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Sozialbericht 2010 Armut im Kanton Bern Fakten, Zahlen und ...

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Die persönliche <strong>und</strong> soziale Entwicklung vieler Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen findet zu einem<br />

überwiegenden Teil in der Familie, als Ort des Lernens <strong>und</strong> des Erfahrens, statt. Der<br />

alltägliche Umgang zwischen Eltern <strong>und</strong> Kindern, gemeinsame Erlebnisse <strong>und</strong> Erfahrungen<br />

bilden für die heranwachsenden Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen einen wichtigen Rahmen,<br />

der ihnen in ihrer persönlichen Entwicklung Halt <strong>und</strong> Vertrauen gibt. Zudem eignen sich<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche durch den gelebten Alltag innerhalb der Familie kognitive <strong>und</strong><br />

soziale Fähigkeiten an, die für ihre persönliche Entwicklung <strong>und</strong> das Erlangen der Selbständigkeit<br />

von zentraler Bedeutung sind.<br />

Kritische Ereignisse <strong>im</strong> Familienleben, wie der Umzug an einen anderen Wohnort, der<br />

Arbeitsplatzverlust eines Elternteils oder der Verlust eines Elternteils, können daher die<br />

Entwicklung der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen stark beeinträchtigen.<br />

Bei armen Familien kann die finanzielle Notlage die Entwicklungsmöglichkeiten der<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen zusätzlich hemmen, besonders schwerwiegend sind Beeinträchtigungen,<br />

die sich auf spätere Lebensphasen <strong>und</strong> Entwicklungsprozesse<br />

auswirken: 108<br />

• Emotionale Belastung: Kinder <strong>und</strong> Jugendliche aus armen Familien sind oft grösseren<br />

emotionalen Belastungen ausgesetzt <strong>und</strong> leiden daher häufiger unter psychosozialen<br />

Beschwerden. Dieser Bef<strong>und</strong> lässt sich dadurch erklären, dass die prekäre<br />

finanzielle Situation das Risiko für Konflikte innerhalb der Familie erhöht <strong>und</strong> auch die<br />

Eltern-Kind-Beziehung massgeblich beeinträchtigt.<br />

• Schulische Leistung <strong>und</strong> Bildungserfolg: Die prekäre Situation von armutsbetroffenen<br />

Kindern wirkt sich auch auf deren schulische Leistung aus. So kann es beispielsweise<br />

sein, dass Kinder aufgr<strong>und</strong> enger Wohnverhältnisse zu Hause die Ruhe<br />

nicht finden, ihre Hausaufgaben konzentriert zu erledigen, oder die Kinder können<br />

sich während den Schulst<strong>und</strong>en nicht konzentrieren, weil sie ohne Frühstück in die<br />

Schule mussten oder von Sorgen geplagt sind. Einkommensschwache Familien haben<br />

zudem kaum finanzielle Möglichkeiten, schulexterne Angebote wie kostenpflichtige<br />

Nachhilfe oder andere Formen der individuellen Förderung in Anspruch zu nehmen.<br />

Die Volksschule vermag soziale Ungleichheiten nicht zu beseitigen. So stellen<br />

die Autoren der TREE-Studie einen bedenklich starken Zusammenhang zwischen<br />

Ausbildungslosigkeit 109 <strong>und</strong> sozialer Herkunft fest: Junge Menschen aus dem sozial<br />

schwächstgestellten Bevölkerungsdrittel bleiben fast viermal häufiger ausbildungslos<br />

als solche aus dem sozial bestgestellten Drittel (15 % vs. 4 %). 110<br />

• Berufslaufbahn: Insbesondere schwache schulische Leistungen bei Schulaustritt<br />

schränken die berufliche Entwicklung von Jugendlichen stark ein. Die sowieso schon<br />

kritische Übergangsphase zwischen Schule <strong>und</strong> Berufsbildung wird durch schlechte<br />

Schulnoten zusätzlich belastet. Neben den schulischen Leistungen sind auch die Bildungserwartungen<br />

seitens der Jugendlichen oder ihrer Eltern entscheidend für die Wahl<br />

der nachobligatorischen Ausbildung. Tiefe Bildungserwartungen können unter anderem<br />

mit finanziellen Überlegungen zusammenhängen. Bei einkommensschwachen Familien<br />

entlastet jedes Kind, das finanziell unabhängig wird, das Haushaltsbudget massgeblich.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> kann es sein, dass Eltern die finanzielle Unabhängigkeit ihrer Kinder<br />

in den Vordergr<strong>und</strong> stellen <strong>und</strong> daher die Bildungserwartungen reduzieren. Ein Kind,<br />

das eine nachobligatorische Schule besucht, verursacht Kosten <strong>und</strong> kann zudem keinen<br />

wesentlichen Beitrag zum Haushaltseinkommen beisteuern. 111 Andererseits kann es<br />

auch sein, dass die Jugendlichen selbst, aus dem Gefühl der Mitverantwortung für das<br />

finanzielle Wohl der Familie, den Wunsch nach einer raschen finanziellen Unabhängigkeit<br />

über eine weiterführende schulische oder berufliche Ausbildung stellen.<br />

108 Drilling 2004: 84 ff.<br />

109 Mit Ausbildungslosigkeit ist hier das Fehlen einer nachobligatorischen Ausbildung gemeint.<br />

110 Bertschy/Böni/Meyer 2007: 14.<br />

111 Volken/Knöpfel 2004: 85.

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