VDWF im Dialog 1/2012
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56 <strong>VDWF</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> 1/<strong>2012</strong> <strong>VDWF</strong> <strong>im</strong> <strong>Dialog</strong> 1/<strong>2012</strong> 57<br />
Girls’ Day bei Audi: Eine Auszubildende zur<br />
Werkzeugmechanikerin betreut Schülerinnen<br />
bei der Fertigung ihres eigenen Namensschilds.<br />
Immer wieder müssen Missverständnisse darüber<br />
aus dem Weg geräumt werden, was <strong>im</strong> Werkzeug<br />
und Formenbau eigentlich geleistet wird.<br />
Abgeschlossene Vakanzzeit aller gemeldeten<br />
Arbeitsstellen nach Berufsgruppen [Tage]<br />
(Gleitender Jahresdurchschnitt, Stand Dezember<br />
2011 bzw. Januar <strong>2012</strong>.<br />
Quelle: Bundesagentur für Arbeit <strong>2012</strong>)<br />
Durchschnitt alle Berufe: 65 Tage<br />
Naturwissenschaft, Geographie, Informatik 79<br />
Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung 76<br />
Metallbearbeitung 85<br />
Bau, Architektur, Vermessung 75<br />
Geisteswissenschaften, Kultur, Gestaltung 72<br />
Gesundheit, Soziales, Lehre, Erziehung 70<br />
Handel, Vertrieb, Tourismus 65<br />
Verkehr, Logistik, Sicherheit 61<br />
Land, Forst, Tierwirtschaft, Gartenbau 58<br />
Buchhaltung, Recht, Verwaltung 51<br />
Helfertätigkeiten 51<br />
Anzeichen für Engpässe lassen sich an der Zeitspanne<br />
zwischen dem von den Firmen gewünschten<br />
Besetzungstermin einer Arbeitsstelle und der tatsächlichen<br />
Anstellung ablesen. Diese «Vakanzzeit»<br />
lag 2011 in Deutschland durchschnittlich bei 65 Tagen.<br />
Dieser Wert ist <strong>im</strong> historischen Vergleich jedoch<br />
keineswegs dramatisch. In einzelnen Berufen liegt<br />
er aber weitaus höher und zeigt dort durchaus Engpässe<br />
an. Spitzenreiter sind so unterschiedliche Berufe<br />
wie Ärzte (165 Tage) und der Luftverkehrsbereich<br />
(138 Tage). Aber auch bei technischen Berufen sind<br />
in der aktuellen Erhebung hohe Vakanzzeiten zu<br />
verzeichnen (81 Tage).<br />
Die Amberger Werkzeugbau GmbH aus SulzbachRosenberg ist<br />
ein familiengeführtes Unternehmen mit einer fast 40jährigen<br />
Tradition. Mehr als 120 Mitarbeiter entwickeln und fertigen in<br />
zwei Werken Werkzeuge und Stanzteile für die Medizin, Elektro<br />
und Hausgerätetechnik sowie für die Automobilindustrie. Wie viele<br />
<strong>VDWF</strong>Mitglieder setzt der bayerische Betrieb auf die eigene Ausbildung.<br />
«Leider verschärft sich die Situation, denn <strong>im</strong>mer wieder<br />
verlassen Mitarbeiter den Betrieb, um sich fortzubilden», sagt<br />
Vertriebsmanager Georg Richtmann. «Die Chancen, aktuell Fachkräfte<br />
von außen zu bekommen, sind sehr, sehr gering. Zumal die<br />
hiesigen großen Unternehmen viele junge Menschen aufnehmen.»<br />
Keine Lösung: Ausländische Konstrukteure<br />
Eine Lösung könnten Fachkräfte aus dem Ausland sein, die wegen<br />
der Krise in manchen Ländern arbeitslos sind. Hier sieht Richtmann<br />
bei Menschen aus dem nicht deutschsprachigen Raum<br />
jedoch Kommunikationsprobleme. «Wenn Sie beispielsweise einen<br />
Konstrukteur einstellen, der nicht die deutsche Sprache gut beherrscht,<br />
dann wird es schwierig», erläutert der Vertriebsmanager.<br />
«Dabei geht es weniger um das Sprechen, sondern vor allem<br />
um den Schriftverkehr. Die meisten Lastenhefte gibt es nämlich<br />
in Deutsch.» Einfacher sei es für Ausländer in der Produktion –<br />
bei Amberger beschäftigt man seit kurzem selbst einen Rumänen<br />
in der Qualitätssicherung. Aber auch hier ist es ein langwieriger<br />
Lernprozess, bis die Kommunikation reibungslos läuft.<br />
Anders sähe es bei weiblichen Fachkräften aus. «Wir stellen Frauen<br />
jederzeit gerne ein», erklärt Richtmann. «So beträgt der Frauenanteil<br />
bei den Auszubildenden momentan 20 bis 25 Prozent. Denn<br />
gerade bei den Werkzeugmachern gibt es einen derart hohen<br />
Anteil an Maschinen, dass keinerlei schwere körperliche Arbeit<br />
mehr ansteht.» Außerdem seien Frauen den Männern sogar «ein<br />
bisschen voraus», was das Lösen von komplexen Aufgaben angehe.<br />
Bei der Suche nach geeignetem Nachwuchs wird das Unternehmen<br />
aber von dem Unwissen über den Werkzeugbau ausgebremst.<br />
