VDWF im Dialog 1/2012
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Märkte und Chancen<br />
Die Geschichte des Geldes:<br />
Von der Muschel über Steinscheiben zum Papiergeld<br />
von Prof. Dr. Ulrich van Suntum<br />
Findet man auf der mikronesischen Insel Ulithi<br />
in Yap etwas Geld am Wegesrand, ist das nichts<br />
Besonderes. Rai, das dort verwendete Steingeld,<br />
gilt <strong>im</strong>mer noch als übliches Zahlungsmittel<br />
– wenn auch mittlerweile fast nur noch<br />
bei symbolischen Geschäften. Wenn Rai den<br />
Besitzer wechseln, lässt der neue Eigentümer<br />
die Steine aber meist an Ort und Stelle. Wem<br />
welcher Stein gehört, wird sich einfach ge<br />
merkt. Der Wert der Steine variiert, jedoch<br />
nicht, wie man meinen könnte, entsprechend<br />
der Größe, sondern abhängig davon, welche<br />
Mühen nötig waren, um den Stein auf die Insel<br />
zu bringen. Die Mineralien Aragonit und Kalzit,<br />
aus welchen die bis zu 4 Meter durchmessenden<br />
und bis zu 5 Tonnen schweren «Münzen»<br />
hauptsächlich hergestellt sind, kommen nämlich<br />
auf Ulithi gar nicht vor.<br />
Obwohl wir alle jeden Tag Geld benutzen und auch gern<br />
möglichst viel davon hätten, ist es vielen Menschen doch<br />
irgendwie auch suspekt. Einerseits ist es geradezu der Inbegriff<br />
von Reichtum und Macht – Geld regiert die Welt,<br />
wie der Volksmund sagt. Gleichzeitig galt es aber auch<br />
<strong>im</strong>mer schon als eine Wurzel wirtschaftlichen Übels. So<br />
merkte etwa Cicero an, dass «Gelder die Lebenskraft des<br />
Krieges sind». Auch heute sagen wir noch: «Geld verdirbt<br />
den Charakter.»<br />
Zu den Kritikern des Geldes gehörten die ersten Sozialisten,<br />
so etwa der französische Ökonom PierreJoseph Proudhon, der<br />
<strong>im</strong> 19. Jahrhundert den Satz «Eigentum ist Diebstahl» prägte.<br />
In seinem utopischen Gesellschaftsentwurf gab es weder Geld<br />
noch Zinsen. Stattdessen sollte der Güterhandel über eine zentrale<br />
Tauschbank auf der Basis von Arbeitswerten erfolgen. Wer<br />
also etwa ein Paar Schuhe mit 4 Stunden Arbeitsaufwand erzeugte,<br />
sollte sie dort gegen andere Güter <strong>im</strong> Gesamtwert des<br />
gleichen Arbeitsaufwands eintauschen können. Proudhon glaubte,<br />
dass damit Ausbeutung, Wucherzinsen und Konjunkturkrisen<br />
ein für alle Mal vermieden werden könnten.<br />
Sein System ist aber niemals praktisch verwirklicht worden,<br />
ebenso wenig wie viele ähnliche Vorschläge der damaligen Zeit.<br />
So hatte schon Charles Fourier <strong>im</strong> 18. Jahrhundert die Idee, Wohn<br />
und Produktionsgemeinschaften von Menschen mit unterschiedlichen<br />
Neigungen und Talenten zu bilden. In diesen sogenannten<br />
«Phalanges» würde dann ganz ohne Geld und Märkte einfach jeder<br />
die Arbeit tun, die ihm am meisten liegt. Die Kinder könne man<br />
z. B. für die Müllentsorgung einsetzen, da sie ja bekanntlich gern<br />
<strong>im</strong> Schmutz spielen. Fouriers Zeitgenosse François Babeuf wollte<br />
anstelle der Geldwirtschaft sogar eine allgemeine Arbeitspflicht<br />
mit zentraler Lenkung und Verteilung der Güter einführen.<br />
Selbst Marx und Engels bezeichneten solche Vorstellungen als<br />
«erheiternde Phantastereien». In der Tat scheinen wir ohne das<br />
Geld nicht auszukommen. Eine Wirtschaftsordnung ohne Geld<br />
hat es weder <strong>im</strong> Kapitalismus noch <strong>im</strong> Sozialismus jemals gegeben.<br />
Denn zu offensichtlich sind die Vorteile, die eine Geldwirtschaft<br />
gegenüber einem reinen Naturaltausch hat: Wenn der Schuster<br />
ein Hemd braucht, muss er eben nicht erst einen Schneider finden,<br />
der zufällig gerade Schuhe kaufen will. Und er braucht seine Ware<br />
auch nicht bei einer Tauschbank oder bei einer zentralen Lenkungsstelle<br />
abzuliefern. Stattdessen verkauft er sie einfach gegen Geld<br />
und erwirbt mit dem Geld dann das, was er selber benötigt.<br />
Mehr noch: Im Gegensatz etwa zu einem Apfel ist Geld lange<br />
