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M A R I O A D O R F<br />

Mario Adorf mit Kollegin<br />

Veronika Ferres in Die lange<br />

Welle hinterm Kiel, ARD-<br />

Ausstrahlung am 04.01.2012<br />

Adorf with co-star<br />

Veronika Ferres in his latest<br />

fi lm, which shows on<br />

German TV in January<br />

Mario Adorf meint, dass es<br />

nicht unüblich ist, das Schauspieler<br />

nach Erfolgen in ein Loch fallen.<br />

“Es ist berufsimmanent, dieser<br />

Abfall der Spannung zwischen<br />

Erfolg und Einsamkeit. Man feiert<br />

im Theater einen Triumph,<br />

und eine Stunde später hockt man<br />

allein in der Wohnung, oder<br />

schlimmer, in einem Hotelzimmer.<br />

Das ist für viele eine große<br />

Belastung. Ich hatte mal einen<br />

Lehrer der sagte ‘Dieser Beruf ist<br />

nichts für Schwächlinge’. Sensible<br />

Genies mögen Dichter werden,<br />

die können zu Hause sitzen und in<br />

sich gehen, aber Schauspieler sind<br />

einem anderen Druck ausgesetzt.”<br />

Er spricht von der Diskrepanz<br />

zwischen dem Anspruch, der an<br />

den sensiblen Künstler gestellt<br />

wird, und der Notwendigkeit eben<br />

nicht so empfi ndlich zu sein, dass<br />

man gefährdet ist. “Das wird oft<br />

nicht so erkannt, was auch ein<br />

Grund ist, warum manche Schauspieler<br />

zu Trinkern werden.”<br />

54—GW<br />

“Ich erinnere mich noch an die<br />

Zeit vor dem Fernsehen, als es bei<br />

der Schauspielerei um Kumpanei<br />

ging. Im Theater hat das Ensemble<br />

nach den Proben zusammen<br />

gesessen. Heute zieht es direkt<br />

nach der Arbeit alle in andere<br />

Richtungen.” Doch er selbst hat<br />

schon früh gelernt, mit den Höhen<br />

und Tiefen des Jobs umzugehen.<br />

Adorf ist sogar ganz gern mal<br />

allein, dann liest er oder schreibt.<br />

Natürlich hat es auch immer geholfen,<br />

dass er seine Frau hat, mit<br />

der er seit 1985 in zweiter Ehe verheiratet<br />

ist. Im Sommer leben Sie<br />

in St. Tropez, im Winter in Paris,<br />

oft ist er auch in München, davor<br />

lebte er in Rom. Ein wahrer Europäer.<br />

“Für mich ist Europa die<br />

schönste Ecke der Welt.”<br />

Wenn Adorf in die Zukunft<br />

schaut, denkt er gar nicht daran,<br />

mit der Schauspielerei aufzuhören.<br />

Ganz im Gegenteil, er recherchiert<br />

gerade aktiv die Rolle<br />

des Karl Marx. Das perfekte Ge-<br />

« Für mich ist Europa die<br />

schönste Ecke der Welt »<br />

sicht dafür hat er ja. “Traumrolle<br />

würde ich es nicht nennen. Aber<br />

ich wurde mal gefragt, welche historische<br />

Figur ich gern darstellen<br />

würde und da sagte ich: Karl<br />

Marx.” Das ursprüngliche Projekt<br />

war ihm zu geschichtsträchtig,<br />

ihn reizt viel mehr den deutschen<br />

Denker als Mensch darzustellen.<br />

“Marx war Theoretiker<br />

der Revolution, aber kein Revolutionär,<br />

der auf die Barrikaden<br />

stieg. Er war ein Genie. Er hatte<br />

große Kenntnisse der Wissenschaften,<br />

der Mathematik, der<br />

Weltliteratur, aber er kannte die<br />

Welt nicht. Er lebte lange Jahre in<br />

England, ist aber wenig gereist.<br />

Er sprach Russisch und Spanisch,<br />

ohne jemals in Russland oder<br />

Spanien gewesen zu sein.” Adorf<br />

hat sich auf eigene Faust Material<br />

zum Thema angelesen und ist dabei<br />

auf einen zuvor unbekannten<br />

Text gestoßen, wo es um Marxs<br />

Reise nach Algiers geht. Dort erfuhr<br />

Marx zum ersten mal das<br />

Araber kein Privateigentum besitzen.<br />

“Doch was mich am meisten<br />

an Marx interessiert, ist, dass<br />

er sein eigener Kritiker war. Er<br />

wurde mal gefragt: ‘Sie gehen alles<br />

so asketisch an, dabei sind sie<br />

doch ein Genießer, der Cognac<br />

trinkt und Zigarren raucht.’ Daraufh<br />

in hat Marx gesagt: ‘Ja, das<br />

ist auch nicht für mich, das ist für<br />

später’.“ Ohne einem Phantom<br />

hinterher jagen zu wollen, ist Adorf<br />

immer noch von Ambitionen<br />

getrieben, und wer würde ihn<br />

nicht gern als Karl Marx sehen?

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