August/September 2003 - Der Fels
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Eltern werden – und älter werden.<br />
Freilich ist diese Logik durch die<br />
Rentenversicherung durchkreuzt<br />
worden, denn die Kinder zahlen<br />
ihre Beiträge nicht für die eigenen<br />
Eltern, sondern für fremde, oft kinderlose<br />
Leute. Auch die Eltern, die<br />
sich um das Wohl ihrer Kinder kümmern<br />
und deswegen teilweise oder<br />
ganz auf eine außerfamiliäre Berufstätigkeit<br />
verzichten, erhalten dafür<br />
keinen hinreichenden Ausgleich.<br />
Diese Disparität zu revidieren<br />
müßte Aufgabe einer künftigen<br />
Rentenreform sein. Ebenfalls gilt es,<br />
die Familie als zeitweisen Arbeitsplatz<br />
auch finanziell attraktiver zu<br />
machen.<br />
Traurig ist es, aber auch ernüchternd,<br />
dass Kinder, die sonst immer<br />
als der wahre Wohlstand und das<br />
Glück eines Volkes galten, derart in<br />
das ökonomische Kosten-Nutzen-<br />
Kalkül hineingeraten sind: So dass<br />
Eltern, die zeit- und kostenaufwendig<br />
ihre Kinder erziehen, als die<br />
ökonomisch Dummen dastehen,<br />
und sich von den Trittbrettfahrern<br />
auch noch den spöttischen Vorwurf<br />
gefallen lassen müssen, sie seien<br />
„asozial“.<br />
Mit dieser Einstellung ist natürlich<br />
kein Sozialstaat mehr zu machen,<br />
jedenfalls nicht nach herkömmlichem<br />
Muster. Es wird schon<br />
schwierig genug sein, wenigstens<br />
die steuer- und sozialpolitischen<br />
Ungerechtigkeiten zu beseitigen,<br />
denen die kinderreichen Familien<br />
ausgesetzt sind. Nicht weniger<br />
schwierig ist die notwendige Neudefinition<br />
dessen, was als soziale<br />
Hilfsbedürftigkeit anzuerkennen ist.<br />
Besonders bedürftig sind normalerweise<br />
nicht diejenigen, die kraft<br />
machtvoller Organisation am lautesten<br />
schreien und ihr Leistungsverweigerungspotential<br />
am wirkungsvollsten<br />
(etwa durch Streik)<br />
ausspielen können. Eher „arm“ zu<br />
nennen sind diejenigen, die sich<br />
nicht selber helfen können. Vor allem<br />
jene kinderreiche Familien, die<br />
inzwischen auf Sozialhilfe angewiesen<br />
sind: 1,1 Millionen Kinder leben<br />
bei uns von Sozialhilfe, dreimal<br />
soviel wie vor 20 Jahren.<br />
Es ist das Subsidiaritätsprinzip<br />
der „Hilfe zur Selbsthilfe“, wonach<br />
sich die Revision des Sozialstaats<br />
vollziehen muß. <strong>Der</strong> Aufbau kleinerer,<br />
flexiblerer Netze liegt in der<br />
Logik der Subsidiarität. Ehe und Fa-<br />
milie sind das kleinste, aber feinste<br />
soziale Netz, das es zu erhalten und<br />
zu fördern gilt. <strong>Der</strong> Aufbau auch<br />
der weiteren Netze setzt jedoch die<br />
persönliche und gruppenhafte Bereitschaft<br />
zur Selbsthilfe voraus.<br />
Was aber kann man dem Individuum<br />
und den kleineren Gruppen an<br />
Selbsthilfe zumuten? Was kann der<br />
Einzelne bzw. seine Gruppe leisten,<br />
und was muß man ihm abverlangen?<br />
Diese Frage der Zumutbarkeit wird<br />
für die künftige Sozialpolitik entscheidend<br />
sein.<br />
Eine familienfreundliche Sozialpolitik<br />
hat es jedoch nicht leicht,<br />
sich innerhalb einer demokratischen<br />
Ordnung zu behaupten, die von der<br />
kurzfristigen Popularitätshascherei<br />
jener Politiker dominiert wird, deren<br />
Verantwortung kaum über den<br />
nächsten Wahltermin hinausgeht.<br />
Die Verantwortung für die Zukunft<br />
wird zwar allenthalben beschworen,<br />
aber das gegenwärtige Leben auf<br />
Pump scheint auf die Vision hinauszulaufen:<br />
„Nach uns die Sintflut!“.<br />
Auch das Prinzip der Nachhaltigkeit<br />
wird ständig proklamiert, jedoch<br />
nur für den Umwelt- und Naturschutz<br />
in Anspruch genommen.<br />
Dabei wäre es für die human-<br />
ökologische Nachhaltigkeit notwendiger<br />
und anspruchsvoller, endlich<br />
die Familie unter Naturschutz<br />
zu stellen.<br />
Die negative Bevölkerungsentwicklung<br />
wird sich wohl nur<br />
langfristig durch Familienpolitik<br />
steuern lassen, wie auch die lang anhaltenden<br />
familienpolitischen Versäumnisse<br />
den mangelnden Kindersegen<br />
begünstigt haben.<br />
Die Familie ist die Urzelle<br />
des gesellschaftlichen Lebens.<br />
Sie ist die natürliche Gemeinschaft,<br />
in der Mann und<br />
Frau zur Hingabe der Liebe<br />
und zur Weitergabe des Lebens<br />
berufen sind. Die Autorität,<br />
die Beständigkeit und das<br />
Gemeinschaftsleben innerhalb<br />
der Familie bilden die Grundlage<br />
von Freiheit, Sicherheit<br />
und Brüderlichkeit innerhalb<br />
der Gesellschaft. Die Familie<br />
ist die Gemeinschaft, in der<br />
man von Kind auf lernen kann,<br />
die sittlichen Werte zu achten,<br />
Gott zu ehren und die Freiheit<br />
richtig zu gebrauchen. Das<br />
Familienleben ist eine Einübung<br />
in das gesellschaftliche<br />
Leben.<br />
Katechismus der kath. Kirche<br />
Ziffer 2207<br />
DER FELS 8-9/<strong>2003</strong> 251