Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
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1040 <strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />
chen werde. Dies sei auch im Falle des neuen strategischen Konzepts 1999 gesche-<br />
hen.<br />
Die verfassungswidrige Überschreitung des weit bemessenen Gestaltungsspielraums<br />
der Bundesregierung, <strong>in</strong>sbesondere die Überschreitung des im Zustim-<br />
mungsgesetz zum NATO-Vertrag enthaltenen Integrationsprogramms, könne<br />
zwar von e<strong>in</strong>er Parlamentsm<strong>in</strong>derheit im Organstreitverfahren vor dem BVerfG<br />
gerügt werden, mit der Zustimmung zum neuen strategischen Konzept<br />
die Bundesregierung aber nicht die durch das Zustimmungsgesetz<br />
1999 habe<br />
zum NATO-<br />
Vertrag bestehende Ermächtigung und deren verfassungsrechtlichen Rahmen gemäß<br />
Art. 24 Abs. 2 GG überschritten. Mit dem Zustimmungsgesetz zum NATO-<br />
Vertrag werde das Integrationsprogramm dieses Systems gegenseitiger kollektiver<br />
Sicherheit festgelegt und Bundestag und Bundesrat übernähm.en gegenüber dem<br />
Bürger dafür die politische Verantwortung nach Art. 20 Abs. 2 GG. Die rechtliche<br />
und politische Verantwortung des Parlaments erschöpfe sich nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>maligen<br />
Zustimmungsakt, sondern erstrecke sich auch auf den weiteren Vertragsvoll-<br />
zug. Innerstaatlich enthalte die Zustimmung zu dem Vertrag die Ermächtigung der<br />
Regierung, diesen Vertrag <strong>in</strong> den Formen des Völkerrechts fortzuentwickeln. Der<br />
Bundestag werde aber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Recht auf Teilhabe an der Auswärtigen Gewalt<br />
verletzt, wenn die Bundesregierung die Fortentwicklung der NATO jenseits der<br />
ihr erteilten Ermächtigung -<br />
ultra<br />
vires -<br />
betreibe. Gerade im Fälle von Sicherheits-<br />
systemen i.S.d. Art. 24 Abs. 2, wie auch von Integrationssysternen<br />
nach Art. 23<br />
und Art. 24 Abs. 1 GG, sei es Aufgabe der <strong>in</strong>stitutionell legitimierten Regierung,<br />
die Rechte der Bundesrepublik, die sich aus der Mitgliedschaft auf der völkerrecht-<br />
lichen Ebene ergeben, wahrzunehmen. Dazu gehöre auch die könsensuale Fortent-<br />
wicklung der vertraglichen Grundlagen selbst nach Maßgabe der jeweiligen vertraglichen<br />
Regelungen. Die Bundesregierung handele aber nicht schon dann außerhalb<br />
des vom Zustimmungsgesetz zum NATO-Vertrag gezogenen<br />
Ermächtigungsrahmens, wenn gegen e<strong>in</strong>zelne Bestimmungen des NATO-Vertrags<br />
verstoßen werde. Das BVerfG könne auf Antrag des Bundestages e<strong>in</strong>e Überschrei-<br />
tung des gesetzlichen Ermächtigungsrahmens nur dann feststellen, wenn die konsensuale<br />
Fortentwicklung des NATO-Vertrags gegen wesentliche Strukturentscheidungen<br />
des Vertragswerkes verstoße. E<strong>in</strong>e solche Überschreitung des im Zustimmungsgesetz<br />
festgestellten Integrationsprogramms des NATO-Vertrags durch<br />
das neue strategische Konzept 1999 lasse sich sowohl im-H<strong>in</strong>blick auf die Entwick-<br />
lung offen formulierter Bestimmungen des NATO-Vertrags als auch im H<strong>in</strong>blick<br />
auf die weite Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung bei der Ausfüllung des Inte-<br />
grationsrahmens nicht feststellen. Dies betreffe auch die Frage, ob der militärische<br />
E<strong>in</strong>satz der NATO auch außerhalb der durch Art. 5 NATO-Vertrag erfaßten Fälle<br />
erlaubt sei. Der NATO-Vertrag sei <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit den Zielen der Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen nach se<strong>in</strong>em Gesamtkonzept ersichtlich auf umfassende regionale<br />
Friedenssicherung im europäischen und nordamerikanischen Raum gerichtet.<br />
Wenn sich das Ersche<strong>in</strong>ungsbild möglicher Friedensbedrohungen ändere3 lasse der<br />
Vertrag Spielraum für anpassende Entwicklungen auch <strong>in</strong> Bezug auf den konkreten<br />
E<strong>in</strong>satzbereich und Zweck, soweit und solange der grundlegende Auftrag<br />
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© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht<br />
zur Frie