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August/September 2003 - Der Fels

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die Frage meines Vaters, ob er diesen<br />

Befehl ausführen wolle, antwortete<br />

der General: „Ich muss es tun,<br />

weil meine Familie sich in Berlin befindet,<br />

wo das Hauptquartier und<br />

der Führer sind. Wenn ich den Befehl<br />

nicht ausführe, wird man an<br />

meiner Familie Rache nehmen.“<br />

Mein Vater tat nun etwas, was mehreren<br />

andern Männern zu dieser Zeit<br />

das Leben kostete. 1 Er sagte dem<br />

General: Wir wissen wohl beide,<br />

dass dieser Krieg für uns Deutsche<br />

nicht mehr zu gewinnen ist, ja dass<br />

er bereits völlig verloren ist. So<br />

kann es für uns nur die wichtigste<br />

Aufgabe sein, noch mehr Unheil zu<br />

verhindern, als in diesen letzten<br />

Kriegswochen schon geschehen ist.<br />

Man droht uns an, Halle so gründlich<br />

wie Dresden zu zerstören. Sie<br />

haben zwar den Befehl, Halle zu<br />

verteidigen, Aber niemand hat Ihnen<br />

vorgeschrieben, wie und wo Sie<br />

Halle verteidigen. Denken Sie<br />

daran, dass in dieser Stadt mehr als<br />

200 000 Bewohner leben. Dazu<br />

kommen mehrere Tausend Verwundete<br />

und ungezählte Flüchtlinge aus<br />

dem deutschen Osten. Bisher wurde<br />

Halle nur durch wenige Bomben<br />

beschädigt.“ Mein Vater, riet dem<br />

Generalleutnant nun, den Befehl<br />

zwar dem Namen nach auszuführen,<br />

dabei aber doch die Stadt und<br />

die darin befindlichen Menschen zu<br />

Die Thomasius-<br />

Schule in Halle/<br />

Saale. 1946 Reserve-Lazarett.<br />

Darin als leitender<br />

Chirurg tätig:<br />

Stabsarzt<br />

Dr. Hannes Heidecker.<br />

schonen. Er schlug ihm vor, Halle<br />

im Bereich einer Schrebergartenkolonie<br />

zu verteidigen. Mein Vater<br />

empfahl weiter, diesen Plan durch<br />

den in Halle wohnenden Grafen<br />

Luckner, der gut englisch spreche,<br />

an die Amerikaner zu übermitteln.<br />

Die Amerikaner seien auch bestrebt,<br />

sich keiner Gefahr eigenen Blutvergießens<br />

auszusetzen.<br />

Generalleutnant Rathke ließ meinen<br />

Vater daraufhin nicht erschießen,<br />

wie er es nach damaligern<br />

Kriegsrecht hätte tun können. Er<br />

nahm, selbst innerlich erleichtert,<br />

den Rat meines Vaters an. Daraufhin<br />

wurde Graf Luckner herbei geholt<br />

und mit dem Plan vertraut gemacht.<br />

Luckner schlug sich danach zu den<br />

amerikanischen Truppen durch und<br />

überbrachte ihnen den Plan. So<br />

wurden nach dem Rat meines Vaters<br />

von beiden Seiten nur wenige<br />

Schüsse abgegeben auf eine vereinbarte<br />

Gegend, an der kein Mensch<br />

und kein Haus beschädigt werden<br />

konnten. <strong>Der</strong> Generalleutnant konnte<br />

nach Berlin melden, dass Halle<br />

bis zur letzten Patrone verteidigt<br />

worden sei, aber Halle mit all den<br />

vielen Menschen in der Stadt war<br />

gerettet. Nachdem es sich in der<br />

Stadt herumgesprochen hatte, dass<br />

der Plan zur Rettung Halles von<br />

meinem Vater stammte, und dass er<br />

es war, dem es nach mehrfachen<br />

vergeblichen Versuchen anderer<br />

gelang, Herrn Generalleutnant<br />

Rathke für diesen Ausweg zu gewinnen,<br />

und dass er mit diesem offenen<br />

Gespräch auch sein Leben riskiert<br />

hatte, wurde der 46. Geburtstag<br />

meines Vaters am 12. Mal 1945<br />

wie ein Volksfest gefeiert. Aus der<br />

Gefangenschaft brachte mein Vater<br />

ein Photo von der Geburtstagsfeier<br />

in Halle mit, das sein Zimmer im<br />

Lazarett voller Blumen und Geschenke<br />

zeigte, Noch einem Bericht<br />

über diese Ereignisse, in der Mitteldeutschen<br />

Zeitung Halle 1998 veröffentlicht,<br />

meldete sich eine Mitarbeiterin<br />

meines Vaters aus seiner<br />

Hallenser Lazarettzeit, Frau Berbara<br />

Pawlak, 06128 Halle/Saale, als<br />

Augenzeugin, die meinen. Bericht<br />

bestätigte. <br />

1 Im Regensburger Dorn erinnert eine<br />

Gedenkplatte an den Domprediger Dr.<br />

Johann Mayer, der 1945 den deutschen<br />

Kommandanten von Regensburg bat, die<br />

Stadt nicht zu verteidigen. Er wurde<br />

daraufhin öffentlich hingerichtet. In Wernigerode<br />

erinnert eine Plakette am Marktbrunnen<br />

(Wohltäterbrunnen) an den<br />

Obersten Gustav Petri, der 1945 als<br />

Kampfgruppenkommandant von Wernigerode<br />

den Befehl verweigerte,<br />

Wernigode zu verteidigen. Er wurde<br />

dafür standrechtlich erschossen.<br />

DER FELS 8-9/<strong>2003</strong> 263

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