haltbar und leicht zu lagern. Daher muss man nicht zum gleichen<br />
Zeitpunkt kaufen und verkaufen und man kann überdies leicht<br />
auf eine größere Anschaffung hin sparen. Dies nennt man die<br />
Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes. Und schließlich dient<br />
das Geld auch noch als leicht handhabbare Recheneinheit, so<br />
dass man nicht ständig den Wert von Güterpaaren gegeneinander<br />
abschätzen muss, sondern einfach alles in Euro oder Dollar<br />
ausdrücken kann.<br />
<strong>VDWF</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> 1/<strong>2012</strong> 47<br />
Diese Vorteile des Geldes sind schon in uralten Zeiten entdeckt<br />
worden. Anfangs gab es noch keine Münzen oder Banknoten.<br />
Vielmehr nutzte man als Geld andere Gegenstände, die leicht<br />
zu transportieren, aufzubewahren und abzuzählen waren, etwa<br />
Muscheln, Pfeilspitzen oder auch Salz. Das erste «echte» Geld<br />
waren einfache Goldklumpen, die von den Lydern <strong>im</strong> 7. Jahrhundert<br />
v. Chr. geschlagen wurden. Ihr sagenhaft reicher König<br />
Krösus (um 590 – 541 v. Chr.) ließ daraus dann die ersten Münzen<br />
prägen. Nach und nach verbreitete sich die Idee dann über den<br />
gesamten Mittelmeerraum. Die Römer prägten ihre Münzen <strong>im</strong><br />
Tempel der Göttin Moneta, woher der Begriff Moneten stammt.<br />
Ein wesentlicher Vorteil der Münzen gegenüber dem Warengeld<br />
lag darin, dass sie ein festgelegtes Gewicht hatten. Damit konnten<br />
sie be<strong>im</strong> Bezahlen einfach abgezählt statt umständlich gewogen<br />
werden. Bei den sogenannten Kurantmünzen entsprach der Wert<br />
genau dem in ihnen enthaltenen Silber oder Goldgewicht. Später<br />
kam man darauf, dass ein hoher Edelmetallgehalt eigentlich gar<br />
nicht notwendig ist. Denn solange die Münzen nicht stärker vermehrt<br />
werden, als die gehandelte Gütermenge steigt, bleiben<br />
sie auch so hinreichend knapp und damit werthaltig. Heute haben<br />
wir es praktisch ausschließlich mit sogenannten Scheidemünzen<br />
zu tun, deren Wert praktisch nichts mehr mit ihrem Metallgehalt<br />
zu tun hat.<br />
Ohnehin kam es bei den Münzen vielfach zu Betrügereien, was<br />
ihren Edelmetallgehalt betraf («Kipper und Wipper»). Ein Beispiel<br />
dafür war der sprichwörtliche rote Heller. Er war unter Kaiser Friedrich<br />
Barbarossa <strong>im</strong> 12. Jahrhundert ursprünglich als reine Silbermünze<br />
in (Schwäbisch) Hall geprägt worden. Im Laufe der Jahrhunderte<br />
wurde er aber <strong>im</strong>mer geringwertiger in Bezug auf Schrot<br />
(Gewicht) und Korn (Edelmetallgehalt). Insbesondere ersetzte<br />
man den Silberanteil mehr und mehr durch Kupfer. Das gab der<br />
Münze eine zunehmend rötliche Farbe und machte sie schließlich<br />
zum Inbegriff der Wertlosigkeit («keinen roten Heller wert»).<br />
Die Folge der Münzverschlechterung war oft Inflation, und zwar<br />
nicht wegen des geringeren Metallwerts an sich, sondern wegen<br />
der dadurch erzeugten Münzvermehrung. Auch das heute gebräuchliche<br />
Papiergeld hat sich in der Vergangenheit oft als wenig<br />
wertbeständig erwiesen. In seinem Ursprung geht es auf den<br />
Wechsel zurück, denn anfänglich war eine Banknote nichts<br />
anderes als ein Zahlungsversprechen in Gold. Diese Wurzeln sind<br />
z. B. sichtbar auf der englischen Pfundnote, wo es heute noch<br />
heißt: «I promise to pay the bearer on demand the sum of one<br />
pound.» Das ist aber heute nur noch Folklore, denn längst gibt<br />
es eine solche Einlösepflicht gegen Gold nicht mehr.<br />
Vorläufer der Banknoten wurden schon <strong>im</strong> 2. Jahrtausend v. Chr.<br />
in Mesopotamien verwendet. Standardisiertes Papiergeld kam<br />
zum ersten Mal <strong>im</strong> 7. Jahrhundert in China auf. In Europa ist<br />
es erst ab Ende des 15. Jahrhunderts bekannt. Zunächst war es<br />
nur als Ersatzgeld für den Fall von Münzknappheit gedacht,<br />
aber bereits 1661 gab die Stockholmer Bank offizielle Banknoten<br />
heraus. Man hatte begriffen, dass das Papiergeld viel effizienter