Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
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<strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />
setzungen''unter denen Militäre<strong>in</strong>sätze der NATO möglich s<strong>in</strong>d 'auch wenn es sich<br />
nicht um e<strong>in</strong>en Fall kollektiver Verteidigung i.S.d. Art. 5 *-Ref25728632NATO-<br />
Vertrag' 0"-'-Ref25728632 handelt, e<strong>in</strong>e so erhebliche <strong>in</strong>haltliche Änderung des<br />
NAW-Vertrags darstelle, daß e<strong>in</strong>e Zustimmung des Bundestags <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>es<br />
Bundesgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG hierfür erforderlich gewesen<br />
wäre. Das Zustimmungsgesetz vom 24.3.1955 zum ursprünglichen NATO-Vertrag<br />
umfasse nicht die neuen Aufgaben, die der NATO mit den Beschlüssen der Gipfelkonferenz<br />
1999 übertragen worden seien. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG müsse auch auf<br />
solche zwischenstaatliche Vere<strong>in</strong>barungen Anwendung f<strong>in</strong>den, die nicht <strong>in</strong> der au-<br />
ßeren Form e<strong>in</strong>es <strong>völkerrechtlichen</strong> Vertrags oder e<strong>in</strong>er ausdrücklichen Vertragsänderung<br />
beschlossen worden seien, aber gleichwohl für die Vertragspartelen Auswirkung<br />
von vergleichbarem Gewicht und vergleichbarer Intensität zeitigten.<br />
Das BVerfG wies den Antrag als zulässig aber unbegründet ab. Die Bundesregierung<br />
sei nicht verpflichtet gewesen, e<strong>in</strong> Zustimmungsverfahren zum neuen strategischen<br />
Konzept 1999 nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1, Art. 24 Abs. 2 GG e<strong>in</strong>zuleiten.<br />
Der Beschluß über das neue strategische Konzept' 1999 der NATO sei ke<strong>in</strong> Vertrag,<br />
der die politischen Beziehungen des Bundes regele. Er f<strong>in</strong>de vielmehr se<strong>in</strong>e Rechtsgrundlage<br />
im NATO-Vertrag, dem die für die Bundesgesetzgebung zuständigen<br />
Körperschaften im Verfahren nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1, Art. 24 Abs. 2 GG zugestimmt<br />
hätten. Der Beschluß lasse weder e<strong>in</strong>en Willen der Mitglieder erkennen,<br />
den bestehenden Vertrag förmlich abzuändern, noch sei der Inhalt des Beschlusses<br />
als objektive Änderung des bestehenden Vertragswerks anzusehen. Es sei <strong>in</strong> der <strong>in</strong>-<br />
ternationalen wie <strong>in</strong> der nationalen <strong>Rechtsprechung</strong> anerkannt, daß e<strong>in</strong> Organakt<br />
e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternationalen Organisation zugleich e<strong>in</strong>en Vertrag zwischen zwei oder<br />
mehr Mitgliedern der Organisation darstellen könne. Ob e<strong>in</strong> Dokument des <strong>in</strong>ter-<br />
nationalen Verkehrs e<strong>in</strong> völkerrechtlicher Vertrag sei, sei aus den Umständen zu<br />
schließen. Bezeichnung und Form der Annahme seien nicht maßgeblich. Auch e<strong>in</strong><br />
Vertragsänderungsvertrag könne konkludent abgeschlossen werden. Das Fehlen ei-.<br />
ner Ratifikationsklausel sei aber Indiz gegen den Vertragscharakter, wenn auch<br />
hieraus alle<strong>in</strong> nicht zw<strong>in</strong>gend geschlossen werden könne, daß es an e<strong>in</strong>em völker-<br />
rechtlichen Vertragsschluß fehle. Völkerrechtlich könne e<strong>in</strong> Staat vertragliche Ver-<br />
pflichtungen auch durch den Außenm<strong>in</strong>ister und andere typischerweise für die Außenrepräsentanz<br />
e<strong>in</strong>es Staates zuständige Mitglieder der Exekutive e<strong>in</strong>gehen, Art. 7<br />
WVK1 1. Die Staaten seien dar<strong>in</strong> frei, wie sie die Zustimmung, durch e<strong>in</strong>en Vertrag<br />
Art. 11 WVK. Ratifikation<br />
gebunden se<strong>in</strong> zu wollen, zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen,<br />
durch das Parlament sei nur e<strong>in</strong>e der völkerrechtlich zur Wahl stehenden Zustim-<br />
mungsformen, Art. 14 WVK. Strengere, <strong>in</strong>sbesondere an den Inhalt des Vertrags<br />
anknüpfende Anforderungen könnten sich <strong>in</strong>soweit allerd<strong>in</strong>gs aus nationalem Verfassungsrecht<br />
ergeben, wie dies etwa für die Bundesrepublik Deutschland gemäß<br />
Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG der Fall sei. Auch die gesamten Umstände der Annahme<br />
des neuen strategischen Konzepts<br />
1999 ließen aber nicht auf e<strong>in</strong>en rechtlichen B<strong>in</strong>-<br />
10 Nordatlantikvertrag vom 4.4.1949, i.d.F. vom 17.10.1951, BGBl. 1955 11,:256, 289, 293.<br />
11 Wiener Übere<strong>in</strong>kommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969, BGBl. 1985 11, 926.<br />
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© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht