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Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001

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<strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />

das Bestehen e<strong>in</strong>es staatsähnlichen (quasi-staatlichen) Herrschaftsgefüges im Inne-<br />

der Herrschaft im In-<br />

ren nicht zw<strong>in</strong>gend ausschließt und daß auch Bedrohungen<br />

neren die Annahme der Staatsähnlichkeit nicht ausschließen, sofern e<strong>in</strong>e de Jacto-<br />

Gebietsgewalt vorhanden ist, die tatsächlich e<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipiell schutz- und verfol-<br />

Stabilität errichtet.hat.<br />

gungsmächtige Ordnung von gewisser<br />

Die Parteien stritten um die Asylberechtigung e<strong>in</strong>es afghanischen Staatsangehörigen<br />

tadschikischer Volkszugehörigkeit.<br />

E<strong>in</strong>e Verfolgung sei nach der <strong>Rechtsprechung</strong> des BVerfG. dann &quot;politisch&quot;,<br />

wenn sie <strong>in</strong> Zusammenhang mit Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die Gestaltung und Eigenart<br />

des Zusammenlebens von Menschen stehe, also e<strong>in</strong>en öffentlichen Bezug<br />

habe und von e<strong>in</strong>em Träger überlegener, <strong>in</strong> der Regel hoheitlicher Gewalt ausgehe,<br />

der der Verletzte unterworfen sei. Politische Verfolgung sei grundsätzlich staatliche<br />

Verfolgung. Dem Staat stünden aber solche staatsähnlichen (quasi-stgatlichen) Or-<br />

hätten oder denen dieser das<br />

ganisationen gleich, die den jeweiligen Staat verdrängt<br />

Feld überlassen habe und die ihn daher <strong>in</strong>soweit erse ,tzten. Staatlichkeit und Staats-<br />

ähnlichkeit <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne stellten auf das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> sich befriedeten<br />

E<strong>in</strong>heit ab. Die Asylgewährleistung im Grundgesetz hebe ganz auf die Gefahren<br />

ab, die aus e<strong>in</strong>em bestimmt gearteten E<strong>in</strong>satz verfolgender Herrschaftsgewalt erwüchsen.<br />

Schutz vor den Folgen anarchischer Zustände oder,der Auflösung der<br />

Staatsgewalt werde durch Art. 16 a Abs. 1 GG nicht gewährleistet.<br />

In diesen Fällen<br />

bleibe e<strong>in</strong> Verfolgter aber nicht schutzlos, da die Bundesrepublik Deutschland solchen<br />

sogenannten de facto-Flüchtl<strong>in</strong>gen aus humanitären Gründen den Aufenthalt<br />

das Ausländerrecht sowie Art. 3 EMRK e<strong>in</strong>en<br />

gewähre. Darüber h<strong>in</strong>aus gewährten<br />

Schutz gegen Abschiebung.<br />

Das Element der &quot;&apos;Staatlichkeit&quot; oder &quot;Quasi7Staatlichkeit&quot;. von Verfolgungen<br />

dürfe nicht losgelöst vom verfassungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal der &quot;politischen&quot;<br />

Verfolgung i.S.v. Art. 16 a Abs. 1 GG betrachtet und geprüft werden. Die<br />

Prüfung<br />

oder neu entstehender Staatlichkeit könne für die Beurteilung, ob Verfolgungsmaß-<br />

bestimmter staatstheoretischer Merkmale für die Annahme vorhandener<br />

nahmen die Qualität politischer Verfolgunghätten, nicht schlechth<strong>in</strong> konstitutiv,<br />

- sondern nur wenn auch <strong>in</strong> gewichtiger Weise -.<strong>in</strong>diziell se<strong>in</strong>. Maßgeblich für die<br />

Bewertung e<strong>in</strong>er Maßnahme als politische Verfolgung sei, daß der Schutzsuchende<br />

e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> e<strong>in</strong> übergreifendes, das Zusammenleben <strong>in</strong> der konkreten Gesellschaft<br />

durch Befehl und Zwang ordnendes HerrschaftSgefüge e<strong>in</strong>gebunden sei, welches<br />

den ihm Unterworfenen <strong>in</strong> der Regel Schutz gewähre, andererseits aber wegen asy-<br />

lerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte<br />

Rechtsverletzungen aus der konkreten Geme<strong>in</strong>schaft ausgeschlossen werde.<br />

Ob <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bürgerkriegssituation nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt<br />

von e<strong>in</strong>er Bürgerkriegspartei politische Verfolgung ausgehen könne, beurteile sich<br />

folglich maßgeblich danach, ob diese zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kernterritorium e<strong>in</strong> säl-<br />

ches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im<br />

- Friedensordnung tatsächlich errichtet habe. Die Möglichkeit Politischer Verfol-<br />

-<br />

gung könne daher abweichend von der bisherigen <strong>Rechtsprechung</strong> des BVerwG -<br />

nicht bereits mit der Erwägung<br />

-S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er übergreifenden<br />

verne<strong>in</strong>t werden, es, fehle bei allen um die Macht im<br />

http://www.zaoerv.de<br />

© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

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