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Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001

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1046 <strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />

richtsbarkeit für die Verfolgung von Völkermord bereits entschieden hatte, daß für<br />

e<strong>in</strong> als Auslandstat von Ausländern an Ausländern begangenes<br />

Verbrechen des Völ-<br />

kermords (§ 220a StGB) nach § 6 Nr. 1 StGB kraft Weltrechtspr<strong>in</strong>zips deutsches<br />

Strafrecht gilt. E<strong>in</strong>e Milderung nach § 28 StGB komme nicht <strong>in</strong> Betracht, da die<br />

26<br />

Völkermordabsicht ke<strong>in</strong> persönliches, sondern e<strong>in</strong> tatbezogenes Merkmal sei.<br />

<strong>Deutsche</strong>s Recht sei im vorliegenden Fall nach § 6 Nr. 9 StGB auch auf die Bei-<br />

hilfe zur Freiheitsberaubung und die gefährliche Körperverletzung anwendbar.<br />

Nach § 6 Nr. 9 StGB gelte das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tat-<br />

orts für im Ausland begangene Taten, die aufgrund e<strong>in</strong>es für die Bundesrepublik<br />

Deutschland verb<strong>in</strong>dlichen Abkommens auch dann zu verfolgen seien, wenn sie im<br />

Ausland begangen wurden. E<strong>in</strong> derartiges<br />

Abkommen sei die IV.GK mit den Zu-<br />

satzprotokollen 1 und 1127. Unabhängig von der Frage, ob Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a<br />

schon als e<strong>in</strong>er der Nachfolgestaaten der ehemaligen Föderativen Volksrepublik ju-<br />

vom 6.3.1992 die Ver-<br />

goslawien28 mit dem Tag se<strong>in</strong>er Unabhängigkeitserklärung<br />

pflichtungen aus dieser IV.GK ohne weiteres übernommen habe, sei Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a<br />

selbst am 31.12.1992 mit Wirkung zum 6.3.1992 allen vier Genfer Konventionen<br />

vom 12.8.1949 beigetreten. Nach Art. 2 IV.GK f<strong>in</strong>de das Abkommen <strong>in</strong><br />

allen Fällen e<strong>in</strong>es erklärten Kriegs oder e<strong>in</strong>es anderen bewaffneten Konflikts An-<br />

wendung, der zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien entstehe, auch wenn<br />

der Kriegszustand von e<strong>in</strong>er der Parteien nicht anerkannt werde, aber auch <strong>in</strong> allen<br />

Fällen vollständiger oder teilweiser Besetzung des Gebiets e<strong>in</strong>er der Vertragspartei-<br />

auf ke<strong>in</strong>en bewaffneten Widerstand stoße. Nach<br />

en, selbst wenn diese Besetzung<br />

Art. 4 Abs. 1 IV.GK unterfielen solche Personen dem, Schutz, die sich im Falle ei-<br />

nes Konflikts oder e<strong>in</strong>er Besetzung zu irgende<strong>in</strong>em Zeitpunkt und gleichgültig auf<br />

welche Weise im Machtbereich e<strong>in</strong>er am Konflikt beteiligten<br />

Partei oder e<strong>in</strong>er Be-<br />

satzungsmacht befänden, deren Angehörige sie nicht seien. Die Verpflichtung e<strong>in</strong>er<br />

Vertragspartei zur Strafverfolgung von Verletzungen der Konvention sei <strong>in</strong><br />

Art. 146 Abs. 1 IV.GK auf die Personen beschränkt, die e<strong>in</strong>e der <strong>in</strong> Art. 147 IV.GK<br />

umschriebenen Verletzungen der Konvention gegen geschützte Personen begangen<br />

oder den Befehl zu e<strong>in</strong>er solchen schweren Verletzung erteilt hätten. Nach Art. 148<br />

IV.GK könne zudem ke<strong>in</strong>e der Vertragsparteien sich oder e<strong>in</strong>e andere Partei von<br />

den Verantwortlichkeiten nach Art. 147 IV.GK befreien.<br />

Im E<strong>in</strong>klang mit dem Urteil der Berufungskammer des Internationalen Strafge-<br />

richtshofs für das ehemalige Jugoslawien <strong>in</strong> der Sache gegen Dusko Tadz29 habe<br />

25 BGH, Urteil vom 30.4.1999 (3 StR 215-98 -<br />

NStZ<br />

1999, 396); vgl. L. R a d e r <strong>in</strong> a c h e r, Deut-<br />

sche <strong>Rechtsprechung</strong> <strong>in</strong> <strong>völkerrechtlichen</strong> <strong>Fragen</strong> 1999, ZaöRV <strong>2001</strong>, 199, 208 [9].<br />

26 Zur Völkermordabsicht des § 220a StGB siehe auch e<strong>in</strong> weiteres Urteil des BGH vom 21.2.<strong>2001</strong><br />

(3 StR 244/00 -<br />

NJW <strong>2001</strong>, 2732).<br />

27 Zusatzprotokolle 1 und 11 zu den Genfer Abkommen vom 12.8.1949 über den Schutz der Opfer<br />

<strong>in</strong>ternationaler bewaffneter Konflikte vom 8.6.1977, BGBl. 1990 11, 1550, 1637.<br />

28 Die ehemalige Föderative Volksrepublik Jugoslawien ist der IV.GK im Jahre 1954 beigetreten,<br />

siehe Bekanntmachung BGBl. 1954 11, 1133.<br />

29 ICTY Appeals Chamber, Case No. IT-94-1-A, Prosecutor v. Dusko Tadix, judgment of<br />

unter http://wwwun.org/icty/tadic/appeal/judgement/<br />

15.7.1999, I.L.M. 38 (1999), 1518; verfügbar<br />

tad-aj990715e.pdf.<br />

http://www.zaoerv.de<br />

© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

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