Jahresbericht 2011 - Landvolk Niedersachsen
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Wirtschaftliche und agrarpolitische Situation<br />
Dr. Wilfried Steffens<br />
Strukturreferent<br />
Zahlungsansprüche<br />
werden neu zugeteilt<br />
Am 12. Oktober sind die Verordnungstexte zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013<br />
vorgelegt worden. Damit tun sich für die nächsten zwei Jahren eine Fülle von Baustellen auf.<br />
Vom Grundsatz her soll das bestehende System der<br />
Direktzahlungen erhalten bleiben, aber es erhält<br />
neue Elemente. Die bisherigen Zahlungsansprüche<br />
werden zum 31. Dezember 2013 eingezogen. 2014 ist<br />
zum Stichtag 15. Mai eine Neuzuteilung vorgesehen,<br />
und zwar an alle Betriebsinhaber, die im Jahr <strong>2011</strong><br />
mindestens einen Zahlungsanspruch aktiviert<br />
oder die einheitliche Flächenzahlung beantragt<br />
haben. Wie bei der GAP-Reform 2005 wird es bei<br />
der Neuzuteilung Ausnahmeregelungen für höhere<br />
Gewalt und besondere Umstände geben. In allen<br />
Mitgliedstaaten soll bis spätestens 1. Januar 2019 ein<br />
Regionalmodell eingeführt werden mit einheitlichen<br />
Zahlungsansprüchen innerhalb einer Region oder<br />
eines Mitgliedstaates. Bis spätestens 2028 sollen EUeinheitliche<br />
Zahlungsansprüche eingeführt sein.<br />
Die Zahlungsansprüche sollen ab 2014 als entkoppelte<br />
Basis-Direktzahlungen fungieren, und zwar<br />
übertragbar. Sie sind durch Verknüpfung mit beihilfefähigen<br />
Flächen bei Erfüllung der CC-Anforderungen<br />
zu aktivieren. Der Auszahlungswert ist neben der<br />
endgültigen Höhe des verfügbaren Mittelvolumens<br />
(vorgesehene Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten)<br />
insbesondere vom Umfang der folgenden fünf<br />
Komponenten abhängig. Die entkoppelte Basisprämie<br />
stellt damit eine Restgröße dar.<br />
1. Einführung einer obligatorischen<br />
„Ökologisierungskomponente“<br />
30 Prozent des Budgets der Direktzahlungen (in <strong>Niedersachsen</strong><br />
etwa 272 Mio. Euro) soll als Zuschlag zu<br />
den entkoppelten Basisprämien gezahlt werden. Diese<br />
„grüne Prämie“ ist nicht Bestandteil des Zahlungsanspruchs<br />
und an die additive Einhaltung (EU-weit) der<br />
folgenden drei Maßnahmen gekoppelt:<br />
a) Anbaudiversifizierung: Ab mindestens drei ha<br />
Ackerfläche pro Betrieb müssen jährlich mindestens<br />
drei Fruchtarten, jede mit einem Anteil von mindestens<br />
fünf und höchstens 70 Prozent der Ackerfläche,<br />
im Anbau sein. Ca. 42 Prozent der Betriebe in <strong>Niedersachsen</strong><br />
erfüllen dieses Kriterium derzeit nicht.<br />
b) Dauergrünlanderhalt: Das vorhandene Dauergrünland<br />
eines landwirtschaftlichen Betriebs im Referenzjahr<br />
2014 muss bei einem „Spielraum“ von fünf<br />
Prozent erhalten werden.<br />
c) Flächennutzung im Umweltinteresse: Sieben Prozent<br />
der Ackerfläche eines Betriebs sollen als im<br />
Umweltinteresse genutzte Flächen ausgewiesen<br />
werden. Welche Flächen der an bestehenden Agrarumweltmaßnahmen<br />
