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Feature: Lebensqualität<br />
<strong>BASF</strong>-Forscher<br />
bändigen<br />
blaues Licht<br />
Blau machen lohnt sich, zumindest für die<br />
Forscher von <strong>BASF</strong>: 1897 haben sie den<br />
Farbstoff Indigo erstmals künstlich hergestellt.<br />
Die Farbe, die bis dahin ein teuer importiertes<br />
Luxusgut aus Indien war, wurde plötzlich<br />
erschwinglich und ist heute in beinahe jeder<br />
Jeans zu finden. Jetzt will das Unternehmen<br />
wieder mit einem blauen Farbstoff eine<br />
Innovation auf den Weg bringen – diesmal<br />
auf dem Lichtmarkt.<br />
40 | Creating Chemistry<br />
Erst die richtige Mischung<br />
aus rotem, grünem und<br />
blauem Licht sorgt für<br />
das weiße Leuchten einer<br />
organischen Leuchtdiode<br />
(OLED). Doch die<br />
Hersteller müssen sich bislang noch<br />
mit einem blauen Farbstoff begnügen,<br />
der relativ ineffizient ist. Die so<br />
genannten fluoreszenten Emitter, die<br />
derzeit auf dem Markt sind, wandeln<br />
nur maximal ein Viertel der Energie<br />
in Licht und den Rest in Wärme um.<br />
„Wir wollen aber Leuchten und keine<br />
Heizplatten“, sagt Dr. Karl Hahn, der<br />
bei <strong>BASF</strong> die Forschungsabteilung für<br />
organische Elektronik leitet. Chemiker<br />
der <strong>BASF</strong> machten sich deshalb vor<br />
einigen Jahren auf die Suche nach<br />
der Lösung des ‚Blauproblems‘.<br />
Sie entdeckten Moleküle, die blau<br />
leuchten und die Energie nahezu vollständig<br />
in Licht umwandeln können.<br />
Diese gehören zu den hocheffizienten<br />
phosphoreszenten Emittern für<br />
OLEDs. Der Haken: Die Lebensdauer<br />
lag damals bei wenigen Minuten.<br />
Während heute bereits langlebige<br />
rote und grüne Varianten der hocheffizienten<br />
OLEDs verfügbar sind,<br />
fehlt noch ein entsprechendes Blau<br />
im Farbreigen. Der Grund: Blaues<br />
Licht ist besonders aggressiv. „Es<br />
ist sehr kurzwellig und daher stark<br />
energiegeladen. Deshalb kann blaues<br />
Licht molekulare Bindungen zerstören<br />
wie sonst kein anderes Licht“,<br />
erklärt Hahn. Die Herausforderung<br />
für die <strong>BASF</strong>-Forscher ist es daher,<br />
Moleküle zu finden, die diese starke<br />
Energie über eine lange Lebensdauer<br />
aushalten. Denn eine OLED muss<br />
lange halten, um für Anwendungen<br />
wie Lampen, Handydisplays und<br />
Fernseher geeignet zu sein. Mit dem<br />
Auffinden des richtigen Farbstoffs<br />
allein ist das ‚Blauproblem‘ aber noch<br />
nicht gelöst: Auch die anderen Materialien<br />
im blauen OLED-Sandwich<br />
(siehe Grafik auf Seite 39) müssen<br />
robust sein, damit OLEDs kräftig<br />
und lange leuchten. <strong>BASF</strong> arbeitet<br />
daher an dem ganzen Materialsystem<br />
für die blauen Dioden und will der<br />
führende Zulieferer weltweit für diese<br />
Aktivkomponenten werden.<br />
Aus den wenigen Minuten Lebensdauer<br />
sind bei <strong>BASF</strong> inzwischen<br />
mehrere tausend Stunden geworden.<br />
Links Mit ihren effizienten blauen<br />
OLEDs wollen die Forscher der <strong>BASF</strong><br />
den Lichtmarkt revolutionieren.<br />
„Die Leuchtenhersteller wollen aber<br />
mehrere zehntausend Stunden“,<br />
sagt Hahn. An diesem Ziel arbeiten<br />
die Forscher von <strong>BASF</strong> in den Chemielaboren.<br />
Tag für Tag bedampfen<br />
Laboranten kleine Glasplättchen mit<br />
Farbmolekülen und Materialien, die<br />
sie zum Leuchten bringen. Zigtausende<br />
Dioden sind so schon entstanden.<br />
„Wir testen immer wieder neue<br />
Kombinationen“, sagt der aus Japan<br />
stammende Chemiker Dr.-Ing. Soichi<br />
Watanabe.<br />
Watanabe ist komplett in einen<br />
Schutzanzug gehüllt. „Die hauchdünnen<br />
Schichten auf den Dioden dürfen<br />
auf keinen Fall mit Staubpartikeln<br />
verunreinigt werden“, erklärt er. Der<br />
Staub würde auf den wesentlich<br />
kleineren Molekülschichten wie ein<br />
Gebirge wirken und die Leuchten dadurch<br />
zerstören. Auch Wasserdampf<br />
und Sauerstoff sind Gift für die organischen<br />
Moleküle. Sie würden schnell<br />
verderben. „Es ist wie mit Sushi. Das<br />
will ich lieber frisch statt übermorgen<br />
essen“, sagt der Japaner. Deshalb<br />
versiegeln die Laboranten jedes<br />
einzelne Plättchen sofort mit einem<br />
weiteren Glasplättchen.<br />
Die fertigen Dioden werden in<br />
zwei Räumen getestet. Im ersten<br />
werden Leuchtstärke und andere<br />
Parameter geprüft. Im zweiten Raum,<br />
der aussieht wie ein kleines Musik-<br />
studio, folgt der Lebensdauertest.<br />
Etliche Schalttafeln sind an Stromkästen<br />
und Rechner angeschlossen.<br />
Auf den schwarzen Kästen<br />
brennen 360 Dioden tagelang. Die<br />
Zahlenreihen auf den Bildschirmen<br />
zeigen, an welchen Leuchten sich die<br />
Weiterarbeit lohnt. Jeden Tag werten<br />
Watanabe und seine Kollegen diese<br />
Daten aus.<br />
2014 will <strong>BASF</strong> den blauen<br />
Farbstoff samt der komplementären<br />
Systemkomponenten reif für den<br />
Massenmarkt bei der Beleuchtung<br />
machen. 2016 soll das <strong>BASF</strong>-Blau<br />
dann die nötige Farbtiefe für die<br />
Display-Industrie haben. Dass jeder<br />
Fortschritt bis dahin hart erkämpft<br />
werden muss, wissen die Forscher.<br />
„Wir arbeiten hier an einer bahnbrechenden<br />
Entwicklung. Das entfacht<br />
den Entdeckergeist des Teams jeden<br />
Tag aufs Neue“, sagt Hahn.