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August/September 2003 - Der Fels

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Die feierlichen Versicherungen<br />

der Politiker aller Parteien zum<br />

„Schutz der Familie“ dürften als<br />

ziemlich fadenscheinig empfunden<br />

werden. Denn wer außer dem Bundesverfassungsgericht<br />

und den Kirchen<br />

hat den Mut gehabt, jene Ungerechtigkeit<br />

aufzugreifen, die<br />

schon im Steuer- und Sozialrecht<br />

den kinderreichen Familien zuteil<br />

wurde? Die staatliche Familienförderung<br />

soll nun in der ein oder<br />

Weil die Familie für das Leben<br />

und das Wohlergehen<br />

der Gesellschaft so bedeutend<br />

ist, hat diese eine besondere<br />

Verpflichtung, Ehe und<br />

Familie zu unterstützen und zu<br />

stärken. Die Staatsgewalt hat<br />

es als ihre besondere Pflicht<br />

anzusehen, „die wahre Eigenart<br />

von Ehe und Familie anzuerkennen,<br />

zu hüten und zu fördern,<br />

die öffentlichen Sittlichkeit<br />

zu schützen und den häuslichen<br />

Wohlstand zu begünstigen.“<br />

Katechismus der kath. Kirche<br />

Ziffer 2210<br />

anderen Weise verbessert werden.<br />

<strong>Der</strong> Staat tut sich dabei schwer, die<br />

Privilegierung der Kinderlosen zu<br />

beenden, denn sie bilden inzwischen<br />

ein beachtliches Wählerpotential<br />

und sind dabei, zur Mehrheit<br />

zu werden. Da kann die Familie<br />

in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft,<br />

für die Vermittlung elementarer<br />

Werte noch so sehr gelobt<br />

und als unverzichtbar gepriesen<br />

werden. Sie bringt einfach nicht<br />

mehr Wählerstimmen und Protestmarschierer<br />

auf die Beine. Und Minderheiten<br />

haben es in einer<br />

Mehrheitsdemokratie nicht immer<br />

leicht. Interessant ist hier der Vorschlag,<br />

man möge doch zur politischen<br />

Aufwertung der Familien<br />

dafür sorgen, dass auch die Kinder<br />

ein Wahlrecht bekämen, das die Eltern<br />

wahrnehmen könnten.<br />

Es gibt da freilich noch die Möglichkeit<br />

der gesellschaftlichen<br />

Machtentfaltung über die Interessenverbände<br />

oder die Bürgerbewegungen.<br />

Die für jede Art von<br />

Interessenvertretung „offene Gesell-<br />

schaft“ hätte nichts dagegen, wenn<br />

sich die Familien zu machtvollen<br />

pressure groups formieren würden.<br />

Aber auch hier erweist sich die Gesellschaftsordnung<br />

nicht gerade als<br />

familienfreundlich.<br />

Denn die Macht, mit denen Verbände<br />

ihre Interessen durchsetzen,<br />

wird definiert als Leistungspotential<br />

bzw. Leistungsverweigerungspotential,<br />

als Konfliktbereitschaft<br />

und Medienpräsenz. Gerade in diesen<br />

Fragen sind aber Familien strukturell<br />

benachteiligt. Dass sie über<br />

ein großes Leistungspotential verfügen,<br />

zeigt sich schon daran, dass<br />

es von vielen ausgenutzt wird. Aber<br />

verantwortliche Eltern kämen doch<br />

nie auf die Idee, die Ernährungsund<br />

Erziehungsleistungen für ihre<br />

Kinder zu verweigern, sie auszusperren,<br />

ihnen die Liebe zu entziehen,<br />

um familienpolitische Gerechtigkeitsforderungen<br />

durchzusetzen.<br />

Auch ein organisierter Gebärstreik,<br />

wenngleich schon sehr wirkungsvoll,<br />

käme nicht in Betracht. Er wird<br />

jedoch stillschweigend und individuell<br />

bereits praktiziert. Das ist<br />

allerdings ein Experiment, das die<br />

Gesellschaft nicht lange überlebt.<br />

Undenkbar auch, dass sich Familien<br />

medienträchtige Straßenschlachten<br />

mit der Polizei lieferten.<br />

Durch solche Aktionen würden<br />

sich die Familien nur selber schädigen.<br />

Ganz im Unterschied zu den<br />

Interessenverbänden, die sich durch<br />

Streik, Aussperrung oder Konfliktmaximierung<br />

Vorteile errechnen<br />

dürfen, sei es auch zu Lasten Dritter.<br />

Die Familienlasten politisch und<br />

pädagogisch zu erleichtern kommt<br />

vor allem jenen elektronischen<br />

Unterhaltungsmedien kaum in den<br />

Sinn, die eher die Eheschließung<br />

homosexueller Paare für ein berechtigtes<br />

Anliegen halten als die Stabilisierung<br />

der Familie.<br />

Noch leben wir auf Kosten späterer<br />

Generationen, die womöglich gar<br />

nicht mehr (bei uns) geboren werden.<br />

Familienpolitik ist eine Investition<br />

in die Zukunft, sie ist auch die<br />

Sozialpolitik der Zukunft. Aber unsere<br />

Gesellschaftsordnung scheint<br />

nur für das größte individuelle Glück<br />

der größten Zahl in der Gegenwart<br />

eingerichtet worden zu sein. Ihre<br />

Tage sind aber gezählt, wenn sie<br />

nicht auch die Zukunft späterer<br />

Generationen in den Blick der Verantwortung<br />

bekommt.<br />

<strong>Der</strong> bisherige Sozialstaat als große<br />

anonyme Umverteilungsmaschine<br />

hat die Individualisierung als<br />

Illusion gegenseitiger Unabhängigkeit<br />

gefördert. Aber soziale Hilfe, die<br />

nicht auf Selbsthilfe subsidiär aufbaut,<br />

erzeugt auf Dauer Hilfsbedürftigkeit<br />

und Abhängigkeit. Sie zerstört<br />

überdies die Solidarität als persönlich<br />

zu übende Tugend. Mit dem Single<br />

als Leitbild ist kein Sozialstaat<br />

mehr zu machen. Notwendig ist daher<br />

eine subsidiäre Auflockerung<br />

sozialer Netze. Das primäre soziale<br />

Netz bleibt die Familie. Sie zu stärken<br />

bedeutet, den wuchernden Sozialstaat<br />

zu entlasten. Darum ist Familienpolitik<br />

die beste Form der Sozialpolitik.<br />

Freilich sollten wir als Christen<br />

besonders kritisch und wachsam<br />

sein, dass nicht durch staatliche Familienpolitik<br />

eine Verstaatlichung der<br />

Familien betrieben wird. Und dass<br />

nicht mit der Parole der Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf die Familie<br />

den kürzeren zieht. Schon hat die<br />

Bundesregierung angekündigt bzw.<br />

damit gedroht, 1,5 Mrd. Euro für die<br />

Kleinkinderbetreuung zur Verfügung<br />

zu stellen. Und mit 4 Mrd. Euro will<br />

der Bund die Ganztagsschulen fördern.<br />

Statt den Eltern das Geld zu<br />

geben, die selber verantwortlich entscheiden<br />

sollten, wie ihre Kinder zu<br />

erziehen sind, bietet sich nun der<br />

Staat als onkelhafter Betreuer und<br />

Erzieher an. Welche Milieuschädigungen<br />

daraus entstehen können, hat<br />

uns die frühere DDR gelehrt.<br />

Jedenfalls ist Vorsicht geboten, wenn<br />

der SPD-Generalsekretär Olav Scholz<br />

die „Lufthoheit über den Kinderbetten“<br />

anstrebt. Bei dieser Formulierung<br />

läuft es einem kalt den Rücken<br />

herunter, und man spürt förmlich,<br />

wie einer schon den Würgegriff<br />

eingeübt hat.<br />

Doch als Christen dürfen wir auf<br />

die Selbstheilungskräfte hoffen, die<br />

in Ehe und Familie naturgemäß und<br />

gnadenhaft wirksam sind. Die Ehe<br />

ist eine christliches Sakrament und<br />

mit der Familie schon in der<br />

Schöpfungsordnung begründet. Ehe<br />

und Familie waren schon vor dem<br />

Staat da und werden ihn auch dann<br />

überleben, wenn er sie in seinen<br />

Würgegriff genommen hat. <br />

1 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />

vom 07.06.<strong>2003</strong>, S. 1<br />

252 DER FELS 8-9/<strong>2003</strong>

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