40 ZOOM „Was machst du eigentlich beruflich?“ Ein Gastbeitrag von Matze Hummel, Leitung Fanprojekt Augsburg des Stadtjungendring Augsburg
Gästeblog ZOOM 41 S„Sag mal Matze, was machst du eigentlich Sberuflich?“ Diese Frage verbinde ich mit einer Sbestimmten Situation in einem Sonderzug der SFCA-Fans zu einem Auswärtsspiel in Mön- Schengladbach. Sie begegnete mir aber in den letzten acht Jahren öfter, seit ich als Pädagoge angefangen habe, beim Fanprojekt Augsburg des Stadtjugendring Augsburg zu arbeiten. Ich verdiene meine Brötchen damit, mit jungen Fußballfans abzuhängen. Ein Samstag Anfang Februar. Drei Uhr dreißig – in Zahlen 03.30 Uhr. Mein Wecker klingelt. In etwas mehr als einer Stunde ist Abfahrt zum Auswärtsspiel in Bremen. Die Augsburger Ultras fahren mit dem Bus. Meine Kollegin Anna und ich sind auch am Start. Es liegt eine neunstündige Fahrt vor uns – einfach versteht sich – mit zahlreichen spannenden Gesprächen. Ich lerne, welche Ultragruppe europaweit aktuell am angesagtesten ist, erfahre, welche Themen rund um den FCA die jungen Fans umtreiben, führe Diskussionen zu gesellschaftspolitischen Themen oder höre mir die Beziehungsprobleme eines 20-jährigen an. Und da waren ja noch zwei Themen aus Diskussionen mit Fans unter der Woche offen. Bis zum Spiel ist noch etwas Zeit. Gegen 14.30 Uhr erreichen wir unser Ziel. Aus dem Bus gepurzelt geht es gemeinsam mit der Augsburger Ultragruppe Legio Augusta in Richtung Bremer Weserstadion. Die letzten Meter umsäumt von Bremer Fans, immer die Augen offen, ob nicht irgendwo ein mögliches Konfliktpotenzial lauert. Fahnen, Trommeln und Megafone werden am Einlass gesondert kontrolliert. Kommt es zu Diskussionen, greifen wir moderierend ein. Anschließend teilen wir uns auf. Anna begleitet die Fans in den Gästeblock, ich ab zum Kurvengespräch. Hieran nimmt neben den Verantwortlichen beider Vereine auch die Polizei teil. Beim Einlass gab es Probleme. Drei Augsburger Fans befinden sich noch vor den Stadiontoren. Also wieder raus aus dem Stadion. Die Diskussion, ob diese drei Fans ins Stadion gelassen werden können, erstreckt sich beinahe über die gesamte erste Halbzeit. Pünktlich zum Halbzeitpfiff sind die Entscheidungsträger überzeugt, ich begleite die drei Fans ins Stadion. Kurz nach Wiederanpfiff des Spiels ist Zeit für eine kurze Pause. Noch während ich meine Bratwurstsemmel verspeise, stehen vier FCA-Fans bei mir – schlechte Leistung auf dem Rasen und in letzter Zeit läuft sowieso alles scheiße. Ich beteilige mich an der Diskussion. Die Zeit verfliegt. Das Spiel ist vorbei. Ich habe keine Minute gesehen. Wir treten unsere Rückreise gen Augsburg gegen 18.00 Uhr an, Ankunft voraussichtlich gegen vier. Auf der Rückfahrt wieder ähnliche Gesprächsinhalte. Ob ich auch ein Bier wolle? Nein, schließlich bin ich im Dienst. Diese Antwort wird mal mehr, mal weniger schnell akzeptiert, am Ende ist aber auch klar: Wenn der Matze sich mal ein Bier aufmacht, hat er Feierabend. Unsere Arbeitstage sind nicht immer so lang. Es gibt Spieltage ohne größere Diskussionen, an denen wir ausschließlich Zeit haben für die Themen der Fans. Es soll aber auch vorkommen, dass wir zwischen Fans und einer Polizeikette stehen, hin- und herrennen, um aufgebrachte Gemüter zu beruhigen oder Diskussionen mit Polizei und Ordnungsdiensten führen, um mögliche Konfliktsituationen oder die Eskalation von Konflikten zu vermeiden. „Wenn der Matze sich mal ein Bier aufmacht, hat er Feierabend.