Gille: Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2001
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<strong>Deutsche</strong> <strong>Rechtsprechung</strong><br />
Im H<strong>in</strong>blick auf die zu Ausbürgerungen aufgestellten Maßstäbe des BVerfG41<br />
habe das Berufungsgericht zu Recht angenommen, .daß der <strong>in</strong> § 4 Abs. 2 Satz 1<br />
Volkslistenverordnung normierte Ausschluß unter anderem der Juden vom Erwerb<br />
der deutschen Staatsangehörigkeit von Anfang an nichtig gewesen sei. Trotz des<br />
Bestehens erheblicher Unterschiede zwischen dem Ausschluß vom Staatsangehörigkeitserwerb<br />
und der Ausbürgerung seien die konkreten Auswirkungen des 5 4<br />
Abs. 2 Satz 1 Volkslistenverordnung für die verfolgten Danziger Juden, die bereits<br />
vor dem 1.9.1939 im nationalsozialistischen Machtbereich gelebt hätten, mit denjenigen<br />
der Ausbürgerung durchaus vergleichbar gewesen. Aus der Nichtigkeit des<br />
§ 4 Abs. 2 Satz 1 Volkslistenverordung folge aber nicht ohne weiteres, daß die da *von<br />
Betroffenen zu behandeln seien, als wenn sie zum 1.9.1939 durch die Sammel-<br />
e<strong>in</strong>bürgerung deutsche Staatsangehörige geworden<br />
wären. E<strong>in</strong>erseits sei der im<br />
nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> erkannten Nichtigkeit e<strong>in</strong>er vorkonstitutionellen staatsangehörigkeitsrechtlichen<br />
Regelung den Besonderheiten dieses Rechtsgebiets entsprechend nicht<br />
notwendig dadurch Rechnung zu tragen, daß sie als nicht ergangen<br />
anzusehen sei.<br />
Andererseits sei die Frage der Rechtswirksamkeit der Sammele<strong>in</strong>bürgerungen <strong>in</strong><br />
den vom <strong>Deutsche</strong>n Reich völkerrechtswidrig annektierten Gebieten lange Zeit<br />
äußerst umstritten gewesen, so daß die unmittelbar aus der Nichtigkeit des 5 4<br />
Abs. 2 Satz 1 Volkslistenverordnung folgenden rechtlichen Konsequenzen für die<br />
Betroffenen offenbleiben würden. Die Praxis sei <strong>in</strong>soweit nach Kriegsende <strong>in</strong> den<br />
e<strong>in</strong>zelnen Besatzungszonen une<strong>in</strong>heitlich gewesen. Auch nach Gründung der Bundesrepublik<br />
Deutschland sei die Rechtslage zunächst unklar gewesen. Die Verhält-<br />
nisse h<strong>in</strong>sichtlich der (ehemaligen) Danziger hätten sich als besonders schwierig<br />
dargestellt, weil das BVerfG die Wirksamkeit der Kollektive<strong>in</strong>bürgerungen davon<br />
abhängig gemacht habe, daß die betreffenden Personen von dem Staat, dessen Gebiet<br />
annektiert worden war, als se<strong>in</strong>e Staatsangehörigen nicht mehr <strong>in</strong> Anspruch genommen<br />
würden. Dies sei für die Freie Stadt Danzig, deren völkerrechtliche Existenz<br />
e<strong>in</strong>erseits nicht beendet gewesen sei, die andererseits aber ke<strong>in</strong>e handlungsfähige<br />
Regierung besessen habe, nicht ohne weiteres zu entscheiden gewesen. Diese<br />
Rechtsunsicherheit sei erst durch das Erste Staatsangehörigkeitsregelungsgesetz beendet<br />
worden, nach dessen § 1 Abs. 1 grundsätzlich die Rechtswirksamkeit der<br />
dort aufgeführten Verleihungen der deutschen Staatsangehörigkeit, u.a. aufgrund<br />
der Volkslistenverordnung, anerkannt worden sei, <strong>in</strong>dem festgestellt worden sei,<br />
daß die betreffenden deutschen Volkszugehörigen vorbehaltlich e<strong>in</strong>er Ausschlagung<br />
deutsche Staatsangehörige geworden seien. In § 1 StAngRegG seien aber<br />
nicht diejenigen e<strong>in</strong>bezogen worden, die aus rassischen Gründen von e<strong>in</strong>er Sam-<br />
mele<strong>in</strong>bürgerung ausgeschlossen worden waren. Gegen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung hätten<br />
völkerrechtliche Bedenken, der möglicherweise entgegenstehende Wille der Betrof-<br />
fenen und eventuell damit für die Betroffenen verbundene Nachteile gesprochen.<br />
Deshalb habe sich der Gesetzgeber hier für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>bürgerung auf Antrag der Betroffenen<br />
entschieden (§ 11 StAngRegG).<br />
41 - BVerfG, Beschluß vom 14.2.1968 (2 BvR 557/62 BVerfGE 23, 98).<br />
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© 2002, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht