Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
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1066 <strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />
mittelbare Wirkung habe. Zwar regelten<br />
nach nur die beschäftigungsrechtliche Stellung<br />
Art. 6 und 7 ARB 1/80 ihrem Wortlaut<br />
türkischer Arbeitnehmer und ihrer<br />
Angehörigen. Jedoch habe der EuGH entschieden, daß das Recht, sich auf jedes<br />
Stellenangebot zu bewerben, zwangsläufig die Anerkennung e<strong>in</strong>es Aufenthalts-<br />
63<br />
rechts des Bewerbers be<strong>in</strong>halte. Nichts anderes gelte für den hier anzuwendenden<br />
Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 dessen Voraussetzungen der Kläger erfülle. Der Geltend-<br />
machung e<strong>in</strong>es Anspruchs<br />
setzeszweck -<br />
die<br />
aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 stehe mit Blick auf den Ge-<br />
tatsächliche Zusammenführung<br />
mit ihren Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat -<br />
der türkischen Arbeitnehmer<br />
zu fördern<br />
nicht<br />
ent-<br />
gegen, daß der Kläger im Bundesgebiet geboren und nicht im Wege der Familien-<br />
zusammenführung e<strong>in</strong>gereist sei. E<strong>in</strong> genehmigungsfreier Aufenthalt e<strong>in</strong>es hier geborenen<br />
K<strong>in</strong>des sei jedenfalls dann *der Genehmigung zum Familiennachzug<br />
gleichzustellen, wenn die Behörde wie vorliegend von ihrem Recht aus 5 3 Abs. 5<br />
AusIG zur nachträglichen Beschränkung des genehmigungsfreien Aufenthalts ke<strong>in</strong>en<br />
Gebrauch gemacht habe.<br />
Der Anspruch aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 sei auch nicht durch die Abschiebung<br />
des Klägers <strong>in</strong> die Türkei am 14.11.1998 und se<strong>in</strong>en dortigen Aufenthalt seit der<br />
Abschiebung entfallen. Nach der <strong>Rechtsprechung</strong><br />
des EuGH könne der türkische<br />
Familienangehörige zum<strong>in</strong>dest nach e<strong>in</strong>em fünfjährigen ordnungsgemäßen Wohnsitz<br />
h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er Beschäftigung e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Recht aus Art. 7 Satz 1 ARB<br />
64<br />
1/80 herleiten. Die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setze zwangsläufig die<br />
Existenz e<strong>in</strong>es entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Geme<strong>in</strong>schaftsrecht<br />
beruhe und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang<br />
zu diesen Rechten unabhängig sei. Dies bedeute, so der VGH, daß es für die<br />
Geltendmachung e<strong>in</strong>es Anspruchs nach dieser Vorschrift nicht darauf ankomme,<br />
ob der Kläger derzeit noch e<strong>in</strong>en ordnungsgemäßen Wohnsitz i.S.d. Art. 7 Satz 1<br />
ARB 1/80 habe. E<strong>in</strong> Verlust der erworbenen Rechtsstellung könne -<br />
von Art. 14 ARB 1/80 -<br />
lediglich<br />
abgesehen<br />
dann e<strong>in</strong>treten, wenn der Familienangehörige des<br />
türkischen Arbeitnehmers das Gebiet des Mitgliedstaates für e<strong>in</strong>en nicht unerheblichen<br />
Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlasse. Dies sei vorliegend nicht der<br />
Fall.<br />
Das aus Geme<strong>in</strong>schaftsrecht erwachsene Aufenthaltsrecht des Klägers<br />
sei auch<br />
nicht durch die se<strong>in</strong>er Abschiebung vorausgehende Untersuchungshaft erloschen.<br />
Nach der <strong>Rechtsprechung</strong> zu Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sei geklärt, daß e<strong>in</strong> türkischer<br />
Arbeitnehmer nach e<strong>in</strong>em langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt die ihm<br />
nach dem Geme<strong>in</strong>schaftsrecht zustehenden Vergünstigungen nicht verliere, wenn<br />
er sich e<strong>in</strong>e gewisse Zeit <strong>in</strong> Untersuchungshaft bef<strong>in</strong>de.6-9 Für die Rechte von Familienangehörigen<br />
türkischer Arbeitnehmer aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 müsse glei-<br />
63 Zu Art. 6 Abs. 1 AR]3 1/80: EuGH, Urteil vom 16.12.1992 (C-237/91, KuslLandeshauptstadt<br />
Slg.1992, 1-6781) sowie zu Art. 7 Satz 2 ARB 1/80: EuGH, Urteil vom 5.10.1994 (C-<br />
Wiesbaden -<br />
SIg. 1994, 1-5113).<br />
64 - EuGH, Urteil vom 16.3.2000 (C-329/97, Ergat SIg. 2000, 1-1487).<br />
65 - EuGH, Urteil vom 10.2.2000 (C-340/97, Nazli u.a. SIg. 2000, 1-957).<br />
3 5 5/93, EroglulLand Baden- Württemberg -<br />
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© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht