Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
1034 <strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />
keit beider Entscheidungen auszugehen sei, müßten schon zur Vermeidung<br />
der Ge-<br />
fahr späterer Erweiterungen durch e<strong>in</strong>e weniger oder anders beschränkende zweite<br />
Entscheidung beide Beschränkungen beachtlich se<strong>in</strong>. Demnach könne als geschützt<br />
<strong>in</strong>sgesamt nur das verbleiben, was zugleich nach beiden Entscheidungen noch unter<br />
Schutz stehe.<br />
4. Das BSG unterstrich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Urteil vom 24.7.<strong>2001</strong> (B 4 RA 45/99 R -<br />
juris),<br />
daß es sich bei Bundesgesetzen zu Sozialversicherungsabkommen <strong>in</strong> der Regel um<br />
Spezialregelungen im Verhältnis zum <strong>in</strong>nerstaatlichen Recht handelt, die durch e<strong>in</strong><br />
allgeme<strong>in</strong>es späteres Gesetz nicht außer Kraft gesetzt werden können. Der Kläger,<br />
e<strong>in</strong> israelischer Staatsbürger, der als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung<br />
i.S.d. BEG anerkannt war, stritt mit der BfA über den Wert se<strong>in</strong>es Rechts auf Re-<br />
gelaltersrente. Im e<strong>in</strong>zelnen g<strong>in</strong>g es um die Anwendung von Art. 22 Nr. 3 des<br />
deutsch-israelischen SozialversicherungsabkommenS8 (DISVA), nach dem deutsche.<br />
Träger bestimmte israelische Beitragszeiten zu berücksichtigen haben. Das BSG<br />
sah ke<strong>in</strong>en Anhalt dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland durch ihr Gesetzge-<br />
bungsorgan mittels notwendig e<strong>in</strong>seitiger <strong>in</strong>nerstaatlicher Gesetzgebung diese völkerrechtliche<br />
Vertragspflicht habe obsolet werden lassen und damit völkerrechtsund<br />
verfassungswidrig habe leerlaufen lassen wollen. Art. 22 Nr. 3 DISVA sei viel-<br />
mehr vertragsgetreu bei der Feststellung der durch Anrechnungszeiten erworbenen<br />
Rangstellenwerte auch <strong>in</strong>nerhalb der neuen Regeln der % 71-74 SGB VI zu befol-<br />
gen. Somit seien die nach Art. 22 Nr. 3 DISVA nur für den Rangstellenwert von<br />
Ausfallzeiten der deutschen Pflichtbeitragszeiten gleichgestellten israelischen Versicherungszeiten<br />
ke<strong>in</strong>e Beitragszeiten i.S. der % 71-73 SGB Vl. Andernfalls würde<br />
der Durchschnittswert aus deutschen Beitragszeiten abkommenswidrig zum Nachteil<br />
der von Art. 22 Nr. 3 DISVA Begünstigten gesenkt. E<strong>in</strong>e vertragsgetreue An-<br />
wendung des Art. 22 Nr. 3 DISVA könne nur dadurch erfolgen,<br />
daß die israeli-<br />
schen Zeiten zeitgleich gelagerte Versicherungslücken im deutschen Versicherungsverlauf<br />
schließen und <strong>in</strong>soweit die Anzahl der belegbaren Kalendermonate<br />
verr<strong>in</strong>gern würden. Die These, Art. 22 Nr. 3 DISVA sei mit Inkrafttreten des SGB<br />
VI zum 1.1.1992 obsolet geworden, lasse sich auch nicht mit dem H<strong>in</strong>weis halten,<br />
das SGB VI sei gegenüber den Gesetzen zum DISVA und zum Änderungsabkommen<br />
das spätere Gesetz (lex posterior). Schon § 30 Abs. 2 SGB 1, § 6 SGB IV und<br />
§ 104 Abs. 3 SGB VI wiesen, <strong>in</strong>dem sie für den Bereich des Sozialrechts des SGB<br />
den Anwendungsvorrang über- und zwischenstaatlichen Rechts betonten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
andere Richtung, auch wenn sie als dem Range nach e<strong>in</strong>fache Bundesgesetze eben-<br />
so wie die Vertragsgesetze zu Sozialversicherungsabkommen e<strong>in</strong>er (grundsätzlich)<br />
jederzeitigen Abänderbarkeit durch e<strong>in</strong> späteres Parlamentsgesetz unterliegen wür-<br />
den, da die lex posterior-Regel alle ranggleichen Gesetze mit gleichem (zeitlichen,<br />
örtlichen, persönlichen und sachlichen) Geltungsbereich<br />
erfasse. Art. 22 Nr. 3<br />
DISVA enthalte aber als Bestandteil des Gesetzes zum DISVA und zum Ände-<br />
8 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die Soziale<br />
Sicherheit vom 17.12.1973, BGBl. 1975 11, 246, 443; geändert durch Abkommen vom 7.1.1986, BGBl.<br />
1986 11, 863, 1099; Zusatzabkommen vom 12.2.1995, BGBl. 1996 11, 298.<br />
http://www.zaoerv.de<br />
© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht