August/September 2003 - Der Fels
August/September 2003 - Der Fels
August/September 2003 - Der Fels
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Regelungen für eine mulitreligiöse Gesellschaft<br />
oder Synkretismus?<br />
Die Leitlinien für multikulturelle Feiern, kommentiert von Gerhard Stumpf<br />
Die in den Arbeitshilfen Nr.<br />
170 des Sekretariats der<br />
Deutschen Bischofskonferenz<br />
herausgegebenen Leitlinien für<br />
multireligiöse Feiern von Christen,<br />
Juden und Muslimen, eine Handreichung<br />
der deutschen Bischöfe vom<br />
25. Januar <strong>2003</strong> scheinen in mancherlei<br />
Hinsicht Anfragen, Verwirrung,<br />
Irreführung und Sorgen auszulösen.<br />
Vor allem werden die Bischöfe<br />
angegriffen, darunter<br />
besonders Kardinal Meisner, der für<br />
liturgische Fragen zuständig ist. Es<br />
erscheint notwendig, einige Aspekte<br />
der Leitlinien hervorzuheben:<br />
1<br />
In den Leitlinien werde nicht genügend<br />
zwischen dem Gott der<br />
Christen, dem Gott der Juden und<br />
dem Gott der Muslime unterschieden.<br />
Doch die Leitlinien treffen<br />
deutliche Unterschiede.<br />
Jedes Gebet schließt immer den<br />
Glauben an Gott ein. Dieser Glaube<br />
ist von der Religion vorgegeben.<br />
Deshalb können Christen nur im<br />
Glauben an den dreifaltigen Gott<br />
beten. Juden und Muslime beten im<br />
Glauben an ihren Gott. Dies machen<br />
die Leitlinien deutlich. Wenn ich einem<br />
Anderen beim Beten zuhöre,<br />
übernehme ich noch nicht seinen<br />
Glauben. Wer als gläubiger Christ<br />
neben einem gläubigen Moslem<br />
wohnt, weiß, dass sein Nachbar in<br />
einem anderen Glauben betet als er.<br />
Wenn in einem deutschen Ort zum<br />
Freitagsgebet in einer Moschee aufgerufen<br />
wird, dann weiß der in der<br />
Nachbarschaft lebende Christ, dass<br />
sich hier Menschen zu einem Gebet<br />
versammeln. Es ist ihm unbenommen<br />
in seinem Herzen ein christliches<br />
Gebet zu sprechen. Er kann<br />
auch zur gleichen Zeit in der Familie<br />
laut den Rosenkranz beten. Wenn<br />
der Christ in Jerusalem den Muezzin<br />
hört, muss er sich nicht die Ohren<br />
zuhalten. Wie das Beten des<br />
Christen von Andersgläubigen aufgenommen<br />
wird, ist nicht Sache des<br />
Beters. Die Leitlinien treffen deutliche<br />
Unterscheidungen.<br />
„Vom Standpunkt der römischkatholischen<br />
Kirche aus verehren –<br />
trotz aller Unterschiede im Gottesbild<br />
– Juden und Muslime einen einzigen<br />
Gott, wie ihn auch die Christen<br />
anbeten. Darum können katholische<br />
Christen das Beten von Juden<br />
und Muslimen als Hinwendung<br />
zu Gott, tatsächliche Anrufung und<br />
wahren Lobpreis respektieren. Für<br />
Christen allerdings bedeutet beten<br />
immer, zum dreieinen Gott zu beten.<br />
Sie beten im Bewusstsein, Geschöpfe<br />
des Vaters, Brüder und<br />
Schwestern Jesu Christi und darin<br />
vom Heiligen Geist erfüllt zu sein.<br />
Zugleich wissen sie um die Schwierigkeit,<br />
dass diese trinitarische Prägung<br />
ihres Gebets den Widerspruch<br />
von Juden und Muslimen hervorruft.<br />
Bei multireligiösen Feiern<br />
muss offen bleiben, wieweit Juden<br />
und Muslime wegen ihrer verschiedenen<br />
Gottesvorstellungen das<br />
christliche Gebet und das Gebet des<br />
jeweils anderen tatsächlich anerkennen.“<br />
2<br />
Was verstehen wir unter Gott?<br />
Wir Christen glauben an einen<br />
Gott in drei Personen. <strong>Der</strong> Vater ist<br />
Gott, der Sohn ist Gott, der Heilige<br />
Geist ist Gott. Auch bei den Juden<br />
und den Muslimen gibt es die göttlichen<br />
Eigenschaften. Dazu gehören<br />
wie bei uns Christen die Allmacht,<br />
die Heiligkeit, die Allwissenheit, die<br />
Barmherzigkeit. In der Begegnung<br />
mit diesem Gott kann sich der<br />
Mensch nicht mehr beliebig verhalten.<br />
Anbetung, Lobpreis, Dank und<br />
Bitte sind seine Reaktion. In der<br />
Anerkennung der Gottheit und wichtiger<br />
Aussagen über Gott begegnen<br />
sich die Gläubigen der monotheistischen<br />
Religionen.<br />
„Die drei monotheistischen Religionen<br />
teilen die Überzeugung, dass<br />
Gott einer und einzig, Schöpfer des<br />
Alls und des Lebens ist, der den Menschen<br />
zu ihrem Heil seinen Willen<br />
offenbart. <strong>Der</strong> eine Gott ist Quelle allen<br />
Segens und im Gottesdienst<br />
Adressat des Lobpreises, des Dankes<br />
und der Bitte. So können Begegnungen<br />
daran anknüpfen, dass die Partner<br />
ähnliche religiöse Erfahrungen<br />
haben und sich dadurch letztlich nicht<br />
fremd sind.“<br />
Die drei monotheistischen Religionen<br />
verwenden in vielerlei Hinsicht<br />
eine Begrifflichkeit, die sich auf die<br />
Eigenschaften Gottes bezieht. Daraus<br />
erklärt sich auch die Vergleichbarkeit<br />
mancher religiöser Haltungen. Im<br />
innergöttlichen Verhältnis und in der<br />
Erlösung der Menschen gibt es bleibende<br />
Unterschiede.<br />
3<br />
Multireligiöse Gottesdienste<br />
oder multireligiöse Feiern?<br />
Begriffe sind zur Darstellung bestimmter<br />
Dinge notwendig. Hier gilt<br />
es, die Verwirrung durch Begriffe zu<br />
verhindern. Deshalb wählen die Leitlinien<br />
den Begriff „Feier“ mit Bedacht.<br />
Denn Gottesdienst gibt es in<br />
jeder Religion, doch sind die Inhalte<br />
grundverschieden. Die Leitlinien:<br />
„Unter Berücksichtigung der bestehenden<br />
Schwierigkeiten ist es unumgänglich,<br />
diejenige Form der multireligiösen<br />
Feier zu wählen, bei der die<br />
Vertreter der verschiedenen Religionen<br />
nicht gemeinsam beten, sondern<br />
jeder für sich aus seiner eigenen Tradition<br />
heraus handelt. Diese Form<br />
entspricht dem beim Weltgebetstreffen<br />
in Assisi praktizierten Modell.<br />
Eine sogenannte interreligiöse Feier,<br />
in der sich alle gemeinsam mit von<br />
allen getragenen Worten und Zeichen<br />
an Gott wenden, ist abzulehnen, weil<br />
hier die Gefahr besteht, den anderen<br />
zu vereinnahmen und vorhandene<br />
Gegensätze zu verschleiern. Deshalb<br />
DER FELS 8-9/<strong>2003</strong> 241