teilnehmenden Landwirte auf<br />
ökologische Vorrangflächen angerechnet werden<br />
können oder müssen und welche sonstigen Flächen<br />
wie Ackerrandstreifen, Landschaftselemente, oder<br />
Blühstreifen dazu gezählt werden, soll in einer „dele-<br />
gierten Rechtsakte“ geregelt werden. Auswirkungen<br />
auf das bisherige Angebot an Agrarumweltprogrammen<br />
sind jedenfalls zwingend zu erwarten.<br />
Bei Betrieben des ökologischen Landbaus soll<br />
das Greening „per se“ als erfüllt gelten. Eine gesonderte<br />
Erfüllung der bereits erwähnten Anforderungen<br />
muss hier nicht nachgewiesen werden. Welche Auswirkungen<br />
dies wiederum auf die künftige „Ökoförderung“<br />
haben wird, ist noch nicht abzusehen. 25 Prozent<br />
der ELER-Mittel sollen die Mitgliedstaaten jedoch<br />
weiterhin für Agrarumweltmaßnahmen und für die<br />
Ausgleichszulage einsetzen.<br />
Betriebsinhaber, deren Betriebe ganz oder teilweise<br />
in Natura 2000- oder Vogelschutzgebieten liegen:<br />
Hier sind die Greening-Auflagen so anzuwenden,<br />
dass sie in Übereinstimmung mit deren Zielen stehen.<br />
Die Auszahlung der Basis- und der Grünprämie<br />
soll zusammen, aber in getrennten Systemen erfolgen.<br />
Wird das Greening unzureichend erfüllt, wird die<br />
„grüne Prämie“ gekürzt oder gestrichen, bei „Nichterfüllung“<br />
erfolgt zusätzlich eine Sanktionierung der Basisprämie.<br />
2. Zusätzliche Einkommensstützung<br />
Fünf Prozent des jeweiligen nationalen Budgets für<br />
Direktzahlungen (in Niedersachen etwa 45 Mio. Euro)<br />
können in Form einer Flächenzahlung an Landwirte<br />
in Gebieten mit besonderen natürlichen Einschränkungen<br />
zusätzlich zur Ausgleichszulage der 2. Säule<br />
zur Auszahlung kommen. Dabei werden den Mitgliedstaaten<br />
Spielräume gelassen, diese Mittel zu konzentrieren<br />
auf Teile der benachteiligten Gebiete, in denen<br />
die Gefahr besteht, dass die Bewirtschaftung aufgegeben<br />
wird. Auch diese zusätzliche Zahlung wird nicht<br />
Bestandteil der künftigen handelbaren Zahlungsansprüche<br />
sein.<br />
3. Fakultative gekoppelte Unterstützung<br />
Innerhalb klar definierter Grenzen (flächen-, ertrags-<br />
oder tierzahlbezogen) können fünf bis zehn Prozent<br />
(sofern Artikel 68-Maßnahmen, das heißt gekoppelte<br />
Prämien, bereits angewendet werden) des nationalen<br />
Budgets (bis 90 Mio. Euro in <strong>Niedersachsen</strong>) für besondere<br />
Formen der Landwirtschaft, die aus wirtschaftlichen<br />
und/oder sozialen Gründen als besonders<br />
wichtig eingestuft werden, als gekoppelte Zahlungen<br />
erfolgen. In der Diskussion sind die Bereiche Milch,<br />
Rind-, Schaf- und Ziegenfleisch, Oliven, Obst, Gemüse,<br />
Stärkekartoffeln, andere Ackerkulturen und Eiweißpflanzen.<br />
Deutschland wird von dieser Möglichkeit<br />
vermutlich keinen Gebrauch machen. Aber: Betriebsinhaber,<br />
die am 31.12.2013 zugewiesene Zahlungsansprüche<br />
besaßen und über keine beihilfefähigen Hek-<br />
tarflächen verfügen, um Zahlungsansprüche aktivieren<br />
zu können (besondere Zahlungsansprüche), können<br />
ab 2014 eine gekoppelte Unterstützung erhalten.<br />
4. Einfache und spezifische Unterstützungsregelung<br />
für Kleinlandwirte<br />
Direktzahlungen bis 100 Euro oder für Betriebe bis zu<br />
einem ha sollen aus Vereinfachungsgründen gestrichen<br />
werden. In Deutschland kann diese Grenze bei<br />
300 Euro oder vier ha liegen. Kleinbetriebe oberhalb<br />
dieser Bagatellgrenze, die sich bis zum 15. Oktober<br />
2014 zum Kleinbetrieb erklären, sollen einen Pauschalbetrag<br />
als Betriebsprämie erhalten. In der Diskussion<br />
sind Zahlungen zwischen 500 und 1.000 Euro pro Betrieb<br />
(die neue ELER-Verordnung sieht darüber hinaus<br />
für Kleinlandwirte jährliche Zahlungen bis 3.000 Euro<br />
über einen Zeitraum von fünf Jahren vor). Zahlungsansprüche<br />
aus dieser Regelung müssen in 2014 aktiviert<br />
werden und gelten dann für die Dauer der Teilnahme<br />
an der Kleinlandwirteregelung. Sie sind nicht<br />
übertrag-, aber vererbbar. Teilnehmende Betriebsinhaber<br />
sind von Cross Compliance-Auflagen und vom<br />
Greening befreit.<br />
5. Junglandwirte sollen einen Zuschlag zur<br />
Betriebsprämie erhalten<br />
(Zwei Prozent des nationalen Budgets sollen dafür reserviert<br />
werden). Der Zuschlag von 25 Prozent zur Betriebsprämie<br />
kann in Deutschland für maximal 46 ha<br />
fünf Jahre lang gewährt werden.<br />
Heruntergebrochen auf den Zahlungsanspruch<br />
ergibt sich für <strong>Niedersachsen</strong> ab 2014 nach den vorliegenden<br />
Vorschlägen in etwa, ohne Anspruch auf<br />
wissenschaftliche Genauigkeit, die im Kasten beschriebene<br />
Situation: Landwirte, die die Greening-Vorgaben<br />
ohne Einschränkungen erfüllen, könnten mit einer Basisprämie<br />
von mindestens 168 Euro rechnen, je nach<br />
Mittelbedarf für Klein- und Junglandwirte auch bis<br />
knapp 200 Euro (= handelbarer Zahlungsanspruch)<br />
zuzüglich einer „grünen Prämie“ von etwa 99 Euro/ha.<br />
Liegt die Fläche im benachteiligten Gebiet, kann ein<br />
weiterer Zuschlag hinzu kommen. Die Basisprämie<br />
kann dadurch und im Falle der Gewährung gekoppelter<br />
Zahlungen, aber bis auf 136 oder sogar 120 Euro<br />
sinken. Die Höhe dieses Zuschlages ist abhängig von<br />
der Größe der Kulisse, in der dieser Zuschlag zur Anwendung<br />
kommt. Die niedersächsische Gebietskulisse<br />
Berechnungsschema<br />
zur Basisprämie (gerundet)<br />
Das vorhandene<br />
Dauergrünland eines<br />
Betriebes soll nach<br />
den Vorstellungen<br />
der EU-Kommission<br />
weitgehend erhalten<br />
werden.<br />
Bruttoprämie 2013: 366 €/ha<br />
– 10 % Modulation: 37 €/ha<br />
– 4 % Umverteilung Mitgliedstaaten: 13 €/ha<br />
– 30 % Greening: 99 €/ha<br />
(– 5 % Gebiete mit natürlichen Einschränkungen: 16 €/ha)<br />
(– 5 % bis 10 % gekoppelte Zahlungen: 16 bis 32 €/ha)<br />
– bis 10 % Pauschalbetrag für Kleinlandwirte: max. bis 32 €/ha<br />
– 2 % Junglandwirteförderung: 6 €/ha<br />
Basisprämie (ZA): mind. 179 €/ha (147 bis 131 €/ha)