VDWF im Dialog 1/2012
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Arbeit sucht Arbeiter<br />
von Nikolaus Fecht<br />
«Stell dir vor, es gibt Arbeit und keiner geht hin!» Ganz<br />
so krass wie in diesem leicht abgewandelten SpontiSpruch<br />
geht es zwar (noch) nicht <strong>im</strong> deutschen Werkzeugbau zu,<br />
doch viele Mittelständler müssen um Fachkräfte kämpfen –<br />
eine Bestandsaufnahme.<br />
«Uns fehlen eindeutig Auszubildende», klagt Markus Bay, Geschäftsführer<br />
der Formenbau Rapp GmbH aus Löchgau und<br />
<strong>VDWF</strong>Vorstandsmitglied. Das Unternehmen entwickelt und<br />
baut mit 22 Mitarbeitern Spritzgießwerkzeuge für Kunststoffteile.<br />
Diese anspruchsvolle Arbeit steht und fällt mit der Qualifikation<br />
der Mitarbeiter. Momentan herrscht vor allem Mangel<br />
an Facharbeitern, die Rapp selbst ausbildet. «Ich wünsche mir<br />
dabei dringend weibliche Lehrlinge, denn Frauen verbessern das<br />
Betriebskl<strong>im</strong>a deutlich», meint Bay. Doch er sieht die Chancen,<br />
Mädchen und Jungen für den Werkzeug und Formenbau zu<br />
gewinnen, als gering an. Als ein Gegenmittel bezeichnet er alle<br />
Maßnahmen, die den potentiellen Nachwuchs für den Werkzeug<br />
und Formenbau sehr frühzeitig begeistern. «Ich habe<br />
meinen dreijährigen Sohn auch schon in unseren Betrieb mitgenommen»,<br />
sagt Bay. Der junge Vater spricht sich aufgrund dieser<br />
positiven Erfahrung dafür aus, dass Kindergarten und Grundschule<br />
bereits Kinder für die technischen Berufe begeistern.<br />
Lehrer staunen Bauklötze<br />
Als ein weiteres Problem bezeichnet er Pädagogen, die «meist gar<br />
nichts über den Werkzeugbau wissen». «Be<strong>im</strong> Girls’ Day waren<br />
die Lehrer mehr über unsere Branche erstaunt als die Mädchen»,<br />
berichtet der Geschäftsführer. «Sie sagten: ‹Wir dachten, Ihr Werkzeugmacher<br />
schmiedet Hämmer, Meißel und Schraubenzieher.<br />
Jetzt arbeitet ihr ja richtig aufwendig – mit Computer und Maschinen.›<br />
Die haben Bauklötze gestaunt!» Um diesem Bildungsdilemma<br />
zu begegnen, müssten die Lehrer der üblichen, nicht technisch<br />
geprägten Schulen sehr viel mehr über den normalen industriellen<br />
Fabrikalltag lernen.<br />
Rapp setzt auf die eigene qualitative Ausbildung, wobei es<br />
momentan Probleme gebe, gut ausgebildete Bewerber für die<br />
Ausbildungsplätze zu bekommen. So seien heutige Hauptschüler<br />
meist nicht mehr für die Ausbildung zum Werkzeugbauer geeignet,<br />
auch weil es an der entsprechend fachgerechten und auch<br />
sozialen Ausbildung mangele. Die Ausbildung von Abiturienten<br />
sei aber auch keine dauerhafte Lösung für den Facharbeitermangel,<br />
denn sie gingen mit dem Gesellenbrief weg, um sich<br />
weiter zu qualifizieren.<br />
<strong>VDWF</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> 1/<strong>2012</strong> 55<br />
Ein Weg aus dem Bildungsdilemma wäre für ihn auch eine Neuorientierung<br />
in Sachen Ausbildung. Als positives Beispiel nennt<br />
Bay die sehr industrienahe Schulausbildung der ehemaligen<br />
DDR. Zu dieser Erkenntnis kam der Geschäftsführer, als er seine<br />
heutige Ehefrau kennenlernte, die aus der DDR stammt. «Sie<br />
wusste ganz genau, dass ein Stahlformenbauer auch Werkzeuge<br />
für den Spritzguss macht, weil sie als Schülerin in einem Spritzgießbetrieb<br />
gearbeitet hat», meint der gelernte Werkzeugmacher.<br />
«Von dieser polytechnischen Ausbildung sind wir heute leider<br />
meilenweit entfernt.»<br />
Ausbildung: Teil der qualitätsorientierten Betriebsstrategie<br />
Die Weinmüller GmbH aus Ludwigsburg ist spezialisiert auf das<br />
sehr anspruchsvolle Marktsegment Motoren, Getriebebau<br />
und Fahrwerksteile. In enger Zusammenarbeit mit Fahrzeugherstellern<br />
und Gießereien entstehen Druckgießformen von<br />
höchster Qualität für hohe Produktionsraten. Eine wichtige<br />
Rolle spielen dabei die 60 Mitarbeiter, von denen sich sieben<br />
in der Ausbildung befinden. Die Ausbildung des eigenen Nachwuchses<br />
ist laut Firmenphilosophie «ein Teil der qualitätsorientierten<br />
Betriebsstrategie». Dabei geht es dem schwäbischen<br />
WerkzeugbauBetrieb aktuell wie vielen Unternehmen dieser<br />
Branche. «Es gibt momentan einen Fachkräftemangel, den wir<br />
durch verstärkte Ausbildung ausgleichen», berichtet Geschäftsführer<br />
Werner Weinmüller.<br />
Die Krise in europäischen Staaten mit ihren steigenden Arbeitslosenzahlen<br />
konnten die Schwaben bisher noch nicht nutzen,<br />
um auf diesem Weg an Facharbeiter aus dem Ausland zu<br />
kommen. Dagegen kämen Frauen für manche technischen<br />
Arbeitsplätze in Frage. «Ich habe erst kürzlich eine technische<br />
Zeichnerin eingestellt», sagt Weinmüller. «Doch für die körperlich<br />
schwere Arbeit <strong>im</strong> Formenbau eignen sich Frauen für mich<br />
eher nicht.»<br />
Ebenso wie sein <strong>VDWF</strong>Kollege Bay vermisst er an Schulen,<br />
Universitäten und anderen Ausbildungsstätten Knowhow<br />
in Sachen Werkzeug und Formenbau. Zu den wenigen Ausnahmen<br />
zählt er die Hochschule Aalen mit der Gießerei Technologie<br />
Aalen (GTA). Noch nicht einmal die Berufsschulen<br />
würden das nötige Wissen vermitteln. «Es hat sich daher bewährt,<br />
dass wir seit 1995 massiv in eigener Regie selbst ausbilden»,<br />
kommentiert Weinmüller den Bildungsnotstand. Nur<br />
so konnten die Schwaben den Fachkräftemangel ohne fremde<br />
Hilfe ausgleichen.