“ „Was macht ihr eigentlich unter der Woche?“ Wir hängen natürlich nicht nur mit jungen FCA-Fans ab und begleiten diese zu sämtlichen Heim- und Auswärtsspielen des FCA. Wobei selbst dies unter der Woche Vorarbeiten notwendig macht. Je nachdem, was der kommende Spieltag so an möglichen Spannungen mit sich bringt – oder eben auch nicht. Ein zweites Steckenpferd neben den sogenannten Spieltagsbegleitungen ist die Politische Bildung. Im Jahr 2009 erblickte unser antirassistisches Fußballturnier das Licht der Welt. Im Rahmen eines Fußballturniers antirassistische und antidiskriminierende Arbeit machen. Das wär’s! Und das ist es bis heute. Die Copa Augusta Antiracista findet nach wie vor jeden Sommer am altehrwürdigen Rosenaustadion statt. Mit bis zu 32 Teams, über 500 Besuchenden und einem bunten Rahmenprogramm. Unter dem Label der Copa stellen wir jedes Jahr mehrere Veranstaltungen auf die Beine – sei es eine Lesung über Widerstandsbewegungen während des Nationalsozialismus, eine Filmvorführung über die türkische Ultraszene oder eine Vortragsveranstaltung zu Vernetzungen der rechten <strong>Szene</strong> und der Kampfsportszene. Augusta Unida – der antirassistische Fanzusammenschluss innerhalb der FCA-Fanszene – spendiert zur Copa jedes Jahr ein Konzert. Die prominentesten Gäste bislang: Feine Sahne Fischfilet – noch vor deren großen Erfolgen versteht sich. „Du redest doch nur mit uns, weil du Geld dafür bekommst!“ Hierzu sei gesagt, dass die Arbeit in einem sozialpädagogischen Fanprojekt mehr als ein Job ist. Es ist immer auch eine gehörige Portion Leidenschaft mit dabei. Auch mal erreichbar sein außerhalb der Dienstzeiten, ansprechbar für Ehrenamtliche auch mal am Feiertag – nicht für jeden selbstverständlich, in der Fanprojektarbeit fast schon Ehrensache. Und weil wir nicht fürs Fußballschauen bezahlt werden und die jugendlich geprägte FCA-Fanszene stetig wächst, gibt es auch drei von uns. Anna und Manuel sind mir in Teilzeit zur Seite gestellt – in Vollzeit wäre bedarfsgerechter. Natürlich habe ich jetzt vieles ausgespart. Unserem Bildungsauftrag kommen wir auch außerhalb der Copa mit unterschiedlichen Veranstaltungen nach. Sich in den unterschiedlichsten Netzwerken für die Belange junger Fußballfans einzusetzen, sei es kommunal oder bundesweit, gehört ebenso zu unserer Arbeit. Es darf auch mal ein lockerer Bolz mit jungen FCA-Fans sein. Und wir freuen uns über jeden Besuch in Augsburg-Oberhausen in der Schönbachstraße 36, ob zum Gespräch mit konkretem Anliegen, zum lockeren Plausch oder einfach nur, weil ihr Bock habt, irgendwo abzuhängen – zu unseren Öffnungszeiten oder auch nach Terminvereinbarung. „Seid ihr da?“ – „Ja.“ – „Wie lang?“ – „Bis 20.00 Uhr, wie jeden Mittwoch.“ – „Gut, dann komm ich nachher vorbei.“ Ciao! Bis später!