

live erlebt. Während wir mit unseren Bands<br />

eher Lärm fabrizierten, habt ihr unkonventionellen<br />

Sound gespielt. War das überhaupt<br />

Pop?<br />

Es war schon Pop, aber wir waren offen für<br />

viele Stile. Kilian Bühler und ich haben damals<br />

schon Jazz gehört und uns von südamerikanischer<br />

und afrikanischer Musik inspirieren<br />

lassen.<br />

Du bist schon einige Jahrzehnte in der Augsburger<br />

Musikszene aktiv, hast Bands wie On<br />

The Offshore, Troy of Persia, Misuk gegründet.<br />

Darüber hinaus bist du Produzent, Komponist<br />

und hast ein Tonstudio. In deinem<br />

Leben ging es also immer nur um Musik, gab<br />

es nie andere Optionen für dich?<br />

Mir war schon nach der Schule klar, dass ich<br />

Musik machen will, damals hätte ich aber auch<br />

nicht gedacht, dass ich einmal künstlerischer<br />

Leiter oder Kurator von Musikfestivals werde.<br />

Wichtig war meine Zeit im Schwarzen Schaf, da<br />

habe ich zum ersten Mal ein neues Feld betreten.<br />

Mit dem “Urban Club” im Kerosin und “Monkey<br />

Bizinizz” im Schaf habe ich gemeinsam mit Mitstreitern<br />

wie Deniz Khan oder Smatik versucht,<br />

neue Plattformen für Live-Musik im Clubkontext<br />

zu installieren. Die Parties liefen gut und ich<br />

wurde Programmleiter des gerade gegründeten<br />

Schwarzen Schafs. Das ging ein paar Jahre so und<br />

irgendwann hatte ich gemerkt, dass ich einen<br />

neuen Job habe. Bis dahin fühlte ich mich vor<br />

allem als Musiker, jetzt war ich Programmmacher.<br />

Diese Erkenntnis war kurzzeitig ein echter<br />

Schock, aber ich habe sehr schnell meinen<br />

Frieden damit gemacht. Tatsächlich war es eine<br />

glückliche Fügung.<br />

Wie wird man dann zum Kurator und künstlerischen<br />

Leiter?<br />

Es war der logische next step. Nach Schaf<br />

und viel Programmarbeit mit DJ-Formaten,<br />

aber auch mit Livebands, habe ich zusammen<br />

mit Lydia Daher ein Konzept für popkulturelle<br />

Formate für das Brechtfestival im Kulturamt<br />

eingereicht. So kam der erste Kontakt zustande<br />

und daraus hat sich alles entwickelt. Seit 2009<br />

kuratiere ich für verschiedene Festivals und<br />

konzipiere neue Formate.<br />

Seit 12 Jahren kuratierst du das "Festival der<br />

Kulturen” und bist ein echter Spezialist in<br />

Sachen World-Music geworden.<br />

Inzwischen habe ich tatsächlich ein ziemlich<br />

gutes Netzwerk, da stecken über Jahre gewachsene<br />

Beziehungen mit Musiker:innen oder auch<br />

Agenturen dahinter. Ich fahre auch jedes Jahr auf<br />

die Womex-Messe, wo sich viele Labels, Agenten<br />

und auch viele Bands aus dieser <strong>Szene</strong> treffen.<br />

Man spürt dort regelrecht, dass die Leute ihren<br />

Job aus wahrer Leidenschaft, Idealismus und<br />

Liebe zur Musik machen. Im regulären Pop-<br />

Business geht es hingegen leider viel um Eitelkeiten<br />

und Schein. Darüberhinaus gibt es auch

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