So stelle Richtmann selbst bei Ingenieuren fest, dass ihnen das<br />
produktionstechnische Knowhow fehlt. Das sei aber «ein sehr<br />
großer Nachteil, denn es fehle mittlerweile schon an Mitarbeitern,<br />
die sich nicht nur mit den Maschinen, sondern auch <strong>im</strong> Umgang<br />
mit den Materialien auskennen».<br />
Mädchen: Kaum Begeisterung für technische Berufe<br />
Die 1977 gegründete Schenk & Schmid Werkzeugbau GmbH aus<br />
Schwendi setzt auf Werkzeug und Formenbau in hoher Präzision.<br />
Dazu verfügt das Unternehmen laut Homepage über «modernste<br />
Maschinen und 35 bestens qualifizierte Mitarbeiter». Für Nachwuchs<br />
sorgt man bei Schenk & Schmid von Anfang an in eigener<br />
Regie – aktuell bildet man sechs Auszubildende aus. Auch den<br />
weiblichen Nachwuchs fördert das Unternehmen. Geschäftsführer<br />
Thomas Schmid: «Leider lassen sich Mädchen nur sehr schwer<br />
für unsere technischen Berufe begeistern.»<br />
Um Nachwuchs zu gewinnen, geht das Unternehmen auch neue<br />
Wege: So können Schüler der örtlichen Berufsfachschule Metall<br />
ein Jahr lang einmal pro Woche ein Praktikum machen, um anschließend<br />
die Lehre bei Schenk & Schmid fortzusetzen. Für ihren<br />
Betrieb interessiert das Unternehmen auch Haupt und Realschüler<br />
<strong>im</strong> Rahmen eines einwöchigen Praktikums. Eltern und Schüler<br />
spricht der Werkzeugbau außerdem über Tage der offenen Tür an.<br />
Einen sehr begabten Werkzeugmechaniker ließ das Unternehmen<br />
be<strong>im</strong> Süddeutschen KunststoffZentrum in Würzburg zum<br />
Werkzeugkonstrukteur qualifizieren. Um die Konstruktion zu<br />
erweitern, inserierte der WerkzeugbauBetrieb sogar europaweit.<br />
Chancen auf einen «internationalen» Mitarbeiter malt sich<br />
Thomas Schmid allerdings nicht aus, «denn unsere sehr bodenständige<br />
Branche findet seine Fachkräfte meist in der Region».<br />
Der Unternehmer lobt das HightechWissen der heutigen Jugend.<br />
«Ich finde es gut, dass sich die jungen Menschen mit Computern<br />
auskennen, denn das nutzt uns mit unserer Vielzahl an Elektronik,<br />
die es zu bedienen und zu programmieren gilt», sagt Schmid.<br />
«Aber der Zusammenbau von Werkzeugen erfordert auch die<br />
Kenntnis und die Bereitschaft zu manueller Arbeit. Und hier<br />
gibt es noch Nachholbedarf.»<br />
Engpässe kann man nicht generalisieren<br />
Im Ernst & YoungMittelstandsbarometer 2011 wird der Wertschöpfungsverlust<br />
aufgrund Fachkräftemangels mit 30 Milliarden<br />
Euro beziffert. Doch dieser Wert lässt sich kaum seriös<br />
best<strong>im</strong>men, da die deutsche Volkswirtschaft z. B. gar keinen<br />
Wertschöpfungsverlust hinnehmen muss, wenn ein Unternehmen<br />
wegen zu geringer Personalkapazitäten einen Auftrag<br />
nicht annehmen kann, jedoch ein inländischer Mitbewerber zum<br />
Zuge kommt. Und schließlich können Unternehmen auch trotz<br />
Arbeitskräfteknappheit – beispielsweise durch Überstunden oder<br />
Subunternehmer – Aufträge abarbeiten.<br />
Anzeichen für Engpässe lassen sich jedoch an der «Vakanzzeit»<br />
freier Stellen ablesen. Diese stieg <strong>im</strong> Vergleich zum Vorjahreszeitraum<br />
durchschnittlich um 10 Tage und lag 2011 bei 65<br />
Tagen. Dieser Wert ist <strong>im</strong> historischen Vergleich jedoch keineswegs<br />
dramatisch. Engpässe lassen sich aber durchaus an den<br />
hohe Vakanzzeiten (81 Tage) bei allen technischen Berufen<br />
ablesen. Darüber hinaus ist aber auch regional zu differenzieren.<br />
Es überrascht nicht, dass es dort, wo geringe Arbeitslosigkeit<br />
herrscht, viel schwieriger ist, zusätzliche Kräfte zu mobilisieren,<br />
als dort, wo die Arbeitslosenquoten noch zweistellig sind. Bleibt<br />
also nichts anderes übrig, als <strong>im</strong>mer wieder genau hinzuschauen<br />
und sich seiner ganz eigenen Situation bewusst zu werden,<br />
wenn es eine neue Stelle zu besetzen gilt. Und das mit aller<br />
nötigen Ruhe, denn die medienvermittelten «Dramen», die durch<br />
den allgegenwärtig gemachten «generellen Fachkräftemangel»<br />
drohen, lassen sich abwenden. Das haben die KMU <strong>im</strong> Land<br />
mit ihrer Flexibilität auch schon zu früheren Zeiten bewiesen. |<br />
Nikolaus Fecht, Gelsenkirchen<br />
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