Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
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1032 <strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />
L Völkerrecht und <strong>in</strong>nerstaatliches Recht<br />
1. Nach e<strong>in</strong>em Kammerbeschluß des BVerfG vom.14.3.<strong>2001</strong> (1 BvR 1931/96 -<br />
NJOZ <strong>2001</strong>, 2151) liegt bei e<strong>in</strong>er Differenzierung von ausländischen Staatsangehö-<br />
rigen gegenüber <strong>Deutsche</strong>n nach dem Merkmal der <strong>völkerrechtlichen</strong> Gegenseitig-<br />
der Verfas-<br />
keitsverbürgung ke<strong>in</strong> Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Gegenstand<br />
sungsbeschwerde war die Versagung von Leistungen<br />
nach dem Gesetz über die<br />
Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) an e<strong>in</strong>e jugoslawische Staatsangehörige,<br />
die 1990 <strong>in</strong> Deutschland Opfer e<strong>in</strong>es Vergewaltigungsversuchs geworden<br />
war, mit der Begründung, es sei ke<strong>in</strong> Entschädigungstatbestand gegeben, <strong>in</strong>sbesondere<br />
fehle es im Verhältnis zu Jugoslawien an der Gegenseitigkeit. Die Verfassungs-<br />
beschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. E<strong>in</strong> Verstoß gegen Art. 3<br />
Abs. 1 GG sei nicht ersichtlich. Bezüglich der Ungleichbehandlung gegenüber<br />
<strong>Deutsche</strong>n habe das BVerfG bereits wiederholt entschieden, daß bei e<strong>in</strong>er Differen-<br />
zierung nach dem Merkmal der Gegenseitigkeitsverbürgung nicht an die bloße Eigenschaft<br />
als Ausländer angeknüpft, sondern vielmehr <strong>in</strong>nerhalb der Gruppe "Aus<br />
länder" nach dem Fehlen oder Vorhandense<strong>in</strong> der Gegenseitigkeit unterschieden<br />
werde. Als Ersche<strong>in</strong>ungsform des <strong>völkerrechtlichen</strong> Gegenseitigkeitspr<strong>in</strong>zips diene<br />
die Gegenseitigkeitsverbürgung der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber<br />
anderen Staaten mit dem Zweck, die RechtsStellung deutscher Staatsange-<br />
höriger im Ausland zu verbessern oder zu festigen.<br />
Hierbei handele es sich um e<strong>in</strong><br />
legitimes und sachgerechtes Anliegen des Gesetzgebers. Die Gegenseitigkeitsverbürgung<br />
könne auch nicht als e<strong>in</strong> zur Zweckerreichung völlig ungeeignetes Mittel<br />
bezeichnet werden. Die Bemühungen um Gegenseitigkeit seien nicht erfolglos geblieben<br />
wie Unterzeichnung e<strong>in</strong>es entsprechenden Übere<strong>in</strong>kommens durch die<br />
Mitgliedstaaten des EuroparateS2 zeige. Ebenfalls verletze die Ungleichbehandlung<br />
Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Die Zu-<br />
gegenüber Angehörigen e<strong>in</strong>es EG-Mitgliedstaates<br />
gehörigkeit zu e<strong>in</strong>em Mitgliedstaat der EG stelle e<strong>in</strong> sachgerechtes Differenzierungsmerkmal<br />
dar. Die Bundesrepublik Deutschland habe als Mitglied das<br />
primäre Geme<strong>in</strong>schaftsrecht und damit auch das Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot des<br />
Art. 12 Satz 1 EGV3 unmittelbar anzuwenden. Dem trage 1 Abs. 4 Nr. 1 OEG<br />
Rechnung.<br />
- 2. In e<strong>in</strong>em Kammerbeschluß vom 14.8.<strong>2001</strong> (2 BvR 1140/00 NStZ <strong>2001</strong>, 658)<br />
befaßte sich das BVerfG mit den Maßnahmen der deutschen Bundesregierung und<br />
13 weiterer Staaten gegenüber der Republik Österreich im Zusammenhang mit der<br />
Bildung e<strong>in</strong>er Koalitionsregierung unter Beteiligung der FPÖ. Bei diesen Maßnahmen<br />
handelte es sich <strong>in</strong>sbesondere um e<strong>in</strong> Statement der portugiesischen Präsident-<br />
2 Europäisches Übere<strong>in</strong>kommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom<br />
24.11.1983, ETS 116, BGBl. 1997 11, 740.<br />
3 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgeme<strong>in</strong>schaft vom 25.3.1957, BGBl. 1957 11,<br />
766, i.d.F. des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union,<br />
der Verträge zur Gründung der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften sowie e<strong>in</strong>iger damit zusammenhängen-<br />
der Rechtsakte vom 2.10.1997, BGBl. 1998 11, 387.<br />
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© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht