August/September 2003 - Der Fels
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ten inneren Sicherheit und Unbeugsamkeit<br />
hielt er an den von Gott<br />
geoffenbarten Wahrheiten fest, die<br />
uns von der Kirche verbürgt werden.<br />
Für ihn selbst galt, was er als<br />
„Regel für unser menschliches Leben“<br />
aufstellte, nämlich, „dass wir<br />
auf dem, was wir mit Gebet und<br />
Überlegung beschlossen haben,<br />
unwankelmütig im Vertrauen auf<br />
Gott beharren. Ohne diese Regel<br />
taugen wir Menschen zu nichts, weil<br />
wir in allen Dingen wankelmütig<br />
sein werden“ 4 .<br />
Wittmann, der stille und<br />
demütiger Beter und Büßer,<br />
antwortete auf die Herausforderungen<br />
seiner Zeit mit<br />
entschiedener Kirchlichkeit<br />
und tiefinnerlicher Gläubigkeit,<br />
die ihr Maß am Beispiel<br />
Christi, des guten Hirten,<br />
fand. In der Selbstentäußerung<br />
des Sohnes<br />
Gottes und in der vollkommenen<br />
Angleichung an den<br />
Willen des Vaters sah<br />
Wittmann Richtschnur und<br />
Maß seines eigenen Lebens.<br />
Zu solcher Christusbezogenheit<br />
führte er alle, die<br />
seiner Sorge anvertraut waren.<br />
Nicht die „ratio“ der<br />
Aufklärer, sondern das demütige<br />
und gläubige Gebet<br />
war ihm der Schlüssel zum<br />
Verständnis der Welt und<br />
der Geschicke des eigenen<br />
Lebens wie auch der Weltgeschichte.<br />
In unablässigem<br />
Beten öffnete Wittmann mit<br />
bewundernswerter Treue seine Person<br />
auf Gott hin und erfuhr darin<br />
dessen Wirklichkeit, die ihn selber<br />
zur Säule der Rechtgläubigkeit und<br />
zum Segen für Unzählige werden<br />
ließ. Dies blieb seinen Zeitgenossen<br />
nicht verborgen. Sein ganzes Auftreten,<br />
seine Erscheinung waren ein<br />
„lebendiges Gebet“. Nicht umsonst<br />
kommt es, dass ihn eine der bekanntesten<br />
Darstellungen gerade als Beter<br />
mit gefalteten Händen zeigt. Dies<br />
ist wohl die gültigste Charakterisierung<br />
Wittmanns: Er war der<br />
große Beter seiner Diözese. In einer<br />
Zeit, in der viele meinten, die<br />
verstandesmäßige Durchdringung<br />
der Welt mit Hilfe der menschlichen<br />
Vernunft (ratio) allein sei der wahre<br />
Weg zur Erkenntnis und das Mittel,<br />
die Menschheit aus den vom kirchlichen<br />
Glauben gesetzten Grenzen<br />
zu befreien, besaß Georg Michael<br />
Wittmann den Mut, die ihm anvertrauten<br />
Alumnen seines Priesterseminars<br />
zu eifrigen Liebhabern des<br />
Gebetes zu erziehen und sie vom<br />
Wert des innerlichen Lebens, das in<br />
gläubiger Herzensverbundenheit<br />
mit Gott besteht, zu überzeugen.<br />
Geist und Kraft Gottes kommen nur<br />
durch das Gebet 5 , dies war seine<br />
feste Überzeugung. Unvergessen<br />
sind seine Worte: „Je mehr nächtli-<br />
Bischof Johann Michael Sailer und Weihbischof<br />
Georg Michael Wittmann, Ölgemälde von Barbara<br />
Popp, um 1830<br />
ches Gebet, desto mehr Gnade“ 6 .<br />
Diese Wahrheit erschloss sich ihm<br />
vor allem aus seiner gründlichen<br />
Kenntnis der Heiligen Schrift und<br />
der Psalmen.<br />
Eine sehr wertvolle Schrift mit<br />
dem Titel „Über den moralischen<br />
Nutzen des Breviergebetes“ aus dem<br />
Jahr 1801 stammt aus Wittmanns<br />
Feder, als er noch Subregens des<br />
Priesterseminars war. Wittmann erkannte,<br />
dass ein wesentlicher Irrtum<br />
seitens der Aufklärer in ihrer Hinwendung<br />
auf die reine Immanenz<br />
bestand. Auch weite Teile der Geistlichkeit<br />
konnten oder wollten sich<br />
dieser Strömung nicht entziehen.<br />
Eine Korrektur des Diözesanklerus<br />
erreichte Witmann, indem er seine<br />
geistlichen Mitbrüder, vor allem<br />
aber die durch seine Schule gehenden<br />
Priesteramtskandidaten, stets<br />
zum treuen Beten der Psalmen des<br />
Breviers als des kanonischen Stundengebetes<br />
anhielt und ermutigte.<br />
<strong>Der</strong> Diener Gottes tat dies mit<br />
unverratener Treue in einer Umgebung,<br />
die dafür oft nur wenig Verständnis<br />
aufbrachte. Er unterließ das<br />
Gebet selber niemals, auch und vor<br />
allem dann nicht, wenn er mit<br />
Seelsorgsarbeiten überhäuft war, so<br />
als Regens und zugleich Dompfarrer<br />
der damals 8000 Gläubige zählenden<br />
Regensburger Dompfarrei.<br />
Wittmann gab dadurch seinen<br />
Studenten das beste Vorbild<br />
und Beispiel. In seinem<br />
oben zitierten Werk stimmt<br />
der Diener Gottes geradezu<br />
einen Lobeshymnus an auf<br />
das amtliche Pflichtgebet der<br />
Kirche, wenn er sagt: „Mir<br />
ist kein Gebetbuch von so<br />
reichhaltigem Umfang, von<br />
so vielbefassendem Inhalte<br />
bekannt wie das Brevier;<br />
denn es faßt beinahe die<br />
ganze heilige Schrift alten<br />
und neuen Testamentes, und<br />
die Psalmen Davids in sich.<br />
Außerdem zeigt es in den<br />
Leben der Heiligen, die in<br />
fortlaufender Reihe vorkommen,<br />
die wunderbaren Wege<br />
Gottes. Es sind die schönsten<br />
Züge aus der Kirchengeschichte,<br />
die herrlichsten<br />
Schilderungen der edelsten<br />
Menschen, die einst den Erdboden<br />
von Aufgang bis Niedergang<br />
der Sonne beglückten“<br />
7 . Für Wittmann stand<br />
fest: „Wer (als Priester) das Brevier<br />
nicht betet, ist ein Ungläubiger. Es<br />
hat freilich oft etwas Beschwerliches,<br />
wenn man unterwegs gehindert<br />
ist und soll die Nacht verwenden:<br />
aber nur treu! Gott lohnet diese<br />
Treue mit einer seligen Freude!“ 8 .<br />
Mit solchen Worten ermahnte er<br />
die künftigen Geistlichen zu gewissenhafter<br />
Treue in der ihnen durch<br />
die Kirche amtlich übertragene<br />
Pflicht, das Gebet der Kirche zu<br />
üben und nicht zu vernachlässigen.<br />
Wittmann wusste um die Einwände,<br />
die die Aufklärer anführten, um<br />
den Sinn dieser priesterlichen Amtspflicht<br />
in Frage zu stellen. Immer<br />
wieder wurde der Vorwand gebracht,<br />
es wäre sinnvoller oder gar<br />
Gott wohlgefälliger, wenn die Geistlichen<br />
auf das „Lippengebet“ des<br />
Breviers verzichteten, allein das innerliche,<br />
„freie“ Gebet übten, an<br />
232 DER FELS 8-9/<strong>2003</strong>